Vom Wahlkampfschnappschuss zum Siegerbild
Pressefoto Bayern 2019
04.12.2019
„Fotos sind ein unverzichtbarer Bestandteil öffentlicher Wahrnehmung“, sagte Ilse Aigner, Landtagspräsidentin und Schirmherrin des Wettbewerbs Pressefoto Bayern. Sie ehrte am Mittwoch im Bayerischen Landtag den Gesamtsieger Jan Staiger sowie die Preisträger in sieben weiteren Kategorien. Von der Aussagekraft der 80 besten Wettbewerbs-Fotos können sich Interessierte ab sofort in der Ausstellung im Maximilianeum überzeugen.
Wie haben EU-Politiker Manfred Weber und eine Damenhandtasche gemeinsam? Als Bildmotive des Pressefotos Bayern 2019 ernten sie künftig die besondere Aufmerksamkeit der Betrachter. Fotograf Jan Staiger hätte zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht erwartet, dass das Bild eines Wahlkampflyers des Europawahl-Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) in einer Handtasche einmal zu solchem Ruhm kommen sollte. „Auf einer CSU-Wahlkampfveranstaltung im April in Straubing zeigte sich eine ältere Dame sehr begeistert von Manfred Weber. Der Flyer von ihm schaute aus ihrer Handtasche, die sie am Boden abgestellt hatte. Ich stand neben der Bühne, habe gewartet was passiert und das Bild einfach mitgenommen. Jetzt bietet es diverse Interpretationsmöglichkeiten, wenn man den Werdegang von Manfred Weber mitverfolgt hat. Insofern bedeutet mir das Bild sehr viel“, sagte der 24-jährige freie Fotograf.
„Bild mit Déjà-vu-Qualität“
Die siebenköpfige Jury des Bayerischen Journalisten-Verbandes (BJV) kürte das Bild zum Pressefoto des Jahres 2019 mit folgender Begründung: „Ein signifikantes, ahnungsvolles Bild aus einem Langzeitprojekt über den EU-Wahlkampf von Manfred Weber, der lange als Spitzenkandidat der EVP-Fraktion zum EU-Kommissionspräsidenten gehandelt wurde. Mit viel Zeitaufwand hat der Fotograf die unterschiedlichsten Facetten und Stationen seiner Wahlkampftournee herausgearbeitet. Ein nur scheinbar marginales Foto, das Déjà-vu-Qualitäten besitzt.“ Der in Nürnberg geborene Fotograf, der seit 2016 Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover studiert, erhielt ein Preisgeld von 2500 Euro. Das Siegerfoto und die dazu gehörige Serie fertigte er im Auftrag der Süddeutschen Zeitung an.
Verantwortung für Bildsprache
Landtagspräsidentin Ilse Aigner erklärte anlässlich der Ausstellungseröffnung, Fotos, die professionell und integer gemacht sind, könnten durchaus ein Stück Wahrheit und ethische Einsichten vermitteln. „Ich sage bewusst können, weil ich weiß, dass es in der digitalen Fotografie zahllose Möglichkeiten der Manipulation gibt. Hier tragen Sie als Pressefotografinnen und -fotografen und als Chronisten unserer Zeit eine große Verantwortung.“ Die Jury hatte die Wahl unter mehr als 1200 Bildern von Fotografen aus allen Medienbereichen und Regionen Bayerns – eine Rekordbeteiligung. Der zum 20. Mal vom BJV ausgerichtete Wettbewerb Pressefoto Bayern würdigt die Arbeiten von Foto-Journalistinnen und -Journalisten, die das Zeitgeschehen im Bild festhalten und damit aussagekräftige Dokumente über das aktuelle Tagesgeschehen hinaus schaffen. Gleichzeitig will der BJV damit Aufmerksamkeit auf die schwieriger werdenden Arbeitsbedingungen für feste und vor allem freie Bildjournalisten lenken. „Bildjournalisten haben eine wichtige Aufgabe. Sie sind nicht nur Chronisten und Geschichtenerzähler, sie schauen den Mächtigen auch auf die Finger. Doch seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf der Bilder zu verdienen, wird immer schwieriger“, bedauerte Michael Busch, erster Vorsitzender des BJV. Umso wichtiger sei es daher, dass im Rahmen dieser Preisverleihung die Wertschätzung für Bildjournalisten zum Ausdruck komme.
Vom Dromedar zur Damenhandtasche
Bereits seit 20 Jahren würdigen der BJV und seine Sponsoren die Arbeiten der Fotokünstler. „Was hat sich geändert? Die Pressefotos polarisieren stärker als noch vor zwei Jahrzehnten“, stellte Busch fest. Das Bild des ersten Preisträgers Peter Schatz zeigt einen Dromedar-Ritt auf einer saftig grünen Wiese vor Schloss Neuschwanstein. Während es im Jahr 2000 die sommerliche Touristenattraktion an den ersten Platz schaffte, war es im Jahr 2014 das Bild eines Asylbewerbers, der in einem Etagenbett in der bayerischen Aufnahmeeinrichtung Zirndorf liegt. Das Bild ist ein Indiz dafür, dass es bei der Preisverleihung nicht nur darum geht, das Handwerk der Fotografen zu küren. Es geht auch darum, auf die Situation aufmerksam zu machen, in deren Zusammenhang die Bilder entstanden sind – wie auch bei dem aktuellen Pressefoto „Manfred Weber“.
Bildbetrachtung schafft Kultur
Zugleich hinterlassen Fotos Eindrücke und halten Momente fest, die sich ins Gedächtnis einbrennen – manchmal können Erinnerungen sogar von Fotos abhängen. „Fest steht: Sie sind unverzichtbarer Bestandteil öffentlicher Wahrnehmung. Darüber zu sprechen, ist mir ein persönliches Anliegen. Denn im Reden, im Zuhören und im gemeinsamen Betrachten von Bildern schaffen wir Verständnis, Wertschätzung und auch ein Stück Kultur“, sagte die Landtagspräsidentin und lud die Gäste dazu ein, sich mit den Bildern der Ausstellung auseinander zu setzen. Die Bilderschau mit rund 80 der besten Wettbewerbs-Fotos befindet sich im Kreuzgang des Maximilianeums vom 4. bis zum 23. Dezember 2019. Danach geht sie auf Tour durch bayerische Städte. Die ersten Stationen sind Ansbach, Viechtach, Augsburg, Nürnberg und der Flughafen München.
- Anja Schuchardt
Ausstellungsdauer:
Donnerstag, 05.12.2019, bis Montag, 23.12.2019, im Kreuzgang des Bayerischen Landtags
Öffnungszeiten:
Montag bis Donnerstag von 9.00 bis 16.00 Uhr und Freitag von 9.00 bis 13.00 Uhr
Größere Besuchergruppen werden gebeten, sich vorher anzumelden; Informationen dazu unter Ihr Besuch im Landtag.
Wir möchten darauf hinweisen, dass in wenigen Ausnahmefällen beim Zugang zur Ausstellung aus parlamentarischen Gründen oder wegen eines erhöhten Besucheraufkommens mit Wartezeiten zu rechnen ist.