Ausstellungseröffnung „In zwei Welten“: Wie deutsche Minderheiten um Heimat kämpfen
7. Mai 2019
Mehr als eine Million Menschen leben in deutschsprachigen Volksgruppen im europäischen Ausland. Ihnen widmet der Landtag nun eine Ausstellung: Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten in der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten FUEN zeigt im Kreuzgang deutsche Geschichten aus 25 Ländern. Die Einblicke lassen staunen – und machen deutlich, dass Minderheiten im vereinten Europa wichtige Brückenbauer sind.
Eine große Rolle im Leben der deutschen Minderheiten im Ausland spielt die Sprache. Insofern faszinieren in der Ausstellung „In Zwei Welten – 25 deutsche Geschichten – Deutsche Minderheiten stellen sich vor“ besonders mehrere „Schatztruhen“. Vor diesen Multimediastationen können Ausstellungsbesucher nicht nur lesen, wie es beispielsweise den Deutschen in Slowenien oder Russland geht, sie können es hören und sehen.
Es ist zum Beispiel merkwürdig rührend, wie eine Gruppe von deutschstämmigen Mädchen in Kasachstan „Ich geh‘ mit meiner Laterne“ singt – klar und rein, andächtig, brav mit Laternen durch den Wald ziehend. Am liebsten möchte man sie mit einer Grundschulklasse besuchen, um ihnen vorzuführen, dass dieses Lied viel unbeschwerter gesungen gehört, mit einem kleinen Hang zum Quatsch, so dass das Rabimmel Rabammel Rabumm richtig einschlägt … In anderen Videos sind Volkstanzdarbietungen in „deutschen“ Trachten zu sehen, die sich längst fantasievoll weiterentwickelt und dem neuen Heimatland farbenfroh angepasst haben. Podcasts geben Reportagen deutscher Sender im Ausland wieder, in Audiodateien hört man ältere Menschen Lieder singen und Geschichten erzählen in Dialekten, die es nur noch in den auswärtigen deutschen Enklaven gibt: Plautdietsch (Russland), Essekerisch (Kroatien), Kaanr (Ungarn).
Diese Ausstellung nimmt mit! Darüber hinaus berichten aber auch Schautafeln ausführlich über die Minderheiten, ihre Gemeinschaften, ihr kulturelles Leben und ihre Entwicklung über die Jahrzehnte und Jahrhunderte. Wer hätte gedacht, dass in Russland 500.000 Deutsche eine Volksgemeinschaft bilden, dass sogar in Turkmenistan rund 100 Minderheitsdeutsche leben, oder dass in Aserbaidschan erst 2007 der „letzte Deutsche von Helenendorf“, der ältesten Deutschensiedlung dort, verstorben ist?
„Globalisierung und Digitalisierung haben in uns eine große Sehnsucht nach Heimat ausgelöst“
Landtagspräsidentin Ilse Aigner eröffnete die Ausstellung persönlich mit einem Festakt im Steinernen Saal. „Globalisierung und Digitalisierung haben in uns eine große Sehnsucht nach Heimat ausgelöst“, gab sie zu denken, „wie muss es jenen gehen, die in ihrem Leben lange um Heimat gerungen haben? Diese Ausstellung ist ein Zeichen der Anerkennung an Minderheiten als Brückenbauer zwischen den Ländern.“
Denn den deutschen Minderheiten im Ausland erging es nach dem Zweiten Weltkrieg oftmals schlecht, wie Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, in seinem Gastvortrag ausführte. Sie erlitten das sogenannte „Kriegsfolgenschicksal“, manchmal bis in die dritte Generation hinein, will heißen: Sie waren Bürger mit weniger Rechten, wurden als Strafe für Deutschlands Kriegsverbrechen enteignet, erhielten keinen Zugang zu Bildung oder wurden an- und umgesiedelt wie es dem neuen Heimatland passte. „Dieses Schicksal wird durch jene Förderprojekte abgemildert, deren Einstellung viele Stimmen heute verlangen“, mahnte Fabritius. Und führte noch zwei weitere Argumente zugunsten der Auslandsdeutschen an: „Es gibt von ihnen über eine Million! Das sind nicht nur viele, sondern auch vielfältige Kulturen. Zudem sind sie ideale Brückenbauer, denn sie kennen die Bedürfnisse beider Seiten“, Deutschlands und des neuen Heimatlandes.
Auch für Gösta Toft, den Vizepräsidenten der FUEN, der in die Ausstellung seines Verbands einführte, stand fest, dass Minderheiten eine Schlüsselrolle innehaben. „Ich bin überzeugt, dass Europa in Zukunft ein Europa der Vielfalt sein wird“, sagte er, „dabei spielen Minderheiten eine große Rolle. Ihre Sprache und Kultur sollten gezielt genutzt werden.“
Ausstellungsdauer:
8. bis 24. Mai 2019
Öffnungszeiten:
Öffnungszeiten sind Montag bis Donnerstag von 9.00 bis 16.00 Uhr und Freitag von 9.00 bis 13.00 Uhr sowie sonntags im Rahmen der zum Sonntagscafé angebotenen Hausführungen in der Zeit zwischen 13.00 und 15.00 Uhr. Größere Besuchergruppen werden gebeten, sich vorher anzumelden; Informationen dazu unter Ihr Besuch im Landtag. Wir möchten darauf hinweisen, dass in wenigen Ausnahmefällen beim Zugang zur Ausstellung aus parlamentarischen Gründen oder wegen eines erhöhten Besucheraufkommens mit Wartezeiten zu rechnen ist.
Öffentliche Verkehrsmittel:
U4/U5 Haltestelle Max-Weber-Platz
Der Eintritt ist frei.
Weitere Informationen zur Ausstellung stehen unter http://agdm.fuen.org/wanderausstellung zur Verfügung.