Prof. Dr. Martin Burgi legt Gutachten vor: „Altfallregelung galt bis zum 31. Mai 2013“

Donnerstag, 29. August 2013
Die Altfallregelung im Bayerischen Landtag für die Beschäftigung von nahen Angehörigen durch Abgeordnete galt bis zum 31. Mai 2013. Bis zu diesem Zeitpunkt war sie vom Landtagsamt als Vollzugsbehörde und von allen anderen Institutionen zu respektieren. Zu diesem Schluss kommt Prof. Dr. Martin Burgi, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Umwelt und Sozialrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München, in seinem Gutachten zur sogenannten Altfallregelung(Dokument vorlesen), das er am 29. August 2013 im Bayerischen Landtag vorlegte. Als Konsequenz stellt Burgi fest: Eine Rückforderung der entsprechenden Erstattungen für Arbeits-, Dienst- und Werkverträge mit Angehörigen kommt nicht in Betracht.

Das Gutachten hatte Landtagspräsidentin Barbara Stamm in Auftrag gegeben, um die bestehenden gegensätzlichen Rechtspositionen von Landtagsamt und Bayerischem Obersten Rechnungshof (ORH) zu klären. Ausgangspunkt für die Streitfrage war die Änderung des Abgeordnetenrechts zum 1. Dezember 2000, wonach ab diesem Zeitpunkt Aufwendungen aus Arbeitsverträgen mit Ehegatten oder Verwandten 1. Grades aus der Mitarbeiterentschädigung nicht mehr erstattungsfähig sind. Ausgenommen davon wurden aus Gründen des Vertrauensschutzes Dienst- und Werkverträge, die vor dem 1. Dezember 2000 mit Ehegatten oder Verwandten/Verschwägerten 1. Grades wirksam geschlossen waren.

Der ORH, der die Landtagsverwaltung von Mai bis August 2013 geprüft hat, vertritt die Auffassung, dass seit der Änderung des Abgeordnetengesetzes zum 1. Juli 2004 die sogenannte Altfallregelung für die Beschäftigung naher Familienangehöriger nicht mehr gegolten habe. Das Landtagsamt ist dagegen der Meinung, dass die Altfallregelung bis zum 31. Mai 2013 fortgalt.

Prof. Dr. Burgi bestätigt in seinem 22 Seiten umfassenden Gutachten im Ergebnis die Position des Landtagsamts. Die Altfallregelung des § 2 Satz 2 des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes vom 8. Dezember 2000 sei entgegen der Einschätzung im ORH-Bericht keine „auf Dauer angelegte Ausnahmebestimmung“, sondern eine Übergangsregelung für eine von Wahlperiode zu Wahlperiode abnehmende Zahl von Fällen, argumentiert der Verwaltungsrechtler. Den Vorwurf des ORH, das Landtagsamt habe rechtswidrig gehandelt, weist Burgi zurück. In der Rechtsordnung fänden sich keine expliziten Aussagen und auch keine allgemein anerkannten Grundsätze, auf die ein Geltungsverlust und damit eine Pflicht des Landtagsamts zur Nichtanwendung der Altfallregelung in den Jahren zwischen 2004 und Mai 2013 hätte gestützt werden können. Dass der ORH in seinem Bericht die Altfallregelung seit 2004 für „gegenstandslos“ erklärt, beruhe auf einem in dieser Form erstmalig vertretenen, von ihm selbst entwickelten Argumentationsansatz.

Dieser Ansatz könne vor allem deswegen nicht überzeugen, weil er von den allgemein anerkannten Grundsätzen der Verweisungstechnik in der Gesetzgebungslehre abweiche. Diese Grundsätze seien in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und im einschlägigen Schrifttum niedergelegt sowie in dem „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“ des Bundesjustizministeriums dokumentiert, das der Bund und die Länder bei der Gesetzgebung heranziehen. „Danach handelt es sich bei der Altfallregelung des § 2 Satz 2 ÄnderungsG 2000 um eine sogenannte statische Verweisung. Diese – verfassungsrechtlich unbedenkliche, ja vorzugswürdige – Form der Verweisung ist gerade dadurch charakterisiert, dass sich nachfolgende Änderungen im Bereich der Norm, auf die Bezug genommen wird, nicht auswirken“, betont Prof. Dr. Burgi. Als Konsequenz führt er an: „Die Aufhebung des Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayAbgG 2000 führt nicht zur Gegenstandslosigkeit der Altfallregelung, weil der Normgeber des Jahres 2000 ebenso gut den Text jener Bezugsnorm in die Altfallregelung hätte hineinschreiben können. Dafür sprechen sowohl die Herrschaft des demokratisch zustande gekommenen Gesetzes als auch das Gebot der Rechtssicherheit.“

Selbst wenn man den ab dem 1. Juli 2004 fortbestehenden Verweis der Altfallregelung auf Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayAbgG 2000 trotz alledem kritisch sehen würde, wäre in der unterbliebenen Anpassung an die neue Paragrafenfolge (Art. 8 Abs. 1 BayAbgG statt Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayAbgG) aus Sicht von Prof. Dr. Burgi jedenfalls ein für die Fortgeltung der Altfallregelung unschädliches Redaktionsversehen zu erblicken. „Der gesetzgeberische Wille ist insoweit eindeutig“, betont der Verwaltungsrechtler.

Landtagspräsidentin Barbara Stamm zeigte sich zufrieden, dass damit die komplizierte juristische Streitfrage bezüglich der Fortgeltung der Altfallregelung geklärt werden konnte.

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