Der „Vater der Bayerischen Verfassung“

Vor 40 Jahren starb Wilhelm Hoegner

Mittwoch, 4. März 2020


MÜNCHEN. Seine flammende Rede gegen die Nazis 1930 im Reichstag war so herausragend, dass sie als Broschüre gedruckt wurde: Wilhelm Hoegner gilt heute als der "Vater der Bayerischen Verfassung" und prägte selbst die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland entscheidend mit. Hoegner war nicht nur ein mutiger Redner gegen die Nationalsozialisten  - er war auch der einzige sozialdemokratische Ministerpräsident Bayerns. Vor 40 Jahren, am 5. März 1980, starb Hoegner im Alter von 92 Jahren.

Landtagspräsidentin Ilse Aigner zum Todestag von Wilhelm Hoegner:

"Wilhelm Hoegner war ein großartiger, mutiger und engagierter Demokrat. Nicht nur seiner Partei war er Vorbild. Bayern verdankt ihm sehr viel - vor allem eine fortschrittliche und bürgernahe Verfassung. Sein engagiertes Auftreten gegen den Nationalsozialismus bleibt unvergessen."

Geboren wurde Hoegner als eines von 13 Kindern in Gräfensteinberg bei Gunzenhausen (Mittelfranken). Seine Eltern, der Eisenbahnbeamte Michael Georg Hoegner und seine Frau Therese, ließen sich nach verschiedenen Stationen in Perach bei Altötting nieder. Wegen guter Leistungen in der Schule erhielt er einen staatlich finanzierten Platz am Gymnasium. Hier fühlte er sich wohl, wenngleich als «schwieriger Außenseiter» unter den gutbürgerlichen Mitschülern. So benannte er später auch seine Erinnerungen. Nach dem Abitur studierte Hoegner Rechtswissenschaften in Berlin, München und Erlangen. Später war er als Amtsrichter am Amtsgericht München tätig.

1919 trat er in die SPD ein, war von 1924 bis 1930 Mitglied des Bayerischen Landtags und von 1930 bis 1933 Mitglied des Reichstages. In beiden Parlamenten wurde Hoegner zum erbitterten Gegner der Nationalsozialisten. Er war es, der einen Untersuchungsausschuss über die Hintergründe des Hitler-Ludendorff-Putsches am 9. November 1923 beantragte und diesen dann auch leitete.

 Am 18. Oktober 1930 beschwor er in einer berühmt gewordenen Rede vor dem Reichstag die Gefahren eines "Dritten Reiches". Die Rede wurde – einschließlich der Zwischenrufe und Drohungen der NSDAP-Abgeordneten – unter dem Titel „Der Volksbetrug der Nationalsozialisten” als Broschüre massenhaft verbreitet.

Darin sagte er:

"Die Nationalsozialisten haben am 9. November 1923 im Münchener
Rathaus in Ehren ergraute Sozialdemokraten verhaftet, um sie in den
Wald zu führen und dort erschießen zu lassen. Sie haben damals Frauen
und Töchter von Arbeiterführern mißhandelt, weil sie den Aufenthalt
ihrer Männer und Väter nicht verraten haben. Eine Partei, die solche
Taten auf dem Gewissen hat, die hat den Anspruch auf den Namen einer
Arbeiterpartei verwirkt!"

Während des Zweiten Weltkriegs floh Hoegner nach Österreich und in die Schweiz ins Exil. Danach wurde er im September 1945 von der amerikanischen Militärregierung zum Ministerpräsidenten von Bayern ernannt und war auch Justizminister. Als Vorsitzender des Vorbereitenden Verfassungsausschusses drückte er der bayerischen Verfassung seinen Stempel auf.

Auch der Volksentscheid wurde bedeutend von ihm geprägt. Einst betonte Hans-Jochen Vogel: "Wir waren das erste Land, das den Volksentscheid auf Landesebene eingeführt hat. Jetzt haben das alle 16 Bundesländer." In vielen Bereichen sei die Bayerische Verfassung eine Vorgängerin des Grundgesetzes. "Und das hat auch etwas mit dem Sozialdemokraten Wilhelm Hoegner zu tun."

Nach einem Sieg der CSU bei den Wahlen 1946 wurde Hoegner als Ministerpräsident abgelöst, kam aber von 1954 bis 1957 mit einer Vier-Parteien-Koalition noch einmal ins Amt.
Hoegner führte von 1958 bis 1962 die Landtagsfraktion der SPD und war anschließend bis zu seinem Ausscheiden aus dem Landtag 1970 stellvertretender Präsident des Bayerischen Landtags. 1971 wurde Hoegner Ehrenvorsitzender der bayerischen SPD. Hoegner starb am 5. März 1980 in München. Er wurde auf dem Friedhof am Perlacher Forst beigesetzt.

- Bastian Karl

 

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