50. Akademiegespräch: „Misstrauendes Volk – unverstandene Politik. Wie gefährdet ist unsere Demokratie?“

Dienstag, 10. März 2015

– Von Beryll Kunert und Carina Schmotz –

Anlässlich des 50. Jubiläums des Akademiegespräches luden der Bayerische Landtag und die Akademie für Politische Bildung in das Maximilianeum nach München ein. Phänomene wie die Pegida-Bewegung oder die niedrige Wahlbeteiligung sind alarmierende Anzeichen für eine Entfremdung zwischen Bürgern und Politik. Über dieses Thema diskutierten Akademie-Altdirektor Oberreuter, Armin Nassehi, Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Frank Richter, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung.

Barbara Stamm, Präsidentin des Bayerischen Landtags, begrüßte die zahlreichen Gäste zum 50. Akademiegespräch im Landtag. Der Zulauf war so groß, dass ein Teil des Publikums in den Plenarsaal ausquartiert werden musste, um den Vortrag und die anschließende Diskussion auf Bildschirmen mitzuverfolgen. Über die Entstehung des Akademiegespräches sagte Stamm: „Eine bessere Entscheidung hätte nicht getroffen werden können."

Worte öffnen Fäuste

Zwei besondere Gäste waren die „Gründungsväter" des Akademiegespräches: Professor Oberreuter, ehemaliger Direktor der Akademie für Politische Bildung, erläuterte die Aufgaben der ersten Akademiegespräche: Aufklärung und Rationalisierung, Grundbausteine für eine funktionierende Kommunikation in einer Demokratie. Für das Misstrauen des Volkes gegenüber der Demokratie machte er die zunehmende Komplexität der Politik verantwortlich. „Es ist zur Zeit eine System- und Akzeptanzkrise gegenüber der Regierung wie 1968, nur ohne die Ideologie dahinter." Für Johann Böhm, Präsident des Bayerischen Landtags a.D., sind die Akademiegespräche von großer Bedeutung. Die Musik spiele nicht nur in Bayern, deshalb seien in den letzten Jahren auch Themen wie Russland unter Putins Herrschaft, Globalisierung und der Islam bei den Akademiegesprächen behandelt worden. Wie sich zeigt, seien diese auch heute noch brisante Themen.

Kommunikation zwischen Bürgern und Vertretern der Politik

Akademie-Direktorin Ursula Münch sieht die Kommunikation zwischen Bürgern und Politik als wichtige Aufgabe der politischen Bildung. Misstrauen bei den Bürgern gegenüber der Politik entstehe dann, wenn politische Inhalte nicht mehr klar kommuniziert würden. Durch die Europäisierung und die Globalisierung könne der Bürger nicht mehr nachvollziehen, wer was entscheidet. So entstehe der bedrohliche Eindruck, dass Bürger keine Einflussmöglichkeiten haben und damit mache sich ein Gefühl der Ohnmacht breit. Münch sieht zudem ein entscheidendes Problem in der geringen Unterscheidungsmöglichkeit der Parteien: Alle großen Parteien seien in die politische Mitte gerückt, womit „der Eindruck entsteht: Es ist ja eh egal, wen man wählt“. Daraus resultiere auch die niedrige Wahlbeteiligung der letzten Jahre. Parteien sollten programmatisch auch Nichtwähler vertreten. Was aber gegen Politikverdrossenheit helfe, sei der persönliche Kontakt zu Abgeordneten: „Das wirkt sich unmittelbar darauf aus, wie man ihre Arbeit beurteilt."

Demokratie heißt Kompromisse eingehen

Soziologe Armin Nassehi beschrieb, wie sich durch persönlichen Kontakt sofort ein Stück Solidarität aufbaut. Fremdenfeindlichkeit sei beispielsweise dort am stärksten, wo man am wenigsten mit Fremden zu tun hat. Gleichsam seien vor allem diejenigen politikverdrossen, die zu hohe Erwartungen an die Politik haben. Außerdem entstehe die Frustration dadurch, dass die Politik die Gesellschaft nicht direkt steuern könne. Gelungene Politik brauche Alternativen und müsse sehen, wie fragil die Steuerungsmechanismen im System seien. Die Demokratie generell beschreibt Nassehi als keine stabile Staatsform. Aufgrund der Komplexität politischer Mechanismen fehle es aber auch schlichtweg an Zeit, politische Entscheidungen zu erklären oder Argumente vorzubringen. Genau daraus sei Pegida entstanden, als Ausdruck eines Überlastungssyndroms. Nassehi betont aber, wie wichtig Kommunikation und gegenseitiger Respekt seien: „Man muss Dinge ernst nehmen, auch wenn man sie ablehnt. Das ist moderne Kultur.“ Unterschiedliche Logiken und Argumente bräuchten deshalb einen Ort, an dem sie aufeinander treffen und ausgetauscht werden können.

Pegida-Sympathisanten und ihre Beweggründe

Frank Richter kritisierte nicht nur die Diffamierung der Pegida-Teilnehmer, sondern vor allem die Kommunikationsverweigerung der Politiker. Seiner Meinung nach sind die Demonstrationen Ausdruck eines Gefühls- und Problemstaus. Allerdings sei Pegida nach wie vor ein eher diffuses Phänomen. Richter vermutet, dass mehrere Faktoren zu Verwirrung und Sorge beitragen: Der Osten befände sich noch stärker in einem Transformationsprozess und die Bürger hätten Angst vor den neuen Entwicklungen. Neben der Globalisierung beäugten die Bürger auch eine starke Religion wie den Islam kritisch, da Religion im Osten der Republik lange keine große Rolle gespielt habe. Richter verlangt zur Beruhigung der Lage intelligente, politische Kommunikation.



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