Akademiegespräch im Bayerischen Landtag mit Carlo Masala und Jana Puglierin

„Hört auf zu träumen!“

„Der russische Krieg gegen die Ukraine ist der bisherige Höhepunkt und vielleicht auch der Wendepunkt im Ringen um eine neue Weltordnung“, sagt Carlo Masala. Beim Akademiegespräch im Bayerischen Landtag hat der Professor für Internationale Politik der Universität der Bundeswehr München über „Europa in der neuen Welt(un)ordnung“ gesprochen. Eingeladen hatten Landtagspräsidentin Ilse Aigner und Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing.

„Deutschland ist nicht Kriegspartei, jedoch durch und durch parteiisch in diesem Krieg“, so Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Denn Russland versuche mit der Macht des Stärkeren und unter Inkaufnahme von Millionen Opfern Grenzen in Europa zu verschieben, erläuterte sie in ihrer Begrüßungsrede. Ihre Aufforderung daher: „Unsere Vorstellung von der Welt ist in Unordnung gebracht – Deutschland und Europa sind aufgefordert, ihre Rolle in der Welt neu zu definieren.“

Pessimistischer zeigte sich Masala: „Ohne die USA wäre der Krieg längst zuungunsten der Ukraine entschieden“, ist der Professor für Internationale Politik überzeugt. Wenn Russland sich durchsetze, liefere das China eine Blaupause für Taiwan. Deshalb stehen die USA entschieden an der Seite der Ukraine. Wie der Krieg ausgehen und wie die neue Weltordnung aussehen wird, sei aktuell unklar. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen werde durch die starke Rolle Russlands als Vetomacht in der kommenden Dekade ausfallen. Eine große Bedeutung schreibt Masala auf dem Weg zur neuen Weltordnung sogenannten „Swing States“ wie Indien und Brasilien zu, die weder dauerhaft an der Seite der revisionistischen Staaten Russland und China noch an der Seite der Status-quo-Mächte Europa und USA stehen. „Diese Staaten sind gerade sehr umworben“, sagt Masala.

Für Europa sieht er keine Möglichkeit, die zukünftige Weltordnung aktiv mitzugestalten. „Hört auf zu träumen!“, appellierte er an die deutsche Gesellschaft. Es sei ein Traum, dass Europa neben den wirtschaftlich und militärisch starken Mächten USA und China eine tragende Rolle spielen könne. Er gehe stattdessen von einer „transatlantischen Arbeitsteilung“ aus: Die USA verlegen ihre Truppen verstärkt nach Asien, während die europäischen NATO-Partner Russland eindämmen.

 

Jana Puglierin vom European Council on Foreign Relations erklärte in der anschließenden Diskussion, in Teilen den USA herrsche die Meinung, die Europäer leisteten sich teure Sozialstaaten, während sie sicherheitspolitisch auf Kosten der USA Trittbrett fahren. Im nächsten Präsidentschaftswahlkampf werde dieses Thema mit großer Wahrscheinlichkeit wieder aufgegriffen. Europa müsse deshalb darüber nachdenken, wie mit Blick auf China und die USA ein europäischer Weg aussehen könnte. Und sie warnte eindringlich vor den Risiken einer zu großen Abhängigkeit von China - „gerade bei Wind und Solarenergie liegt die zwischen 90 und 98 Prozent, so Puglierin. „Derisking“ sei daher dringend geboten.

/Beate Winterer

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