Akademiegespräch "Bayern nach der Wahl"

Diskussion mit Michel Friedman, Thomas Petersen und Astrid Séville im Bayerischen Landtag

30. November 2023

MÜNCHEN.    Mit den neuen Kräfteverhältnissen nach der Landtagswahl beschäftigte sich das erste Akademiegespräch der 19. Wahlperiode im Bayerischen Landtag. Hochkarätige Expertinnen und Experten diskutierten unter anderem, welche gesellschaftlichen Trends die Wahl offenbart hat.

„Die Landtagswahl hat nicht nur die Kräfteverhältnisse im Parlament verändert, sondern auch die politische Kultur“, so Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Auch weil Abstiegsängste an die Stelle des Wohlstandsversprechens getreten seien, hätten wohl auch noch mehr Menschen als 2018 aus Protest, Verzweiflung oder Wut gewählt. „Wir können daher nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, wie sie in ihrer Begrüßung beim Akademiegespräch im Bayerischen Landtag folgerte, zu dem sie gemeinsam mit Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, geladen hatte. Dass sich mit Blick auf die Wahlergebnisse etwas ändern müsse, darüber waren sich alle einig auf dem Podium. Was genau eine Protestwahl aber bedeute und wie den entsprechenden Wählerinnen und Wählern zu begegnen sei, darüber schieden sich die Geister bei der Diskussion von Michel Friedman, Thomas Petersen und Astrid Séville. 

Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie Allensbach erklärte die Wahl populistischer und teils extremistischer Parteien mit subjektiven Gefühlen der Wählerinnen und Wähler. Diejenigen, die sich vorstellen könnten, die AfD zu wählen, machten sich ihm zufolge Sorgen über Einwanderung, glaubten, dass Deutschland „den Bach runter geht“, fänden, dass die Vertreterinnen und Vertreter der AfD „reden wie normale Menschen“ und wollten mit ihrer Stimme Protest ausdrücken oder ein Zeichen setzen, so Petersen. Michel Friedman konterte: „Bei allem Respekt vor Gefühlen: Die Frage ist, ob man Gefühlen nachlaufen muss. Das, was Sie machen, darf nicht überbewertet werden“, kommentierte der Publizist, Jurist und Philosoph Friedman den Vortrag des Demoskopen. Der entgegnete frei nach Gottfried Wilhelm von Leibniz: „Wissen ist besser als Nichtwissen. Das ist der Grund, warum wir die Demoskopie brauchen.“ So hoch ging es selten her in den ersten Minuten eines Akademiegesprächs im Bayerischen Landtag.

„Mir war klar, dass das ein interessanter Abend wird“, kommentierte Akademiedirektorin Ursula Münch, die mehrfach beschwichtigen musste. Lediglich Politikwissenschaftlerin Astrid Séville blieb durchweg ruhig in ihren Einordnungen, auch beim Thema Gefühle. „Politik funktioniert immer, wenn sie auf Skandale und Affekte setzt. Damit kann man auch Nichtwähler mobilisieren. Das ist aber ein zweischneidiges Schwert, denn dann weiß man auch wo die stehen“ und das sei eben nicht immer an der Seite der demokratischen Parteien, erklärte die Professorin von der Leuphana Universität Lüneburg.

Mit Blick auf die politische Kommunikation ergänzte Séville, dass mit politischen Mandaten – gerade in Wahlkampfzeiten – auch eine gewisse Verantwortung in der Wortwahl einhergehe. Dass zu dieser Feststellung nicht nur auf dem Podium Einigkeit herrschte, zeigte auch der große Beifall im Publikum.

/ Beate Winterer

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