Perspektivenwechsel: Beamte schauen Politikern über die Schulter

Mittwoch, 26. November 2014

Politik und Verwaltung pflegen mitunter unterschiedliche Sprachstile und Denkweisen. Bei einem Praxistag im Bayerischen Landtag konnten junge Verwaltungsführungskräfte die Welt der Politiker aus nächster Nähe kennenlernen. 14 Nachwuchsbeamte begleiteten 14 Abgeordnete bei deren Terminen und Sitzungen. Dabei gab es keine Geheimnisse oder verschlossene Türen. Als „Schattenmänner“ und „Schattenfrauen“ waren sie überall mit dabei und gewannen so wertvolle Einblicke in den Arbeitsalltag „ihrer“ oder „ihres“ Abgeordneten.

Zum dritten Mal wurden die Abgeordneten des Bayerischen Landtags nun schon bei ihrer Arbeit „beschattet“. „Shadowing“ heißt deshalb auch das Programm, das Dr. Peer Frieß, Geschäftsführer des Lehrgangs für Verwaltungsführung der Bayerischen Staatsregierung, 2011 ins Leben gerufen hat. Im Mittelpunkt dieses Moduls steht, das gegenseitige Verständnis und die Kommunikation zwischen Politik und Verwaltung zu fördern. Schließlich, so Frieß, müßten Führungskräfte die Sprache beider Welten verstehen und Brücken bauen können.

Landtagsdirektor Peter Worm griff in seiner Begrüßung diesen Gedanken ebenfalls auf. Während der klassischen Juristenausbildung oder eines anderen Studiums spiele der praktische Parlamentsalltag leider nur eine geringe Rolle, bedauerte er. Dabei, so Worm, würden die Kursteilnehmer später als Abteilungs- bzw. Behördenleiter viel damit zu tun haben.

Der Tag im Parlament startete mit einem gemeinsamen Frühstück, bei der sich die Nachwuchsbeamtinnen und -beamten mit „ihren“ Volksvertretern bekannt machen und den geplanten Tagesablauf besprechen konnten. Knapp 30 Minuten später ging es dann auch schon richtig los: Landtagsvizepräsidentin Inge Aures und die Abgeordnete Helga Schmitt-Bussinger, beide Mitglieder des Ältestenrates, nahmen Christian Hillig und Dr. Sabine Quaas als ihre Begleiter mit in die Sitzung dieses Gremiums, in dem die Vollversammlungen vorbereitet werden. Auch Fachausschüsse, Arbeitsgruppen und Arbeitskreise tagten, zudem gab es eine Reihe von Terminen, die von den Abgeordneten außer Haus wahrgenommen wurden. „Ich freue mich darauf, heute Dr. Florian Herrmann bei seiner Arbeit im Innenausschuss über die Schulter schauen zu dürfen“, sagte Dr. Rolf Mehringer beim Auftakt. In dem Ausschuss wurde unter anderem über die Vorbereitungen zum G7-Treffen auf Schloss Elmau im Juni 2015 debattiert – für den Beamten, der aus dem Innenministerium im Bereich Rettungswesen kommt, ein Thema mit vielen relevanten Bezügen.

Markus Ell aus dem Umweltministerium begleitete die Abgeordnete Claudia Stamm in den Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen. Dort wird derzeit intensiv über den Entwurf des Doppelhaushalts 2015/2016 beraten. Der Etat soll noch vor der Weihnachtspause in der Vollversammlung verabschiedet werden: „Neu für mich war, dass die Opposition nicht einfach pauschal dagegen stimmt, sondern in ihrem Abstimmungsverhalten sehr differenziert vorgeht, sich also zum Beispiel auch bewusst der Stimme enthält.“ Aufgefallen ist ihm zudem die überaus große Themenfülle, mit denen die Abgeordneten konfrontiert sind und die eine jeweils sehr intensive Einarbeitung in die einzelnen Materien erfordert.


Auch Bianca Eichmann aus dem Gesundheitsministerium hat die Fülle an Terminen und Aufgaben nachhaltig beeindruckt: „Ich kenne den Alltag im Parlament zwar ein bisschen, weil ich früher im Sozialministerium Landtagsreferentin war.“ Aber der Wechsel an Themen, quasi im Minutentakt, hat sie nun doch erstaunt. Sie begleitete den Abgeordneten Bernhard Seidenath am Vormittag unter anderem zu einer Gesprächsrunde in die Hanns-Seidel-Stiftung und konnte miterleben, wie Verbände und Vereine ihre jeweiligen Positionen gegenüber der Politik geltend machen.

„Der Blick hinter die Kulissen ist wirklich klasse“

Thomas Meier aus dem Innenministerium war einen Tag lang „Schattenmann“ von Ausschussvorsitzenden Prof. Dr. Michael Piazolo und nahm als solcher an einer Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst, später an einer Fraktionssitzung teil. Dazwischen gab es Gespräche mit Bürgern, Mitarbeitern und anderen Abgeordneten. „Ich habe miterlebt, wie sich die Abgeordneten im Vorfeld einer Beschlussfassung untereinander abstimmen. Der Blick hinter die Kulissen ist wirklich klasse“, schwärmte er. Beim Mittagessen blieb dann sogar ein bisschen Zeit, auch an persönliche Dinge anzuknüpfen. „Wir haben dabei festgestellt, dass wir während unseres Referendariats beide am selben Landratsamt tätig waren“, berichtete „Pate“ Prof. Dr. Piazolo. Den Austausch und Kontakt zwischen Politik und Verwaltung hält er für wichtig. Ausschussvorsitzende Angelika Schorer pflichtete dem bei: „Es freut mich, dass jeder Lehrgangsteilnehmer einen Abgeordneten begleitet. So erfahren sie aus erster Hand, was die wichtigsten Aufgaben der Parlamentarier sind.“


Katharina Schulze lobte den Perspektivenwechsel aber auch aus ihrer Sicht als Abgeordnete: „Es ist total spannend, ein Thema mit verschiedenen Brillen zu betrachten und zu erleben, wie auf der anderen Seite des Schreibtisches gedacht wird.“ Einen Tag lang wurde sie von Anton Kreitmeir aus dem Landwirtschaftsministerium begleitet. Shadowing-Initiator Dr. Peer Frieß sieht diesen Punkt ebenfalls: Auch für die Abgeordneten sei es eben hilfreich zu verstehen, warum die Verwaltung nicht anders reagieren darf als sie es tut.


„Shadowing“ auch in den Stimm- und Wahlkreisen der Abgeordneten

Um das Bild abzurunden, sollen Verwaltungsführungskräfte demnächst die Möglichkeit erhalten, ihre Abgeordnete einen Tag lang in deren Wahl- und Stimmkreise zu begleiten. Auch über einen Rollentausch wurde bereits nachgedacht: Dabei sollen die Abgeordneten für einen Tag in die Ministerien kommen und sich dort ein Bild von der Arbeit der Verwaltungsfachleute machen. Der Perspektivenwechsel wäre damit dann perfekt. /kh

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