Dialog mit Muslimen im Landtag

16. Juni 2015

– Von Zoran Gojic –



Bei einem Paar würde es wohl heißen: „Wir müssen reden.“ Schon seit einiger Zeit fühlen sich viele Muslime in Deutschland ausgegrenzt, stigmatisiert, missverstanden. Ihre Religion ist plötzlich ein Thema, seit immer neue Terrormeldungen islamistischer Bewegungen die Nachrichten bestimmen. Gleichzeitig ist die Unkenntnis über den Islam und den Alltag der Moslems in Deutschland groß. Auf Initiative der SPD-Fraktion haben deshalb alle vier Landtags-Fraktionen gemeinsam zur „Begegnung mit Muslimen“ im Maximilianeum geladen. Jeder Abgeordnete sollte aus seinem Stimm- oder Wahlkreis muslimische Bürger einladen, die über ihr Leben, ihre Anliegen, ihre Erfahrungen berichten sollten. Das Interesse war gewaltig: Neben Ministerpräsident Horst Seehofer, Innenminister Joachim Herrmann, Justizminister Winfried Bausback und Sozialministerin Emilia Müller, waren rund 50 Mitglieder des Landtags erschienen. Landtagpräsidentin Barbara Stamm forderte in ihrer Begrüßung die 150 muslimischen Gäste auf, die Gelegenheit zu nutzen und sich Gehör bei den Politikern zu verschaffen: „Wie fühlen Sie sich in Bayern? Wie sehen Sie uns im Umgang mit Ihnen?“

„Wie bringt man sich ein?

Und die Gäste nahmen die Aufforderung gerne auf. Viele, ganz unterschiedliche Lebensgeschichten gab es zu hören. Vom türkisch-stämmigen JU-Ortsverbandsvorsitzenden über eine uigurische Filmemacherin, die mit der Kamera durch ganz Bayern reist, um die Menschen hier besser kennenzulernen bis hin zu einem syrischen Flüchtling, der in rund einem Jahr in Bayern bemerkenswert gut Deutsch gelernt hat. Die Moderatoren Fatima Abdollahyan und Tilmann Schöberl stellten Frauen und Männer vor, die sich gut integriert haben, die Sprache beherrschen und sich im Großen und Ganzen sehr wohl fühlen in Bayern. Serdar Duran beispielsweise arbeitet als Finanzberater und ist Ortsvorsitzender der Jungen Union Allach-Untermenzing. Für den gebürtigen Münchner eine folgerichtige Art, sich einzubringen. „Wenn man dazu gehören will, muss man mitmachen. Und mein Ansatz war: wo ist die Mehrheit? Die Mehrheit ist bei der Jungen Union, also habe ich dort mitgemacht“, erklärte Duran. Und gestand auf Nachfrage, dass er zwar kein Schwein esse, beim Bier aber nicht so dogmatisch sei. „Da hat man in der Jugend mal ein bisschen probiert und seine Meinung geändert“, erklärte Duran. Auch Mehmet Egen aus der Oberpfalz engagiert sich politisch und sitzt für die SPD im Marktrat. Der Gastronom überraschte mit seinem breiten oberpfälzischen Dialekt und sorgte für einen heiteren Moment, als er erklären sollte, weshalb er seine kleine Pizzeria von einem protestantischen und katholischen Geistlichen habe segnen lassen: „Warum aa ned?“. Doch Egen schlug auch ernste Töne an und ermahnte dazu, bei Überlegungen zu Integration den ländlichen Raum nicht zu vernachlässigen und nicht immer nur an die Metropolregionen zu denken.

Das Gefühl ist: als Moslem steht man unter Generalverdacht

Wie ein roter Faden zog sich in fast allen Wortmeldungen das Gefühl, sich in Bayern sehr wohl zu fühlen und doch im Alltag immer wieder mit mehr oder weniger offen gezeigte Ressentiments konfrontiert zu werden. So erzählte die junge Polizistin Pelin Lermi über Beleidigungen von Kollegen während ihrer Ausbildung, wies aber auch darauf hin, ihr Arbeitgeber habe sich hinter sie gestellt: „Die Polizei hat sehr schnell reagiert und disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet“, sagte die junge Frau und betonte, zum guten Zusammenleben müssten beide Seiten etwas beitragen.

Gül Sölgun-Kaps, Lehrerin aus Augsburg, beklagte, die frühe Sortierung im Bildungssystem zementiere Unterschiede, anstatt Chancen zu bieten. „Jedes Kind soll sich als etwas Besonderes fühlen“, forderte sie. Zur Identitätsstiftung gehöre auch die religiöse Sozialisation durch Islam-Unterricht an den Schulen. Mehmet Sapmaz aus Erlangen schließlich formulierte, was zuvor unausgesprochen immer wieder zwischen den Zeilen angedeutet worden war: Auch wenn man als Moslem in Bayern integriert ist und sich gesellschaftlich engagiert, fühlen sie sich unter Generalverdacht. „Die Muslime hier sind nicht verantwortlich für die Anschläge, die es auf der Welt gibt. Die Terroristen sind unsere gemeinsamen Feinde. Hier darf es kein „Wir“ und „Ihr“ geben“, sagte Sapmaz und fügte bitter an: „Jedesmal wenn irgendwo irgendetwas passiert, bete ich zu Gott: Hoffentlich war es kein Moslem“. Die Moslems müssten als Teil der bayerischen Bevölkerung akzeptiert werden, deswegen sei es höchste Zeit, den Islam zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu machen. Und generell, explizit an die Politiker im Saal gewandt, sei es Zeit für mehr Abgeordnete mit Migrationshintergrund. Dieses Wort übrigens – Migrationshintergrund – gefällt vielen im Saal nicht so sehr, weil es Distanz schaffe und kategorisiere.

„Seien sie, so wie sie sind

Trotz mancher kritischer Anmerkungen – die Stimmung bleibt sehr entspannt, die Politiker hören zu und auch nach der moderierten Runde gehen die Gespräche noch lange weiter. Die Politiker nehmen offenkundig viel mit aus diesem Abend. Markus Rinderspacher, Fraktionsvorsitzender der SPD sieht den Bedarf zu weiteren derartigen Gesprächsrunden. „Es gibt großen Gesprächsbedarf und ich denke wir benötigen einen institutionalisierten Dialog mit den Muslimen, wie es ihn in anderen Bundesländern bereits gibt.“

Thomas Kreuzer, CSU-Fraktionsvorsitzender imponierten die vielen unterschiedlichen Facetten des gesellschaftlichen Engagements der Muslime. „Ich finde es beeindruckend, was die Muslime beisteuern und wie sehr sich auch als Bayern fühlen. Es ist oft gesagt worden, dass vieles besser geworden ist und wir arbeiten weiter daran, dass es immer noch besser wird.“

Margarete Bause, Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, plädierte dafür, die Aufmerksamkeit vermehrt auf den Sektor Bildung zu legen. „Da müssen wir offenkundig mehr tun und wir brauchen den islamischen Religionsunterricht.“ Zuletzt appellierte Hubert Aiwanger, Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER, für einen unverkrampften Umgang miteinander. Ideologische Debatten seien der falsche Weg, die Menschen müssten im Kleinen zusammenfinden und sich nicht gegenseitig mit Erwartungen überladen. Angesichts der Identitätsfrage, die immer mal wieder diskutiert worden war, riet Aiwanger den muslimischen Gästen: „Seien Sie so wie Sie sind!“

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