2. Studientag Israel im Bayerischen Landtag – „Viel Glück, Israel! Mazel tov, Bayern! – Auf die nächsten 50 Jahre!“

Mittwoch, 28. Januar 2015
– Von Katja Helmö und Anton Preis –


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Vor 50 Jahren haben Israel und die Bundesrepublik Deutschland die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbart. Der Bayerische Landtag nahm das Jubiläum zum Anlass, um bei einem Studientag Israel den Blick auf die Zukunft dieser besonderen Partnerschaft zu richten. Die Veranstaltung stand unter der Überschrift „Viel Glück, Israel! Mazel tov, Bayern! – Auf die nächsten 50 Jahre!“. In Zusammenarbeit mit dem Generalkonsulat Israel, der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit und dem Bayerischen Jugendring wurden Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern vorgestellt und dabei auch viele neue Kooperationsprojekte aufgezeigt – von Bildungspatenschaften über Austausch- und Praktikumsprogramme bis hin zu Weinpartnerschaften und einem neuen Blog zu „New Kibbuz“. 

Bereits im März 2013 hatte der Bayerische Landtag einen Studientag zu Israel veranstaltet. Der 2. Studientag, der einen Tag nach der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus im Landtag stattfand, wandte sich diesmal an einen nochmals erweiterten Teilnehmerkreis: Schüler und Auszubildende, Referendare, Lehrkräfte und Pädagogen, aber auch Studenten von Fachhochschulen und Universitäten in Bayern konnten die Gesprächsrunden und Vorträge im großen Auditorium des Senatssaals mitverfolgen oder in den Informationsforen am Nachmittag zu den Themen Bildung, Integration und Wirtschaft aktiv mitarbeiten. Das gesellschaftliche Leben, der politische und wirtschaftliche Alltag, aber auch die Kultur, die Mentalität und das Lebensgefühl des jeweils anderen Landes standen dabei im Mittelpunkt.

Die Jugend für Freiheit und Menschenwürde begeistern

Mit einem Gespräch, das die bekannte Autorin Amelie Fried moderierte, eröffneten Landtagspräsidentin Barbara Stamm und Meir Sheetrit, dienstältestes Mitglied der Knesset in Israel, offiziell den Studientag. Barbara Stamm unterstrich darin die Bedeutung der Erinnerungskultur: „Wenn man sich in der Welt umschaut, muss man sich mit der Historie beschäftigen. Die Erinnerung an den Holocaust muss unter der Überschrift ‚Nie wieder!‘ stehen.“ Zugleich müsse man die Jugend für Freiheit und Menschenwürde begeistern. Meir Sheetrit setzte einen ähnlichen Schwerpunkt: „Kein Volk kann seine Geschichte löschen, korrigieren oder vergessen. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit sorgt dafür, dass solche schlimmen Ereignisse wie der Holocaust nicht mehr geschehen.“

Ein wichtiges Thema für die gemeinsame Zukunft zwischen Bayern und Israel sahen beide im Bildungsbereich. Sheetrit rief dazu auf, Anreize an Lehramtsstudierende für ein Auslandssemester in Israel zu setzen. Hier seien bereits hervorragende Erfahrungen mit den USA gemacht worden. Deutschland selbst könne besonders im High-Tech-Bereich von Israel profitieren. Hier biete sich ein Austausch zwischen Wissenschaftlern an. „Israel braucht starke Freunde in der Welt – solche wie Deutschland“, lobte der Politiker. Diese Freundschaft hatte Landtagspräsidentin Barbara Stamm erst kürzlich wieder erlebt. Sie berichtete von ihrem Besuch in Israel Anfang November. „Ich war beeindruckt von dem offenen und freundschaftlichen Umgang mit den bayerischen Gästen.“

Intensive Diskussionen in den Gesprächsrunden und Foren

Experten aus den Bereichen Bildung, Wirtschaft, Integration und Gedenkarbeit beleuchteten unterschiedliche Aspekte der Zusammenarbeit, über die zuvor in den Foren intensiv diskutiert worden war: Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, und Dr. Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, zeigten neue Ansätze in ihrer Arbeit auf. Danach entwickeln sich die ehemaligen Konzentrationslager zu „internationalen Familien- oder Generationenorten“. Sie seien wichtige Anlaufstellen für die Nachkommen ehemaliger Häftlinge der zweiten, dritten und inzwischen auch der vierten Generation, erläuterte Skriebeleit. Mit Blick auf den Jugendaustausch wünschte sich Freller, dass der Funke überspringen möge auf die nächste Generation: Die jungen Menschen heute seien schließlich „die Zeugen der Zeugen“.

Einblicke in die Bildungszusammenarbeit gaben Werner Karg von der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit und Matthias Fack vom Bayerischen Jugendring. Sie bestätigten, dass die Jugendlichen großes Interesse an den Austauschprogrammen mit Israel haben. Im Schulunterricht sah Karg allerdings noch Defizite hinsichtlich einer „angemessenen Wahrnehmung Israels“ und leitete daraus einen Arbeitsauftrag für die Bildungsarbeit der Landeszentrale ab. Karg bedauerte außerdem die oftmals „medialen Verkürzungen“ in der Berichterstattung über Israel.

Den Fokus auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit richtete Prof. Dr. Guy Katz von der FOM Hochschule München. Mit Blick auf die unterschiedlichen Mentalitäten und Arbeitsweisen in den beiden Ländern meinte er, es entstünde ein sehr „effizientes Improvisieren“, wenn Business-Partner in Deutschland und in der Start-up Nation Israel ihre Stärken bündelten. Die Erfolge dieser Kooperationen ließen sich auch darin ablesen, so Prof. Katz, dass Deutschland heute vom Volumen her Israels zweitwichtigster Handelspartner sei.

Im Spannungsfeld zwischen „Angst, Islamismus und eigenem Extremismus“

Mit auf dem Podium vertreten war auch Richard C. Schneider. Der Journalist, der seit zehn Jahren als ARD-Korrespondent in Tel Aviv arbeitet, hatte zuvor in einem Impulsreferat seine Sicht auf das heutige Israel beschrieben. Er skizzierte eindrucksvoll das Land im Spannungsfeld zwischen „Angst, Islamismus und eigenem Extremismus“ und beschrieb hierbei sowohl die kritische Sicherheitslage Israels als auch seine zunehmende Fundamentalisierung durch die politische Rechte.

Start von „New Kibbuz“ im Landtag

Im Vorfeld der Referate, Gesprächsrunden und Foren hatte auch der Wissenschaftsausschuss in seiner Sitzung Israel zum Thema gemacht. Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle informierte dort im Beisein von Landtagspräsidentin Barbara Stamm, dem Knesset-Abgeordneten Meir Sheetrit und dem israelischen Generalkonsul Dr. Dan Shaham die Ausschussmitglieder und Teilnehmer des Studientages über konkrete aktuelle Forschungskooperationen bayerischer Universitäten und Universitätskliniken mit Instituten in Israel, darunter mit der Universität Haifa, mit der Hebrew University und mit dem Hadassah Medical Center in Jerusalem. „Es gibt derzeit 17 Partnerschaften in einer großen Bandbreite“, bilanzierte Spaenle. Der Staatsminister stellte bei dieser Gelegenheit das neue Programm „New Kibbuz“ vor, bei dem Studierende an bayerischen Hochschulen und Fachhochschulen israelische Unternehmen aus den Branchen IT, Hightech, Life Sciences und Greentech im Rahmen von Praktika näher kennenlernen können. Das Programm wurde am Rande der Ausschusssitzung von Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle und dem israelischen Generalkonsul Dr. Dan Shaham unterzeichnet und ging damit an diesem Tag zusammen mit einem dazu gehörenden Blog www.deutscher-kibbutz.de an den Start.



In den Diskussionsrunden des Studientages hatten die Teilnehmer auch viele Wünsche formuliert und ihre Ideen vorgetragen. Mehrere Lehrkräfte schlugen zum Beispiel vor, Austauschprogramme mit Israel künftig zusätzlich an Grundschulen sowie an berufsbildenden Schulen anzubieten. Angeregt wurde zudem, dass in den Lehrplänen neben der rückblickenden Erinnerungsarbeit künftig verstärkt auch das aktuelle jüdische Leben und die heutige Wirklichkeit Israels abgebildet werden. Landtagspräsidentin Barbara Stamm versprach, alle Anregungen aufzunehmen und auszuwerten: „Der Tag geht zu Ende, aber wir sind in unserer gemeinsamen Arbeit ja mittendrin.“ Auch Generalkonsul Dr. Dan Shaham freute sich über das lebendige und freundschaftliche Miteinander: „Auf die nächsten 50 Jahre“, rief er beim Abschied. Sie haben sehr gut begonnen an diesem Studientag im Landtag.

 

Aus den Gesprächsforen . . .

Forum Integration: Im Gesprächsforum „Integration“ erläuterte Anat Feinberg, Professorin für Hebräische und Jüdische Literatur an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, die verschiedenen Einwanderungswellen nach Israel. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts zog es Juden in den Nahen Osten. Im Jahr 1860 lebten 6000 Juden in Palästina, lange vor dem ersten Zionistenkongress in Basel anno 1897, der für die Einwanderung aller Juden nach Israel plädierte. Feinberg erzählte, dass Theodor Herzl 1903 überlegt hatte, als „Zwischenlösung“ die damalige britische Kolonie Uganda (heute Kenia) zum Einwanderungsland zu erklären, wozu es aber nicht kam. Die Zionistenbewegung habe die „Diaspora-Identität“ der Juden ablegen wollen. Sie wollte weg vom Klischee eines ganz in schwarz gekleideten, bärtigen Mannes mit Kopfbedeckung und langem Mantel „hin zum zupackenden Hebräer, der seine neue Heimaterde Israel beackert, der muskulös, glatt rasiert und kampfbereit ist. Der Talmud-Intellektuelle war nicht mehr das Idealbild, sondern der handwerklich begabte Landwirt, der sich im Kibbutz selbst versorgen kann“, so Feinberg. /der

 

Forum Bildung: Kibbutze kann man in Israel heute noch besuchen. Gerhard Waschler (CSU) warb im Gesprächsforum „Bildung“ hauptsächlich vor interessierten Lehrerinnen und Lehrern dafür, dass mehr bayerische Schüler diese Möglichkeit nutzen sollten: „Die Gespräche, die man vor Ort in der Gastfamilie führen kann, sind der wahre Gewinn einer solchen Reise.“ Der Freistaat fördert Schulaustauschprogramme im Rahmen der bayerisch-israelischen Bildungskooperation. Werner Karg von der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit ermutigte die Lehrer, bayerischen Eltern die Sorge um die öffentliche Sicherheit in Israel zu nehmen. „Es hilft auf dem Elternabend sehr, wenn der Lehrer selbst schon einmal vor Ort war“, bemerkte ein Teilnehmer. Im laufenden Jahr wollen die Landeszentrale und der Bayerische Jugendring vor allem den Austausch zwischen Berufs- und Förderschulen in Bayern und Israel anstoßen. Bildungsausschussvorsitzender Martin Güll (SPD) bat die Zuhörer, Ideen und Anregungen beizusteuern: „Wir Politiker sind der Motor und schieben die Themen dort an, wo es noch einen Schritt weitergehen muss.“ /der          

 

Forum Wirtschaft: Wie ist es, mit Israelis Geschäfte zu machen? Mit dieser Frage setzten sich die Teilnehmer des Gesprächsforums „Wirtschaft“ unter der Leitung von Prof. Dr. Guy Katz auseinander. Der Dozent an der FOM Hochschule München beschrieb die dortige Business-Kultur als „sehr direkt“. „Israelis sind hart im Geschäft, aber später kann man problemlos mit ihnen ein Bier trinken gehen“, erläuterte er. Freundschaft sei bei Israelis, so Prof. Katz, ein extrem wichtiges Element bei Geschäftsabschlüssen: „Wenn es Ihnen nicht gelingt, Freundschaften zu schließen, kann es sein, dass das Geschäft nicht zustande kommt. Schicken Sie dann lieber einen Kollegen oder Ihren Chef vorbei“, riet er. Wichtig auch zu wissen: Israelische Geschäftsleute mögen keine 500 Seiten dicken Manuals. So etwas werde nicht gelesen“, erklärte er. Umgekehrt, so Katz, schätzten Israelis an ihren deutschen Geschäftspartnern vor allem, dass sie pünktlich, zuverlässig und immer gut vorbereitet seien. /kh

Übrigens, auch die kulturelle Seite kam beim Studientag nicht zu kurz: Weingutdirektor Michael Jansen (Foto rechts, links im Bild) vom Staatlichen Hofkeller Würzbug berichtete im Landtag von Partnerschaften deutscher Weingüter mit israelischen.

Großen Anklang fand auch die jüdisch-spanische bzw. transmediterrane Musik der mehrfach ausgezeichneten Sängerin Yael Badash. Sie wurde im Landtag begleitet von Yatziv Caspi (Tabla, Darbuka) und Thomas Moked (Gitarre).

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Studientag Israel auch im Wissenschaftsausschuss

Abgeordnete blicken beim Studientag auf Kooperationsprojekte mit Israel

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