Die Hochschule für Politik startet in eine neue Ära

13. Oktober 2016

- Von Isabel Winklbauer -

München.  "Das Reformwerk — es ist vollbracht!" Mit diesen Worten verkündete der Landtagsabgeordnete Markus Blume das, womit schon fast niemand mehr gerechnet hätte: Die Hochschule für Politik, seit je ein Ziehkind des Bayerischen Landtags, ist endlich gerettet. Zum Wintersemester 2016/2017 startet die Institution gesund und innerlich erneuert ins dritte Jahrtausend. Sieben neue Professuren, ein neuer Bachelor-Studiengang und vor allem die TU München als neue Trägerin wurden nun, nach Jahren der Krise, bei einem Festakt im Senatssaal gefeiert. Schließlich ist das Reformwunder vor allem den Landtagspolitikern zu verdanken: Sie hatten den Erneuerungsprozess seit 2011 in seltener, fraktionsübergreifender Einigkeit unterstützt.
Man könne die Reform der Hochschule für Politik gut und gerne als "Kunst des Unmöglichen" bezeichnen, führte Blume, Vorsitzender des eigens gegründeten Reformbeirats im Landtag, in Vertretung für Landtagspräsidentin Barbara Stamm aus. Immerhin stand 2011, als die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) die Zusammenarbeit mit der Hochschule für Politik (HfP) aufkündigte, eine heikle Mission bevor: Die HfP musste aus der Umarmung der einen "Schwester, mit der sie sich nicht mehr so gut verstand" in die Umarmung einer "anderen Schwester" geführt werden, "mit der sie sich besser verstand". So umschrieb Kultusminister Ludwig Spaenle charmant den nicht ganz harmlosen, teils von unschönen Debatten begleiteten Wechsel von der alten Trägerin LMU zur neuen Trägerin, der Technischen Universität München (TUM).

TU sieht in der Trägerschaft eine große Chance

Nach der Verabschiedung des Reformbeschlusses im Jahr 2013 durch den Landtag vollzog sich dieser Wechsel von 2014 an praktisch im Sauseschritt, wie Wolfgang A. Herrmann, Präsident der TUM, den rund 200 Gästen beschrieb. Warum die TU gleich ja sagte? "Wir haben damals die Chancen von Technik und Wissenschaft im politischen Umfeld sofort erkannt", erklärte Herrmann, "daher stimmte eine Fakultät nach der anderen der Trägerschaft zu."
Wie Politikwissenschaft und die technisch-naturwissenschaftliche Ausrichtung der TUM zusammenpassen, ist nicht auf den ersten Blick erkennbar, liegt jedoch auf der Hand. Technologische Fragen spielten heute in nahezu allen Politikfeldern eine bedeutende, oft die entscheidende Rolle, sagte Herrmann, und nannte als Beispiele Umweltpolitik, die unbegrenzten Möglichkeiten der Datenanalyse und politische Partizipation durch digitale Medien. "Die Absolventen der Hochschule für Politik müssen künftig in der Lage sein, die Wechselwirkungen zwischen Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Technologie zu analysieren", sagte er. "Gleichzeitig kann die HfP erstmals Ingenieure in den politischen Prozess einbeziehen." Wo sonst als in Bayern, einer der technologisch führenden Regionen in Europa, solle das geschehen? Herrmann versäumte es auch nicht, den Landtag zu loben. "Sieben Professuren auf einen Schlag, vier Fraktionen in unitate, in amicitia — dass man das auf seine alten Tage noch erleben darf!"

Auch Edmund Stoiber und Gerhard Polt haben an der HfP studiert


Feierlich überreichte der Präsident der TUM die Amtskette an Eugénia de Conceição-Heldt, die neue Reformrektorin der Hochschule für Politik. Die Expertin für internationale Politik, freundlich und gefestigt in ihrer Art, exakt und gewinnend in ihrer Sprache, stellte zunächst die vier Säulen vor, auf denen ihre Hochschule für Politik künftig stehen soll. Gleich die erste sei die Pflege der langjährigen Traditionen, die sich an der HfP entwickelt haben, beruhigte sie die älteren Gäste im Publikum, die die alte HfP noch aus ihren Glanzzeiten in den 70er und 80er Jahren kennen. Die Hochschule besitzt in der Tat eine beeindruckende Alumnischaft, zu der beispielsweise der Abgeordnete Markus Blume, der Moderator des Abends Christian Deutschländer, Ministerpräsident a.D. Edmund Stoiber oder auch Kabarettist Gerhard Polt zählen. Die Identifikation der Absolventen mit der Institution HfP ist hoch, und Conceição-Heldt sieht dies als Trumpf. Als weitere Säulen nannte sie die Ausbildung von Führungskräften in Politik, Wirtschaft und Verwaltung, die Internationalisierung der HfP sowie die Einführung international bedeutender Vortragsreihen. Unter anderem kündigte sie die Reihe Munich Talks an, in der sie hochkarätige Politikwissenschaftler und auch Politiker an die Isar einladen will. "Mit meinen Kollegen stehe ich nun vor der spannenden Aufgabe, die Politikwissenschaft in Bayern, Deutschland und Europa zu bereichern und die HfP in der deutschen, europäischen und internationalen Hochschullandschaft neu zu platzieren", sagte sie.

Die neuen Professoren stellen sich vor

Auch die Professorenkollegen der Reformpräsidentin kamen auf die Bühne, so dass sie direkt ihre Fachbereiche vorstellen konnten – was für viele Zuschauer die spannendste Phase des Abends darstellte. Die neuen Bachelor-Studenten erforschen künftig beispielsweise mit Tim Büthe die Dynamiken von internationalen Beziehungen und Investitionen. Simon Hegelich hält die Professur für Political Data Science, die sich etwa mit dem Einsatz von Social Bots befasst, also mit künstlichen Social-Media-Identitäten, die einerseits Daten sammeln, andererseits Diskussionen gezielt mit stimmungsmachenden Inhalten zu lenken versuchen. Ähnlich zukunftsweisend ist auch der Fachbereich von Jürgen Pfeffer, der sich mit Computational Social Science und Big Data beschäftigt, genauer gesagt mit der Informationssintflut aus Facebook, Twitter und Co. und wie sie zu bändigen ist. Lisa Herzog ist für die klassische politische Philosophie und Theorie zuständig und damit auch für das moralische Rückgrat der künftigen Absolventen. Die Niederländerin Miranda Schreurs gibt Wissen zum Thema Umwelt Governance weiter und ist damit etwa Expertin für die politische Fracking-Diskussion. Stefan Wursters Fachgebiet ist Policy Analysis – er analysiert die Ergebnisse politischer Prozesse. Conceição-Heldt selbst führt die Professur für Global Governance. Bei ihr stehen so heiße Eisen wie der Brexit oder das Handelsabkommen TTIP auf dem Plan, zu dem sie auch gleich eine provokante These in die Runde warf: "Es ist paradox. Die TTIP-Verhandlungen wurden aus politikwissenschaftlicher Sicht relativ transparent geführt. Dennoch werden die Proteste nicht geringer." Zu den gerunzelten Stirnen in der ersten Reihe sagte sie strahlend: "Wir können gerne gleich darüber reden."

Neuer Standort für die HfP

In zwei kurzen Podiumsrunden kamen zudem die Mitglieder des Reformausschusses Oliver Jörg (CSU), Isabell Zacharias (SPD), Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER), Katharina Schulze (B'90/GRÜNE) sowie Wegbegleiter der HfP und Studenten zu Wort. Bemerkenswert war die Forderung von Jürgen Böddrich – lange Zeit Vorsitzender des Kuratoriums der Hochschule für Politk – nach mehr Bezug zur jüngeren Vergangenheit. "Das fehlt im Moment noch, da muss etwas passieren. Eine Junior-Professur für Neuere Geschichte ist angebracht. Schließlich verlassen uns immer mehr Zeitzeugen und eine Hochschule für Politik muss Gesicht zeigen." Die Erstsemester wiederum, die ab nächster Woche in den neuen Räumen der HfP im Brienner-Forum ein und ausgehen, hatten eher Praktisches im Sinn. Zum Beispiel bietet die HfP ein Modell für ein Teilzeitstudium, was vor allem für Berufstätige und Frauen mit Familie attraktiv ist.
Der Boden für eine neue Hochschule von internationalem Ruf ist bestellt: durch den Bayerischen Landtag und seine Präsidentin Barbara Stamm, die letztlich den Finanzminister und damit nicht unerhebliche Mittel für die Sache gewann. Nun beginnt der eigentliche Reformprozess in der Praxis. Und in drei oder viereinhalb Jahren (Teilzeit) müssen die ersten Absolventen beweisen, dass sie sich in die lange Tradition der Hochschule für Politik würdig und erfolgreich einreihen. Für Markus Blume und den Landtag steht jedenfalls fest: „Wir werden auch künftig immer an der Seite der HfP stehen. Allerdings beschränken wir uns künftig wieder auf die Kunst des Möglichen.“

Randspalte

Seitenanfang