Neuen Antrieb braucht die Demokratie

Mittwoch, 23. November 2016

Die Demokratie ist wertvoll, aber in Gefahr und muss wieder mit Leben gefüllt werden. „Wenn es gelingt, die Gefahren zu sehen und gleichzeitig die positiven Errungenschaften in den Vordergrund zu stellen, ist mir nicht bange um die Demokratie“, sagt Alois Glück, Landtagspräsident a. D. am Ende einer gut besuchten Veranstaltung zur Demokratie im Senatssaal des Bayerischen Landtags. Die Veranstaltung mit dem Titel „Werte leben. Demokratie stärken“ wurde organisiert von dem Bayerischen Landtag, der Stiftung Werte Bündnis Bayern und dem Projekt mehrWERT Demokratie. Landtagspräsidentin Barbara Stamm sagt zur Begrüßung der Gäste: „ Eigentlich bin ich in Feierlaune, denn die Bayerische Verfassung wird in diesem Jahr 70 Jahre alt. Anderseits sehen wir Entwicklungen wie das Aufleben des Rechtspopulismus, die ganz, ganz wenig mit Menschenrechten zu tun haben. Vor allem den Jugendlichen müssen wieder Werte vermittelt werden: Dass es in einer Gesellschaft einen Zusammenhalt braucht und dass man in einer Gesellschaft rücksichtsvoll mit Schwächeren umgeht“.

Die Wertebildung bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist auch Ziel des Wertebündnis Bayerns. Es wurde im Jahr 2010 auf Initiative von Ministerpräsident Horst Seehofer gegründet und vereint heute über 140 Organisationen aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Ein Partner des Wertebündnisses ist das Projekt mehrWERT: An neun Schullandheimen in ganz Bayern werden für Schulklassen Kurse zu Themen wie Bürgerschaftliches Engagement, Europa oder Extremismus angeboten.

Politischer Extremismus – das ist die größte Bedrohung der Demokratie. Populisten gäben einfache Antworten auf schwierige Fragen und hätten deshalb so viel Zulauf, sagt Claudia Kohl. Sie ist Regionalbeauftragte für Demokratie und Toleranz in Mittelfranken und außerdem Lehrerin an einer Realschule. Sie sprach gemeinsam mit Korhan Erdön vom Violence Prevention Network e. V. die Gefahren für die Demokratie an, die laut Korhan Erdön auch darin bestehen, dass sich die Mitte der Gesellschaft zu passiv verhalte und so den Weg frei mache für extremistische Ansichten.

Die Veranstaltung war bewusst in drei Teile gegliedert: Über die Werte der Demokratie sprach Landtagspräsidentin Barbara Stamm in ihrer Begrüßung und der Kabarettist Chris Böttcher besang am Klavier die Werte dieser Welt in der Post-Trump-Zeit. Zum zweiten Teil – der Demokratie in Gefahr – gab es außer der Gesprächsrunde mit Claudia Kohl und Korhan Erdön ein Poetry Slam der Künstlerin Franziska Holzheimer gemeinsam mit drei Schülerinnen und Schülern: In Gedichtform fragen sie sich, wo die Demokratie hin ist und warum sie gegangen ist. Der dritte Teil ist die gelebte Demokratie: Demokratinnen und Demokraten müssen sich für die Demokratie einsetzen und sie wertschätzen, wenn sie nicht verloren gehen soll.

In der Gesprächsrunde mit Alois Glück und Charlotte Knobloch sagt die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern: „Ich sehe, dass nun was getan wird, um dem Aufleben des Antisemitismus zu begegnen“. Sie rät jungen Menschen, sich wieder einzumischen, Kritik zu üben und alternative Wege zu gehen: „Seid aufgeklärte Patrioten – stolz auf euer Land, stets mit dem Blick auf die Vergangenheit“. Mehr Engagement für die Demokratie fordert auch Alois Glück: „Man darf den Staat nicht mehr nur als Zuschauer betrachten“. Er beklagt zudem, dass es chic sei, negativ über den Staat und die Politik zu reden. Stattdessen wäre es besser, die Errungenschaften hervorzuheben, die uns ein freies Miteinander in Deutschland ermöglichen.

Den Dreiklang der wertvollen, der gefährdeten und der gelebten Demokratie griff auch Mark Mast als Dirigent und Intendant der Bayerischen Philharmonie auf. Sein Orchester sorgte für die musikalische Begleitung des Abends und übersetzte den Dreiklang in Musik: Mozarts Divertimento für die wertvolle Demokratie und für die gefährdete Demokratie, ein Stück von Alexander Boldachev, geschrieben unter dem Eindruck des Pariser Attentats im November 2015. Die Umsetzung der gelebten Demokratie brachte zum Abschluss der Veranstaltung wirklich Leben in den Saal: Stehend sangen alle 300 Gäste der Veranstaltung ein Stück von Joseph von Eichendorff im vierstimmigen Kanon: Schläft ein Lied in al-len Din-gen, die da träu-men fort und fort. Und die Welt hebt an zu sin-gen, triffst du nur das Zau-ber-wort./ if

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