Regionalbesuch des Landtags-Präsidiums in Oberbayern

Montag, 3. Juli 2017

Das Präsidium des Bayerischen Landtags setzte am 3. Juli 2017 mit einer Reise nach Oberbayern die Tradition der Regionalbesuche fort. Nach Niederbayern, Schwaben, der Oberpfalz und Mittelfranken ist dies bereits die die fünfte Reise in einen der bayerischen Regierungsbezirke in dieser Wahlperiode. Neben den Mitgliedern des Präsidiums waren auch Abgeordnete aus den Stimm- und Wahlkreisen unterwegs im Oberland. „Wir wollen direkt vor den Ort mit den Menschen in einen Dialog treten, um so Demokratie zu gestalten“, erklärte Landtagspräsidentin Barbara Stamm beim Abschlussempfang in der Alten Spinnerei in Kolbermoor die Motivation des Landtagspräsidiums für die Regionalfahrten.

Erstes Ziel der Delegation war die Katholische Stiftungsfachhochschule im ehemaligen Benediktinerkloster Benediktbeuern, eine national und international angesehene Hochschule für Sozial-, Pflege- und pädagogische Berufe in kirchlicher Trägerschaft. Bei einer Führung durch die Hochschule in den verschiedenen Bereichen: Soziale Arbeit, Alter-Gesundheit-Pflege, und internationale Kontakte erhielten die Abgeordneten einen Eindruck der Arbeit der Stiftungshochschule. Bereits seit 1909 sei man im Bereich Ausbildung in Sozialberufen aktiv, seit 45 Jahren als Hochschule, erläuterte Hochschulpräsident Professor Hermann Sollfrank.

Bei sozialer Arbeit von Skandinavien lernen

Eine Herausforderung sei die Balance zwischen modernem Hochschulbetrieb und Denkmalschutz, aber dafür würde den Studenten eine einzigartige Umgebung geboten, so Sollfrank. „Benediktbeuern ist ein zentraler Kern der bayerischen Kulturlandschaft, ein spiritueller Ort“, sagte Sollfrank. Mit  2400 Studierenden an den beiden Standorten München und Benediktbeuern sei die Campusuniversität nicht die größte Hochschule für soziale Berufe, wohl aber was die inhaltlichen Angeboten und Fachrichtungen angehe. Dementsprechend gebe es 68 Professoren und rund 300 Lehrbeauftragte für die sieben Bachelor-Studiengänge und drei konsekutiven Masterabschlüsse, die angeboten werden. Durch den beginnenden Austausch mit ausländischen Hochschulen wolle man sich relevanten Themen stellen und im Austausch weiter entwickeln. Gerade im skandinavischen Ausland beispielsweise könne man im sozialen Bereich noch viel lernen.


Bergwacht trainiert unter realisitischen Bedingungen



Beim nächsten Halt im Bergwacht-Zentrum Bad Tölz wurden die Abgeordneten von ihrem ehemaligen Landtagspräsidenten Alois Glück begrüßt – dem Ehrenvorsitzenden der Bergwacht Bayern. Seit 2008 stellt das Bergwachtzentrum in Bad Tölz für Sicherheit und Ausbildung von Einsatzkräften einzigartige Trainingsmöglichkeiten für die Berg- und Luftrettung – wie beispielsweise einen weltweit einmaligen Hubschrauber-Einsatzsimulator – zur Verfügung. Diese Einrichtung wird auch anderen Organisationen, die Hubschraubereinsätze unter  realistischen Bedingungen üben wollen. Entscheidender Vorteil: im Unterschied zum Training mit echten Helikoptern ist man unabhängig vom Wetter und kann kontrolliert verschiedene Situationen simulieren. 3200 ehrenamtliche Bergwachtler sowie 950 Auszubildende erhalten hier die Gelegenheit, sich auf unterschiedlichste Einsätze vorzubereiten: eine Rettung aus gebirgegem Gelände, Höhlen, überfluteten Häusern, Eis, Wasser. Dabei lerne man immer dazu und können neue Erkenntnisse für die Arbeit der Bergwacht gewinnen, erklärte Glück. „Aus der Praxis für die Praxis – das ist das Prinzip dieser Einrichtung“, so Glück. Das ist auch notwendig. 12 000 Einsätze absolviert die Bergwacht jährlich, davon rund 1500 mit Unterstützung eines Hubschraubers. Um sich noch weiter zu verbessern strebe man eine verstärkte Kooperation mit Hochschulen und Industrie an, dort werde viel geforscht, ohne dass den Beteiligten der Nutzen ihrer Projekte in der Bergrettung bewusst sei. So gebe es die Möglichkeit mit 3D-Druckern Drohnen zu produzieren, die man an Ort und Stelle bei Aufklärungsmissionen in unwegsamen Gelände nutzen könne.


Oberbayern droht am eigenen Erfolg zu ersticken



Beim anschließenden Arbeitsessen im Gut Kaltenbrunn bei Gmund am Tegernsee  wurde es im Gespräch mit Vertretern der Politik, Experten und Praktikern aus der Region konkret. Vor allem die Bereiche Bildung, Wohnungsbau und Infrastruktur in Oberbayern treiben die Verantwortlichen um. Zwar gehe es der Region sehr gut, mit drei Prozent Arbeitslosigkeit herrsche de facto Vollbeschäftigung, aber das bringe auch Probleme. Die Kommunen müssen viel Geld in die Hand nehmen für den Bau von Schulen, Kindergärten, Straßen und anderen Infrastrukturprojekten. Im Bereich der Bildung War man sich schnell einig – der Fachkräftemangel ist auch ein Ergebnis des „Akademisierungswahnsinns“. Es gibt Landkreise, in denen beinahe 90 Prozent eines Jahrgangs ins Gymnasium übertreten. Dabei bricht in Bayern fast ein Drittel der Studierenden das Studium ohne Abschluss ab – Potenzial, das im Handwerk fehlt. Die Hoffnung, junge Flüchtlinge könnten diese Lücke schließen, wurde relativiert. Es dauere fünf bis zehn Jahre, bevor die Menschen aus dem Ausland in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt integriert seien. Dennoch herrschte grundsätzlich Zuversicht – die Integration sei eine Herausforderung, aber machbar. In Oberbayern habe jedes dritte Kind an einer Mittelschule einen Migrationshintergrund,  Schwierig gestaltet sich in der Boomregion Oberbayern auch die Wohnsituation. Es werde zunehmend komplizierter geeigneten und bezahlbaren Baugrund zu finden –oder Firmen, die etwas bauen, womit man wieder beim Fachkräftemangel wäre. Auch der Verkehr sei kaum noch zu bändigen. Kurzum: Oberbayern droht am eigenen Erfolg zu ersticken, man müsse dringend neue Konzepte finden und gegensteuern.


Qualitätspapier aus Gmund


Nach dem Arbeitsessen besichtigte die Delegation die Büttenpapierfabrik in Gmund am Tegernsee, ein wichtiges Zentrum der Büttenpapierherstellung in Deutschland. Die Büttenpapierfabrik Gmund GmbH & Co. KG ist eine der ältesten und größten Fabriken der Gegend, die bis zu 18 Tonnen hochwertigstes Papier in 24 Stunden herstellen kann. Allerdings machen zunehmende Bürokratisierung,das erbschaftsrecht und ungleiche Energiekosten in Europa die Situation nicht einfach für den Familienbetrieb mit seinen 120 Mitarbeitern, der auf Handarbeit und ökologisch nachhaltiges Wirtschaften setzt.

Bedarf an Heimplätzen für Kinder wächst

Nächste Station des Präsidiums war das Caritas-Kinderdorf Irschenberg, das 1972 von Prälat Franz Sales Müller und Gertrud Goppel, der Gattin des damaligen Ministerpräsidenten Dr. Alfons Goppel, gegründet wurde. Derzeit beherbergt es etwa 60 Kinder und Jugendliche, die zusammen mit ihren Betreuern in so genannten Kinderdorffamilien leben. Grundsätzlich sei zu beobachten, dass der Bedarf für Heimplätze steige. Alleine in der ersten Hälfte 2017 habe man 5600 teils kurzfristige Übernachtungen in bayerischen Kinderheimen registriert. Der gestiegene Bedarf lege auch, aber nicht nur, an der wachsenden Anzahl von minderjährigen Flüchtlingen. Zwei Drittel der Kinder seien Afghanen. Generell sei Integration eine Mammutaufgabe, eine Herausforderung, der sich die Gesellschaft stellen müsse. Auch die Inklusion sei ein Thema im Kinderdorf. Bei einem Rundgang durch die Pflegefamilien machten sich die Abgeordneten bei Gesprächen mit Betreuern und Kindern ein umfassendes Bild der Einrichtung.
Letzter Programmpunkt war die Kranzniederlegung an der Gedenkstätte für die Opfer des Zugunglücks von Bad Aibling, um in stillem Gedenken an die Opfer der Tragödie zu erinnern


Dank für ehrenamtliche Arbeit



Abends lud das Präsidium zum Empfang in der Alten Spinnerei in Kolbermoor ein, der traditionell einen Regionalbesuch beschließt. Hier dankte Barbara Stamm den eingeladenen Ehrenamtlern für ihr Engagement. „Sie fragen nie: was kriege ich dafür? Sie gehen hin und helfen, weil es notwendig ist. Und das erfüllt uns alle mit Dankbarkeit“. / zg

Randspalte

Seitenanfang