Karl-Theodor-Preis für den Historiker Dr. Henning Türk

Donnerstag, 12. Oktober 2017

– Von Isabel Winklbauer –

Einen so lebendigen Einblick in den Pfälzischen Liberalismus gibt es vermutlich nicht wieder: Für seine Habilitationsschrift „Ludwig Andreas Jordan und das Pfälzer Weinbürgertum. Bürgerliche Lebenswelt und liberale Politik im 19. Jahrhundert“ verlieh der Bund der Pfalzfreunde dem Geschichts- und Kulturwissenschaftler PD Dr. Henning Türk seine Auszeichnung für wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit Bayern und der Pfalz befassen. Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Erste Vorsitzende der Pfalzfreunde, hatte zur Preisverleihung in den Akademiesaal des Maximilianeums geladen.

Ludwig Andreas Jordan aus dem Pfälzischen Deidesheim, Forschungsgegenstand der Gewinnerarbeit, lebte von 1811 bis 1883 und zählte zum sogenannten Weinbürgertum, also einem Konglomerat von politisch und gesellschaftlich einflussreichen Familien mit Weingütern. Von 1831, nachdem die Pfalz Bayern zugeschlagen wurde, bis 1843 war Jordan auch Mitglied des Bayerischen Landtags. „Doch er freundetet sich nur langsam mit den Verhältnissen im Königreich an“, erzählte Preisträger Henning Türk im Anschluss an die festliche Verleihung des Kurfürst-Karl-Theodor-Preises im frisch umgetauften Akademiesaal (dem ehemaligen Konferenzzimmer) des Landtags. „Die Pfalz gehörte zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu Frankreich und kam so in den Genuss aller Errungenschaften der Französischen Revolution: Gewerbefreiheit, gebremste Macht des Adels, Säkularisierung. Diese Freiheiten vermisste Jordan in Bayern. Es war ihm zu wenig liberal.“

Dass er die Lebenswelt des Pfälzers, und damit die praktische Seite des frühen Liberalismus, so gut habe einfangen können, sei mehreren biografischen Archiven zu verdanken, darunter aber vor allem dem Archiv der Familie Bassermann-Jordan, erläuterte Türk in seiner Dankesrede. Die Familie habe im 19. Jahrhundert fleißig Tagebuch geführt und ein dichtes Briefnetzwerk unterhalten, aus dem sich die alltäglichen Auswirkungen liberaler Lebensart dem Leser vielfältig eröffneten.
„Dr. Türks Interesse gilt der Praxis des Liberalismus“, bestätigte die Jury-Vorsitzende Prof. Dr. Daniela Neri-Ultsch in ihrer Laudatio. „Er zeigt Ludwig Andreas Jordan als Bürger, als Gutsbesitzer und Investor sowie als liberalen Politiker, dies jedoch mit biografisch-familiärem Ansatz. Damit stellt er die Liberalismusforschung vom Kopf auf die Füße.“

Wie nun der Preis zum Empfänger passt, das vermittelten Anton Freiherr von Cetto, zweiter Vorsitzender des Bundes der Pfalzfreunde, sowie Dr. Sylvia Krauss-Meyl. „Kurfürst Karl-Theodor hat auf vielen Gebieten den Boden für die Fortschritte des 19. Jahrhunderts bereitet. Deswegen vergeben wir den Preis in seinem Namen“, sagte von Cetto. Sylvia Krauss-Meyl wiederum beschrieb den Kurfürsten (1724-1799) – der übrigens wie Ludwig Andreas Jordan unfreiwillig von der Pfalz nach München umziehen musste und dort leider nicht doch noch zufrieden wurde wie jener – durch die Lebensgeschichten seiner beiden Ehefrauen. „Das Image eines Frauenverführers haftete Karl-Theodor lebenslang an“, schickte sie voraus. Doch seine erste Frau, Elisabeth Augusta von Bayern, dünkelhaft und vergnügungssüchtig, dominierte ihn wie eine Megäre, entspann die Historikerin im Lauf ihres Kurzvortrags. Und auch Karl-Theodors zweite Frau, Marie Leopoldine von Österreich-Este, die er 70-jährig heiratete (sie war damals 19), tanzte ihm, erbost über die Missheirat, auf der Nase herum. Sie verweigerte sich ihm im Schlafzimmer und verbündete sich mit seinen Feinden. So sehr Karl-Theodor die Wissenschaften liebte und den Fortschritt förderte – mit Frauen musste er irgendetwas falsch gemacht haben, blieb den Zuhörern zu resümieren.

Auch Henning Türk wusste eine Anekdote über Kurfürst Karl-Theodor zu erzählen. „Als er 1778 als frisch gebackener Kurfürst von Bayern und Pfalz in München die Starkbierzeit eröffnete, verlangte er doch tatsächlich den ganzen Abend hindurch Wein. Den vertrug er wohl besser.“

Somit erfüllte sich rundum die Prophezeiung, die Landtagspräsidentin Barbara Stamm zu Beginn des Abends getan hatte. „Es gibt keine trockene Wissenschaft“, sagte sie, „es gibt nur trockene Gelehrte und trockene Gelehrsamkeit. Wir erleben hier heute live, wie spannend Geschichtswissenschaft sein kann.“ Und genauso war es.

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