Gesprächsforum Kinderrechte: Politik und Experten diskutieren „Ein gutes Leben für alle Kinder?!“

Montag, 20. November 2017
– Von Isabel Winklbauer –

Es ist kaum zu glauben, doch Bayerns Landtag ist das einzige Landesparlament im Bund, das eine Kinderkommission hat. Anlässlich des Weltkindertags am 20. November lud diese aus vier Fraktionen zusammengesetzte Arbeitsgruppe nun gemeinsam mit dem Kinderschutzbund Bayern zum Gespräch mit Politik, Wissenschaft und Pädagogen. „Was ist zu tun, damit alle Kinder ein gutes Leben haben?“, lautete die Frage des Abends. Die Antworten waren so vielfältig wie umfassend.

„Starke Eltern machen starke Kinder, denn Kinder brauchen Bezugspunkte“, sagte Johannes Hintersberger, „und die Politik muss den Rahmen dafür schaffen, dass sich Familien in diesem Sinne bewegen können.“ So übernahm der Staatssekretär im Familienministerium stellvertretend für alle Abgeordneten gleich zu Beginn die Verantwortung für ein von Staatsseite geschaffenes kinderaffines Umfeld, in dem alles Weitere sich überhaupt erst entwickeln kann.

Wie die Politik dieses Umfeld schafft, stellte die Vorsitzende der Kinderkommission, Tanja Schorer-Dremel, kurz im Filmporträt vor: Die Kinderkommission bringt Projekte in den Bereichen Bildung, Ernährung und Inklusion voran, ein großes Thema ist derzeit Medienkompetenz. „Von diesem Abend heute gehen wichtige Impulse aus“, sagte Schorer-Dremel, „zum Beispiel für unser Ziel, endlich die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.“

Doch warum sollte Kindheit so wichtig sein? Monika Betzler, Professorin für Philosophie an der Ludwig-Maximilian-Universität München, beseitigte alle Zweifel an der Bedeutung der Kindheit für den Rest des Lebens. „Gesundheit, Sorgenfreiheit, Sport, Spiel, Fantasie und erfüllende Beziehungen – ‚intrinsische Güter‘ nennt die Forschung solche Werte – lassen sich im Erwachsenenalter vor allem dann realisieren, wenn sie in der Kindheit so früh wie möglich vorhanden sind“, so die Expertin. Eltern und Institutionen sollten deshalb die Ressourcen dafür aufbringen.

„Öfter einfach mal Hallo sagen“

Was ein glückliches Leben ausmacht, darüber redeten aber auch die jungen Leute selbst auf dem Podium des Senatssaals. Die Kinder der Philosophiegruppe des Städtischen Maria-Theresia-Gymnasiums Augsburg hatten dazu aufschlussreiche und vergnügliche Dinge zu sagen. „Wenn du den Grund für das Glück einmal gehabt hast, bleibt das Glück ein ganzes Leben lang“, bekräftigte ein Schüler implizit Professorin Betzler. „Man kann das Glück nicht verlernen – aber vergessen“, gab eine andere zu denken. „Glück ist ansteckend wie Gähnen!“, ermunterte eine dritte, das Glück weiterzugeben. Als Rezept für die Erwachsenen empfahlen die von der „Akademie Kinder philosophieren“ instruierten Schüler, auf der Straße doch öfter einfach mal Hallo zu sagen – auch zu Menschen, die sie nicht gut kennen.

Die Junior-Bloggerin Livia Kerp hingegen machte im Interview mit Staatssekretär Johannes Hintersberger klar, was Jugendliche wollen: das Wahlrecht ab 16 und digitale Klassenzimmer. „Nicht nur die Ausstattung, auch der souveräne Umgang mit den neuen Medien muss uns ein Anliegen sein“, bremste Hintersberger da ein wenig, „wir setzen daher auch auf Bildungsmaßnahmen, zum Beispiel für Lehrer.“

Viele Kinder haben allerdings keine guten Voraussetzungen, um glücklich zu sein – nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch hier in München. „Manche der Kinder und Jugendlichen, mit denen wir Projekte machen, haben nicht nur keinen Rucksack und keine Schuhe für eine Wanderung“, erzählte Susanne Korbmacher, Vorsitzende des im sozialen Brennpunkt Hasenbergl aktiven Vereins Ghettokids – Soziale Projekte e.V.. „Es haben einige nicht mal ein eigenes Bett. Sie schlafen auf irgendeinem Sofa. Die Wohnungssituation in München ist für Familien mit mehreren Kindern ein Unding, die Wohnungen sind zu klein. Aufmerksamkeitsstörungen der Kinder kommen auch daher.“

Handeln tut also not. Empfehlungen fürs Wie gab einerseits Katharina Gerarts, Professorin für Kinderwissenschaften an der Hochschule Darmstadt. Für sie steht ein neues Bewusstsein für Kinder am Beginn aller Maßnahmen: „Kinder brauchen eine anerkennende Haltung und ein Kinderbewusstsein im Querschnittsdenken der Gesellschaft. Darüber hinaus benötigen sie strukturelle Mitbestimmungsmöglichkeiten. In allen drei Punkten sind Erwachsene gefragt, die Dinge zeigen, sich kümmern, die Meinung der Kinder schätzen.“

Hermann Sollfrank andererseits, Präsident und Professor an der Katholischen Stiftungshochschule München, forderte vier konkrete Maßnahmen, um Kindern ein glückliches Leben zu gewährleisten: die Akademisierung des Erziehungsbereichs, mehr Kinder im öffentlichen Raum und in der Natur, familiengerechtere Zeitstrukturen von Schulen und Arbeitgebern sowie ein intensiveres Bemühen, allen Kindern gleiche Chancen im Leben zu bieten.

Speziell für letzteren Punkt gibt es eben den Kinderausschuss des Landtags. Als gegen Ende der Veranstaltung Landtagspräsidentin Barbara Stamm eintraf – sie kam spät von den Koalitionssondierungen in Berlin – richtete sie das Wort gezielt an Tanja Schorer-Dremel (CSU), Doris Rauscher (SPD), Gisela Sengl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER), die vier Mitglieder des Gremiums. „Ich bin stolz auf unsere Kinderkommission“, sagte Stamm. „Seid kreativ, lasst euch was einfallen! Die Rahmenbedingungen haben wir hier, das wollen wir nutzen. Denn kein Kind wird gefragt, wo es geboren wird.“

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