Landtag begeht Tag der Sinti und Roma

15. April 2018

MÜNCHEN.       Landtagsvizepräsidentin Ulrike Gote hatte Politiker und Verbandsvertreter in das Maximilianeum eingeladen, um gemeinsam den Internationalen Tag der Sinti und Roma zu begehen. Anlässlich des im Februar 2018 unterzeichneten Staatsvertrages zwischen dem Freistaat Bayern und dem Landesverband Bayern der Sinti und Roma, sollte die Bedeutung dieser Minderheit gewürdigt werden.

Es sollte damit zum einen daran erinnert werden, dass Sinti und Roma zu den am schlimmsten betroffenen Opfergruppen des Nationalsozialismus gehörten und bis heute mit zahllosen Vorurteilen und Diskriminierungen zu kämpfen haben. Zum anderen sollte der Blick bei dieser Veranstaltung nach vorne gerichtet werden, wie Ulrike Gote betonte: „Wer Verantwortung übernimmt, muss also auch Antworten darauf finden, wie diese Vorurteile und Diskriminierungen abgebaut werden können. Zumal wir alle wissen, dass alte, unbeantwortete Fragen der Vergangenheit jederzeit neue Irritationen auslösen können.“ Die Ziele und Projekte des Landesverbandes wie Bildungsarbeit gegen Diskriminierung werde die Politik aktiv unterstützen. „Der Bayerische Landtag ist bereit, seinen Beitrag dazu zu leisten - nicht nur heute, sondern auch in den kommenden Jahren mit parlamentarischen Initiativen, die unserer gemeinsamen Zukunft dienen.“

„Unsere Enkel sollen keine Angst haben müssen“

Erich Schneeberger, Vorsitzender des Bayerischen Landesverbands der Deutschen Sinti und Roma e.V., dankte dem Landtag in seinem Grußwort passenderweise für eine parlamentarische Initiative, die letztlich zum Staatsvertrag geführt hatte: vor drei Jahren beauftragte der Landtag die Staatsregierung die Möglichkeit eines Staatsvertrages zwischen Freistaat und Landesverband zu prüfen. Für die etwa 100 000 deutschen Sinti und Roma im Land sei dies ein historisches Ereignis. „Das ist ein wichtiges Signal gegen Diskriminierung. Ich möchte, dass unsere Enkel keine Angst haben müssen, sich als Sinti und Roma zu bekennen.“ Gleichzeitig mahnte Schneeberger an, die Situation der über zehn Millionen Roma in Europa im Auge zu behalten. „In immer mehr Ländern breiten sich rechtsradikale Bewegungen aus, die tief verwurzelte und weit verbreitete feindselige Einstellungen schüren. Antiziganismus muss gesellschaftlich ebenso geächtet werden wie Antisemitismus“, forderte Schneeberger.


„Roma müssen selbstverständlich dazugehören“

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth nannte in ihrem Grußwort den Staatsvertrag ein Dokument der Anerkennung. „Es ist auch ein Dokument der Verpflichtung für die Mehrheitsgesellschaft. Es kann nicht sein, dass Sinti und Roma im Jahr 2018 Angst vor Anfeindungen haben müssen. Diese Menschen müssen selbstverständlich dazugehören. Auch in den Parlamenten übrigens.“ Alle hätten die Aufgabe eine gemeinsame Zukunft zu gestalten, sagte Roth. Carolina Trautner, Staatssekretärin des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, erinnerte an den Beitrag der Sinti und Roma zu Kultur und Gesellschaft. „Diese Menschen leben seit Jahrhunderten hier und haben das Land mitgeformt.“ Sie griff Schneebergers Hinweis auf die Situation der Roma in Europa auf und plädierte dafür, die Probleme auf europäischer Ebene anzugehen.

„Sichtbarkeit schützt“

In der anschließenden Diskussionsrunde beklagte Marcella Reinhardt vom Regionalverband Deutscher Sinti & Roma Augsburg, die neu entstandene Verunsicherung durch Erfolge rechtspopulistischer Parteien. „Wie haben gerade angefangen, uns in der Mitte der Gesellschaft als Sinti und Roma zu zeigen und erleben nun plötzlich wieder das Gefühl der Angst“.  Romeo Franz, Geschäftsführer der Hildegard-Lagrenne-Stiftung und ab 1. Juli erster Roma-Abgeordneter im Europäischen Parlament, beschrieb als wichtigste Aufgabe, das Selbstbewusstsein junger Sinti und Roma zu stärken. Vizepräsidentin Ulrike Gote begrüßte diesen Ansatz. „Sichtbarkeit von Minderheiten schützt diese auch“.

„Wir sind seit Jahrhunderten Deutsche“


Romeo Franz kritisierte allerdings auch den Umgang mit den Sinti und Roma, deren Verfolgung durch die Nazis man erst 1981 offiziell anerkannt habe. Viele Prozesse würden außerordentlich zäh verlaufen, weil die Politik von den Sinti und Roma verlange, mit einer Stimme zu sprechen. „Wir haben unterschiedliche Meinungen zu unterschiedlichen Themen, so wie das in jeder anderen Gruppierung auch ist. Die Parlamente streiten ja auch. Das muss man uns schon gestatten. Und akzeptieren, wenn wir mit Mehrheit einen bestimmten Kurs für richtig halten. Wir lassen uns von außen keine Kollektivmentalität aufdrücken“, stellte Franz klar. Die Roma in verschiedenen Teilen Europas hätten ganz verschiedene Probleme und Ausgangslagen. Die Sinti und Roma in Deutschland könnten nicht für Menschen in Rumänien oder anderswo in Südosteuropa sprechen – und umgekehrt. Marcella Reinhardt bekräftigte diesen Ansatz mit einer klaren Aussage: „Wir sind Deutsche, und das seit Jahrhunderten. Das muss man endlich anerkennen. Wir wollen keine Opfer sein, wir wollen Respekt“. / zg

Seit 1971 wird der 8. April international als Tag der Roma begangen. Der Freistaat Bayern hatte sich 2007 in einer Erklärung zu seiner Verantwortung gegenüber Sinti und Roma bekannt und die etwa 12 000 Menschen im Land als Minderheit anerkannt.


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