Feierstunde zu Ehren von Guy Stern

8. Mai 2019

- Von Zoran Gojic -

MÜNCHEN.   

  Am 8. Mai 1945 trat die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches in Kraft. Der Zweite Weltkrieg in Europa war damit beendet. Und die Deutschen besiegt, aber auch befreit vom Nazi-Terror. Anlässlich dieses Jahrestages hatten der Landtag, die Stiftung Bayerische Gedenkstätten und der Antisemitismusbeauftragte der Staatsregierung den Zeitzeugen Guy Stern zu einer Feierstunde in das Maximilianeum geladen.

Stern, emeritierter Literaturprofessor der State University of Detroit, war dafür eigens aus den USA nach München gekommen. Er wollte den Menschen im Saal, darunter Schülerinnen und Schüler des Erasmus-Grasser-Gymnasiums München sowie des Oskar-von-Miller-Gymnasiums München über sein Leben berichten und seine Gedanken zu aktuellen Entwicklungen teilen, die ihm Sorgen bereiten. Vor allem aber kam er, um Hoffnung zu verbreiten, durch seine eigene Geschichte.



Selbstverständliche Unbefangenheit vor 1933

1922 in Hildesheim als Günther Stern geboren, war er 1937 in die USA emigriert und überlebte auf diese Weise als einziges Mitglied seiner Familie den Holocaust. Sein Vater, seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester – sie alle kamen im Warschauer Ghetto um. Vor 1933, vor der „Machtergreifung“ der Nazis, so erinnert sich Stern, lebte er ein unaufgeregtes Leben als Mensch jüdischen Glaubens und deutscher Sprache. Man gehörte eben dazu. Von im Nachhinein interpretierter wissenschaftlicher Abstraktion des jüdischen Lebens in Deutschland, hält Stern nicht viel, das ist im zu weltfremd. „Ich weigere mich diese damalige selbstverständliche Unbefangenheit eine Symbiose zu nennen“. Aber schon 1933 begann diese Unbefangenheit „abzubröckeln“, wie Stern sagt. Mitten im Klassenzimmer wurden beispielsweise Musiklehrer von Schülern belehrt, dass Juden beim Singen deutscher Lieder das Maul zu halten hätten.

„Nicht nur ein Funke Hoffnung, sondern ein heller Schimmer“

Im sicheren Exil konnte er danach nur aus der Ferne verfolgen, wie schlimm sich die Situation entwickelte – aber erst als er 1945 wieder in Deutschland eintraf, konnte er das wahre Ausmaß des einmaligen Zivilisationsbruches ermessen. Als Mitglied der „Ritchie Boys“, einer Gruppe aus Europa geflüchteter junger Männer vor allem jüdischer Herkunft, landete er schließlich in Bayern, wo er maßgeblich am Neuaufbau der Presselandschaft beteiligt war. Und München sollte immer wieder eine wichtige Rolle spielen, durch persönliche Begegnungen mit anderen Zeitzeugen. Etwa einer Frau, die mit ihm gemeinsam die jüdische Schule besucht hatte, obwohl sie Christin war.
Mittlerweile sei Antisemitismus wieder ein Thema, das nehme er wahr. Andererseits habe er gerade in Deutschland Hoffnung geschöpft. „Nicht nur einen Funken Hoffnung, sondern einen hellen Schimmer“. Man müsse die aktuellen Debatten als Chance sehen, sich auf das friedliche Zusammenleben als Normalzustand zu besinnen. „Finden wir zurück zu Vorurteilslosigkeit und Unbefangenheit“, forderte Stern die Menschen im Senatsaal auf.



„Widersteht den Anfängen“

Schon in der Begrüßung hatte Landtagsvizepräsident Karl Freller dazu aufgerufen, sich immer wieder an die Errungenschaften der Nachkriegszeit zu erinnern. „Machen wir uns bewusst, welch großes Glück es ist, in einer Demokratie, in Frieden und Freiheit zu leben.“ Ludwig Spaenle, Antisemitismusbeauftragter der Staatsregierung, knüpfte in seinem Schlusswort an diesen Gedanken an. „Wir haben eine zweite Chance erhalten in diesem Land. Wir sehen aber auch die Gefahr, die Ansätze zur Geschichtsklitterung. Und deswegen leiten wir, Herr Stern, aus ihrer Botschaft ab: Widersteht den Anfängen.“




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