Die Geschichte der Demokratie in Bayern entdecken und erleben

Ausstellungseröffnung und Enthüllung des Gedenkobjekts „Orte der Demokratie in Bayern“

MÜNCHEN. Um Orte, an denen bayerische Demokratiegeschichte geschrieben wurde, öffentlich sichtbar zu machen und ins Bewusstsein zu rücken, hat der Bayerische Landtag das Projekt "Orte der Demokratie in Bayern" ins Leben gerufen. In Anwesenheit der Vertreter und Vertreterinnen aller Landtagsfraktionen sowie dem Präsidium des Bayerischen Landtags enthüllten Bundespräsident a.D. Dr. Joachim Gauck und die Landtagspräsidentin Ilse Aigner das Gedenkobjekt und eröffneten damit die Wanderausstellung zur Demokratiegeschichte.

Ob Bamberg, Passau, Memmingen, Nürnberg oder Herrenchiemsee - zahlreiche Orte in Bayern sind Schauplätze demokratiegeschichtlicher Ereignisse. Dort haben sich die Bürger und Bürgerinnen für das demokratische Gemeinwesen eingesetzt. Doch der Weg zur parlamentarischen Demokratie führte auch in Bayern über viele Umwege. Vor diesem Hintergrund hat das Präsidium des Bayerischen Landtags neben dem Maximilianeum zwölf „Orte der Demokratie in Bayern“ benannt und ist dabei den jeweiligen Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirats gefolgt. Ausgewählt wurden Orte in Bayern, an denen sich für die Entwicklung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung wegweisende Ereignisse zugetragen, entscheidende Institutionen des demokratischen Verfassungsstaates gebildet und herausragende Persönlichkeiten gewirkt haben. Anhand von historischen Exponaten und interaktiven Schautafeln werden zentrale Momente, Personen und Ereignisse der Demokratiegeschichte Bayerns greifbar. Durch die Ausstellung soll erlebbar werden, wie an diesen Orten die Demokratie in Bayern geprägt wurde.

Der Demokratie in Bayern „Glanz verleihen“

„Einen besseren Paten“, als Altbundespräsident Gauck „hätte sich der Bayerische Landtag für das Projekt“ nicht wünschen können, hob Ilse Aigner in ihrer Eröffnungsrede hervor. Gauck verkörpere die zentralen Botschaften des Projekts: „Ein klares, kämpferisches, beherztes Bekenntnis - zu Freiheit, Demokratie, Parlamentarismus und Menschenrechten!“ Ferner betonte Aigner, dass „die vielleicht größte Gefahr für unsere Demokratie in ihrer vermeintlichen Selbstverständlichkeit“ liege. Denn die Demokratie lebe von Demokratinnen und Demokraten, die sich jeden Tag auf das Neue für das freiheitliche Gemeinwesen einsetzten, so Aigner. Eine freiheitliche Demokratie sei eben nicht nur eine „Gabe, sondern bedeute auch eine Aufgabe und Verpflichtung“.

Hier setze das Projekt an: Um die Brisanz dieser Aufgabe bewusst zu machen und ihren Inhalt zu definieren, habe der Bayerische Landtag mit den „Orten der Demokratie strahlende Fix- und Orientierungspunkte“ markiert, an denen Demokratiegeschichte geschrieben worden sei, so Aigner. Damit soll die historische Entwicklung der Demokratie noch mehr in das gesellschaftliche Bewusstsein gerückt und insbesondere jungen Menschen zugänglich gemacht werden.

Gauck: Jahrzehnte des Demokratiewunders in Deutschland sind „großes Glück“

Gauck, der zuvor von der Bayerischen Landtagspräsidentin mit der Bayerischen Verfassungsmedaille in Gold ausgezeichnet worden war, betonte im moderierten Gespräch mit der Landtagspräsidentin, dass freiheitliche Demokratien vor allem von einer aktiven Bürger- bzw. Zivilgesellschaft lebten. Wenn für Bürger und Bürgerinnen Demokratie direkt erlebbar werde, stärke und sichere dies den Erhalt der Demokratie.

Demokratische Teilhabe und politische Bildung seien daher die wesentlichen Stützpfeiler einer prosperierenden Demokratie, so Gauck. Zwar sei die Demokratie auch ein fragiles Gut und die Feinde demokratischer Systeme allgegenwärtig. Es gäbe es aber auch allen Grund zum Optimismus und zur Freude an der Demokratie in Deutschland: Sinnbildlich stünden dafür beispielsweise ein breites Parteienspektrum, das die Vielfalt der Bürger und Bürgerinnen abbilde und eine engagierte und zunehmend politisch aktive Jugend.

In diesem Zug betonte Gauck auch, dass angesichts der demokratischen Errungenschaften seit dem zweiten Weltkrieg das Selbstbewusstsein der Deutschen unterentwickelt sei. Wahrnehmung und Wirklichkeit des Geleisteten fielen hier auseinander. Gauck forderte in diesem Zusammenhang „Stolz und Freude über Jahrzehnte stabiler Demokratie in Deutschland“. Es sei falsch so zu tun, als sei die jüngere Geschichte „irgendetwas anderes als ein Demokratiewunder“.

Freller: „Wer in einer Demokratie schläft, wacht in einer Diktatur auf“

In dem anschließend von Vera Cornette (Bayerischer Rundfunk) moderiertem Gespräch, diskutierten Karl Freller, MdL und Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Thomas Gehring, MdL und Vizepräsident des Bayerischen Landtags, Prof. Ferdinand Kramer und Dr. Ludwig Spaenle, beide Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirates zum Projekt „Orte der Demokratie in Bayern“, die Bedeutung des Projekts und der Ausstellung. Kramer betonte die Relevanz von positiven Darstellungen: So sei die Erinnerungskultur oftmals geprägt von negativen Aspekten der deutschen Geschichte. Schüler könnten beispielsweise sofort die Namen vom Massenmördern zitieren, bei den großen demokratischen Freiheitskämpfern sähe das ganz anders aus, so Kramer.

Freller betonte, dass das System einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch aufkommenden Extremismus und die Polarisierung an den politischen Rändern stärker denn je gefährdet sei. Trägheit und Wohlstand trügen dazu bei, dass Demokratien weniger wehrhaft dastünden. In diesem Zusammenhang warnte Freller: „Wer in einer Demokratie schläft, wacht in einer Diktatur auf“.

Die Diskutanten waren sich einig, dass die „deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts gezeigt habe, wie schnell Demokratie verspielt werden könne. Deshalb sei Wachsamkeit das Gebot der Stunde: „Demokratie brauche Tatkraft und Einsatz“, betonte Gehring. „Damit wir in Demokratie, Freiheit und Frieden leben können, tragen wir gemeinsam Verantwortung“, unterstrich Spaenle. Die Orte der Demokratie seien also nicht nur ein Anlass zu fragen, was in der Vergangenheit war, sondern angesichts der gegenwärtigen Krisen in Europa und anderswo auf der Welt auch ein Auftrag für die Zukunft, so das Fazit der Runde.

Wanderausstellung zur Demokratie in Bayern noch bis zum 18. November im Maximilianeum

Die Wanderausstellung wird begleitet von einem Gedenkobjekt der Künstlergemeinschaft Ackstaller & Schweikl aus Kirchdorf (Hallertau), das auf den sichtbaren Seiten eines goldfarbenen Würfels verschiedene thematische Aspekte und den Schriftzug „Orte der Demokratie in Bayern“ zeigt. Der Würfel besteht aus einer speziellen, korrosionsbeständigen Messinglegierung und ist auf einer Steinsäule aus Kelheimer Marmor installiert. Die inhaltliche Erarbeitung der Wanderausstellung „Orte der Demokratie in Bayern“ übernahm die Münchner Literaturwissenschaftlerin und Kuratorin Laura Mokrohs.

Bis zum 18. November 2021 können Besucher das Gedenkobjekt und die Ausstellung noch im Bayerischen Landtag, Maximilianeum – Kreuzgang, Max-Planck-Straße 1, 81675 München besichtigen. Um Anmeldung auf der Seite www.orte-der-demokratie.de wird gebeten. Die aktuell geltenden Corona-Regelungen für Besucherinnen und Besucher finden Sie ►hier.

/Eva Mühlebach

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