„Zusammenrücken der Parlamente" von Bayern und Québec
Landtagspräsidium vor Ort in Québec für die Sitzungen der 14. Gemischten Parlamentarischen Kommission
8. - 10. Mai 2024
QUÉBEC. Die digitalen Technologien und ihre Auswirkungen auf die Demokratie stehen im Zentrum der 14. Sitzung der gemischten Parlamentarischen Kommission Bayern-Quebec. Für diese reiste das Präsidium des Bayerischen Landtags zur Nationalversammlung in die kanadische Provinz Québec. Gemeinsam suchten die Parlamentarier beider Regionen nach Wegen, wie Künstliche Intelligenz Demokratien stärken kann.
„Die Risiken der Künstlichen Intelligenz auf die Demokratie beunruhigen mich zutiefst, gerade bei allem, was mit dem Thema Deep Fakes zu tun hat." Gleich zu Beginn skizzierte die Präsidentin des Gastgeber-Parlamentes der kanadischen Provinz Quebec, Nathalie Roy, den Grund, warum die beiden Parlamente sich gemeinsam mit diesem Thema auseinandersetzen.
Jahrzehnte währende Freundschaft wichtiger denn je
Landtagspräsidentin Ilse Aigner betonte neben dem inhaltlichen Schwerpunkt die grundsatzliche Bedeutung des Austausches mit den kanadischen Abgeordneten - gerade in der heutigen Zeit: „Bei uns werden Zweifel an der Demokratie als solches gesät - gerade auch von außen durch direkten Einfluss von Russland, aber auch China", so Aigner. „Das eint uns als demokratische Länder des Westens, daher ist es uns so wichtig, dass wir als Parlamente enger zusammenrücken." Vor diesem Hintergrund unterstrich Vizepräsident Markus Rinderspacher (SPD) die Bedeutung der Jahrzehnte währenden Freundschaft mit Québec: Diese sei wichtiger denn je, „denn weltweit erleben wir eine Regression der Demokratien: Liberale Demokratien werden zu illiberalen Demokratien, illiberale Demokratien zu Diktaturen "
Zum Auftakt der 14. Gemischten Parlamentarischen Kommission Bayern - Quebec legten die Gastgeber der Delegation aus dem Bayerischen Landtag neben der aktuellen politischen Situation nach den Wahlen in Québec 2022 auch die Herausforderungen der Provinz dar. Insbesondere die Lage als einzige französischsprachige Provinz in Nordamerika stelle eine große Schwierigkeit dar.
Arbeitssitzung zur digitalen Transformation des Staates
Die Sprache war jedoch auch am zweiten Tag des Besuchs in Québec dank Simultanübersetzung und Sprachkenntnissen keine Barriere: Nach einem Besuch der Parlamentssitzung und einer Führung durch das Parlamentsgebäude setzten sich die Parlamentarier beider Regionen mit den - längst globalen - Herausforderungen durch die Entwicklungen auf dem Feld der Digitalisierung auseinander.
So skizzierte Professor Daniel Caron die Herausforderung bei der Digitalisierung der Verwaltung. Diese sei ein „wahrer Hindernislauf", da die Infrastrukturen vielfach überholt seien. Sein Lösungsansatz: Nicht allein einzelne Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger müssten digitalisiert werden, sondern „man muss den ganzen Prozess mit allen Informationsströmen neu strukturieren". Auf die Fragen der bayerischen Delegation, wie die Kompetenzen innerhalb der Regierung am besten gebündelt werden sollten, brachte Caron das Beispiel aus Québec an: So sei ein entscheidender Hebel, dass Digitalministerium und Finanzministerium Hand in Hand arbeiteten.
Beim Austausch zwischen den Abgeordneten der Partnerregionen wurde auch bei diesem Thema klar, was der Vizepräsident der Gemischten Parlamentarischen Kommission Bayern-Quebec (DANRBA), Sébastien Schneeberger, auf den Punkt brachte: „Selbst wenn wir weit weg sind, teilen wir die Probleme." Zwar sei man auch in Québec bei diesen Themen noch nicht am Ziel, doch dass in Bayern wie in Québec die gleichen Themen unter den Nageln brennen, „das gibt uns Rückhalt, dass wir an der richtigen Stelle ansetzen", so Schneeberger.
Vorträge zum Thema Belästigung in sozialen Netzwerken
Auch das nächste Thema gab den Abgeordneten dahingehend recht: In Québec ist - ebenso wie in Bayern - Cyberbullying und Belästigung in den sozialen Netzwerken ein leider weit verbreitetes Phanomen, wie Didaktik-Professor Stéphane Villeneuve von der Universität von Québec in Montréal anhand vieler Zahlen darlegte. Mélanie Millette, PhD und Titutalarprofessorin am Lehrstuhl für soziale und öffentliche Kommunikation der Universitat von Québec in Montréal, unterstrich, dass insbesondere Frauen zur Zielscheibe würden, wenn sie in der Offentlichkeit stehen. In den Vorträgen ging es dabei jedoch auch um Lösungsansätze - einerseits müsse die Zivilgesellschaft gestärkt werden und sich aktiv einbringen, andererseits müssten Gesetze erlassen werden. Dabei sei beispielsweise die kanadische Provinz British Columbia Vorbild. Dort bestehe eine Kooperation mit Meta (dem Mutterkonzern von Facebook) und TikTok, damit diese stärker gegen Hassrede vorgehen. Bei der intensiven Diskussion mit den Abgeordneten wurde jedoch auch klar: Eine Klarnamenpflicht im Internet ist aus Sicht von Villeneuve und Millette schwer umsetzbar und hätte für marginalisierte Gruppen unerwünschte Folgen. Eine Rückverfolgbarkeit wäre stattdessen aus Sicht der Experten eher über die Blockchain-Technologie erreichbar. Entscheidend sei zudem: „Die bestehenden Plattformen wie Meta, die allesamt Mulitmilliardenfirmen sind, müssen das Problem einfach ernst nehmen und relevante Summen investieren", so Millette. Und dafür könne die Politik sorgen.
Risiken der Kl für die Demokratie
Wie die Politik - konkret aber die öffentliche Verwaltung - Künstliche Intelligenz einsetzen kann, darum ging es in der nächsten Arbeitssitzung der Gemischten Parlamentarischen Kommission Bayern-Quebec. Denn anstatt nur die Risiken aufzuzeigen, sei die entscheidende Frage, wie Kl dazu dienen könne, den Demokratien zu nutzen, so Justin Lawarée, Ph.D. Für den Experten an der Internationalen Beobachtungsstelle für gesellschaftliche Auswirkungen von Kl und Digitalisierung ist klar, dass die parlamentarische Kontrolle verstärkt werden müsse. Denn „dieVerwendung von Kl - gerade in der Verwaltung - braucht demokratischen Rückhalt", so Lawarée.
Cecile Petitgand, Gründerin des Unternehmens Data Lama, zeigte die politische Komponente des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz noch grundsätzlicher auf. Schließlich seien Algorithmen nur so gut wie die Daten, mit denen man sie füttere. Insofern sei der entscheidende Faktor: "Wer die Daten kontrolliert, der kontrolliert die Kl", so Petitgand. Aktuell seien die USA und China mit großem Abstand führend. Dabei sei die Frage der „technopolitischen Zusammenarbeit der Demokratien eine geostrategische".
Die digitale Souveränität zu entwickeln bzw. Zurückzugewinnen sei daher entscheidend. Petitgand erteilte in der Diskussion mit den Abgeordneten beider Länder dem Pessimismus angesichts des Vorsprungs durch China eine Absage: Bei geostrategischen Fragen sei es häufig so, dass „erst im Moment der Bedrohung eine Bewusstseinsfindung und Anderung stattfindet" - aber es sei nie zu spät: „Gesetze haben immer Einfluss."
Verbindung seit 2002
Die Gespräche waren Teil der 14. Gemischten Interparlamentarischen Kommission Bayern-Québec. Denn mit Bayerns Partnerregion besteht seit langem auch auf parlamentarischer Ebene ein intensiver Austausch: Die Einrichtung der Gemischten Parlamentarischen Kommission mit dem Ziel des Erfahrungs- und Kompetenzaustausches zwischen der Nationalversammlung von Quebec und dem Bayerischen Landtag war bereits 2002 beschlossen worden, seit 1999 treffen sich Abgeordnete beider Parlamente regelmaßig zum Erfahrungsaustausch.
/ CK