"Perfekte Freundschaft und strategische Partnerschaft"
Tschechischer Botschafter Jiří Čistecký im Austausch mit der Landtagspräsidentin, Vizepräsidenten, Koordinatoren und weiteren Abgeordneten

4. Februar 2025
MÜNCHEN. Auch im neuen Jahr widmet sich der Landtag mit Verve der Pflege der bayerisch-tschechischen Partnerschaft. Nach Besuchen von Mitgliedern des EU-Ausschusses der Abgeordnetenkammer aus Tschechien und der Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses des Tschechischen Parlaments, Markéta Pekarová Adamová, im vergangenen Herbst kam heute der Botschafter der Republik Tschechien, Jiří Čistecký, zu einem Austausch in die bayerische Volksvertretung. Auf dem Programm stand zunächst ein Treffen mit Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU). Anschließend sprachen I. Landtagsvizepräsident Tobias Reiß (CSU), Vizepräsident Markus Rinderspacher (SPD), die beiden Koordinatoren des Bayerischen Landtags für die bayerisch-tschechische Zusammenarbeit, Dr. Gerhard Hopp (CSU) und Jürgen Mistol (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), die Stv. Vorsitzende des Europaausschusses Ulrike Müller (FREIE WÄHLER) und weitere Abgeordente mit dem Botschafter. Begleitet wurde dieser von Generalkonsulin Dr. Ivana Červenková und Konsul Lukáš Opatrný.
Landtagspräsidentin Ilse Aigner lobte gleich zu Beginn das hervorragende Miteinander und die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Generalkonsulin und sie ergänzte: “Wenn dann der Botschafter zu uns kommt, ist das noch einmal eine ganz besondere Wertschätzung für uns im Freistaat! Wir wissen, dass das nicht selbstverständlich ist.” Der Botschafter zeigte sich sehr erfeut über den Empfang und versicherte, dass ihm Bayern sehr am Herzen liege. “Bayern und Tschechen sind sich nah, sie haben ähnliche Mentalitäten. Wir sind Nachbarn, und zwischen uns ist eine perfekte Freundschaft und eine strategische Partnerschaft gewachsen. Das ist eine große Errungenschaft”, so Botschafter Čistecký. Die Landtagspräsidentin sprach mit dem Gast über verschiedene aktuelle Themen, unter anderem über die Folgen des Ukraine-Krieges, das Verhältnis zu Russland und die politische Lage in Deutschland vor der Bundestagswahl.
Vizepräsident Tobias Reiß (CSU), im Landtagspräsidium zuständig für die Kontakte mit Tschechien, betonte in seiner Begrüßung des Botschafters am Beginn des Arbeitsgesprächs in größerer Runde, dass man mittlerweile von einer engen Freundschaft zwischen Bayern und Tschechien sprechen könne: “Das liegt daran, dass wir immer im Austausch sind, dass wir auf verschiedenen Ebenen zusammenarbeiten und verschiedene Institutionen geschaffen haben, dass die Regierungen sehr aktiv sind, aber eben auch wir als Parlament, als parlamentarische Ebene.”
Botschafter Jiří Čistecký wies in seiner Erwiderung darauf hin, dass es kein Zufall sei, dass er in der kurzen Zeit als tschechischer Botschafter in Berlin nun schon zum zweiten Mal in Bayern sei: “Das ist ein Zeichen dafür, wie wichtig uns die Zusammenarbeit zwischen Prag und München ist, zwischen dem Freistaat Bayern und Tschechien in allen Bereichen! Die Nachbarschaft wird durch konkrete Projekte geprägt. Die sind wichtig!" Der Botschafter erwähnte in diesem Zusammenhang verschiedene erfolgreiche Initiativen unter anderem im Verkehrs- und Gesundheitsbereich, in der Wirtschaftspolitik und der Sprachförderung. Der Gast betonte zudem die Wichtigkeit eines regelmäßigen Austausches, auch wenn es darum gehe, gemeinsame Interessen koordiniert auf europäischer Ebene zu vertreten.
Dr. Gerhard Hopp (CSU), Koordinator der bayerisch-tschechischen Zusammenarbeit im Bayerischen Landtag, wuchs in der Oberpfalz in der Grenzregion zu Tschechien auf und schilderte seine Eindrücke der dortigen Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten. Er wies auf die Auswirkungen der Trennung während der Corona-Pandemie hin, da habe man gelernt, “dass die ständige Arbeit für den Austausch, für die Sprachförderung, für den Kontakt zwischen den Vereinen wichtiger denn je ist." Das Erleben der Freundschaft und die gegenseitige Hilfestellung im Alltag sei von zentraler Bedeutung. Hier erwähnte Dr. Hopp unter anderem das Miteinander der Nachbarn, das zum Beispiel in einem gemeinsamen Infomationsportal für Vereine dargestellt werden könnte, und die bereits bestehenden Strukturen im Rettungsdienst und Katastrophenschutz.
Auch die Stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen, Ulrike Müller (FREIE WÄHLER), plädierte für einen weiteren Ausbau der nachbarschaftlichen Beziehungen: “Mir ist wichtig, dass die Menschen zusammenkommen, gerade die jungen Menschen. Unsere Jugend, unsere Kultur und unser Brauchtum und unsere Kreativwirtschaft akzeptieren keine Grenzen in dieser Region. Darum würde es mir sehr gefallen, wenn wir die bereits erwähnte Informationsplattform aufsetzen könnten als interregionales Projekt.” Und Müller, die lange Jahre Mitglied des Europäischen Parlaments war, verwies zudem auf Möglichkeiten der Finanzierung der bayerisch-tschechischen Zusammenarbeit im Rahmen der Europäischen Union.
Der zweite Koordinator der bayerisch-tschechischen Zusammenarbeit, Jürgen Mistol (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), erinnerte an ein wichtiges Thema, das in den gemeinsamen Gesprächen im vergangenen Jahr immer wieder diskutiert wurde: “Was uns eint, ist die Sorge um die Demokratie. Hier gibt es viele Ebenen, wo wir tätig werden können, wo wir aktiv etwas machen können.” Mistol erwähnte hier den Kampf gegen Desinformation. Zentral für die weitere Pflege der Partnerschaft sei zudem, dass sich die Leute einfach treffen könnten. Hier solle man die bereits bestehenden Projekte und Strukturen - zum Beispiel beim Jugendaustausch “Tandem” und beim Centrum Bavaria Bohemia (CeBB) in Schönsee - nutzen und stärken. Wie schon mehrere Kollegen vor ihm sprach sich Mistol ebenfalls sich für die Einrichtung einer grenzübergreifenden Informationsplattform aus. Und auch die nach wie vor bestehenden Defizite bei den Bahnverbindungen zwischen Bayern und Tschechien sprach der Abgeordente an.
Karl Freller (CSU), langjähriger Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und ehemaliger Landtagsvizepräsident, lenkte in seiner Wortmeldung den Fokus auf die Erinnerungsarbeit: “Im Moment beobachte ich etwas, was mir große Sorgen bereitet, nämlich dass die Erinnerung im 80. Jahr nach Kriegsende langsam verblasst und gleichzeitig der Rechtsextremismus wächst.” Freller blickte dankbar zurück auf das erste gemeinsame Gedenken Bayerns und Tschechiens an die Opfer des Nationalsozialismus im Jahr 2017 im Tschechischen Parlament und in Leitmeritz / Litomĕřice. Dies sei ein großer Durchbruch in den Beziehungen gewesen, seit dieser Zeit sei auch der Kontakt im Bereich der Erinnerungsarbeit sehr eng, und es sei wichtig, dass Bayern und Tschechien sich auch künftig diesem Thema gemeinsam widmen.
Vizepräsident Markus Rinderspacher (SPD) lobte die hervorragende bayerisch-tschechische Zusammenarbeit. Er sprach unter anderem das Thema “Migration” an, und erkundigte sich nach der Position Tschechiens zu den aktuell in der Bundesrepublik diskutierten Vorschlägen hinsichtlich der Grenzkontrollen. Rinderspacher zeigte sich besorgt über wirtschaftspolitische Entwicklungen, mit denen Deutschland, Bayern und Tschechien als starke Exportnationen, als Exportregionen seit einiger Zeit konfrontiert sind: “Wir erleben ein Revival des Protektionismus. Wir sehen mit großer Sorge, dass davon auch der europäische Export massiv betroffen sein kann.” Und auch den Möglichkeiten der Unterstützung der Ukraine im Jahr 2025 in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland widmete sich der Vizepräsident in seinem Redebeitrag.
Auch die ehemalige Staatsministerin für Europaangelegenheiten und Internationales, Melanie Huml (CSU), nahm an dem Austausch teil. Sie erinnerte an die Eröffnung der Repräsentanz des Freistaats Bayern in der Tschechischen Republik Ende 2014: “Da hat sich nach meiner Überzeugung noch einmal ein ganz neues Kapitel in der Beziehung zwischen Bayern und Tschechien aufgetan.” Sie verwies, dabei unterstützte sie auch der Abgeordnete Martin Scharf (FREIE WÄHLER), auf die zahlreichen Projekte, durch die die beiden Staaten in den letzten 10 Jahren zusammengewachsen sind, u.a. den Beirat für grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Und Huml unterstrich: “Europa wächst da zusammen, wo die Grenzregionen zusammenwachsen.”
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/ PR