"Zukunftstalk – gestalte die Europawahl!"
Jugendliche diskutieren mit Abgeordneten und Experten im Rahmen der "Jungen Reihe"
22. April 2024
MÜNCHEN. Rund 180 junge Menschen aus fünf verschiedenen Schulen in Bayern haben mit Abgeordneten des Bayerischen Landtags sowie Referentinnen und Referenten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Medien über die Herausforderungen Europas diskutiert. Vor der Europawahl im Juni erarbeiteten die Jugendlichen bei der "Jungen Reihe" Zukunftsszenarien für die EU.
"Vor wenigen Tagen durfte ich Julija Nawalnaja den Freiheitspreis übergeben - ihr Beispiel zeigt, wie wichtig Demokratie ist. Ihr Mann wurde von einem autokratischen Regime - klar ausgesprochen - ermordet!" Mit aufrüttelnden Worten hat Landtagspräsidentin Ilse Aigner die "Junge Reihe" zur Europawahl eröffnet und dargelegt, dass Demokratie und Freiheit heutzutage auch bei uns nicht mehr selbstverständlich sind.
Bei der Wahl Anfang Juni gehe es um mehr, so Aigner, nämlich um das, was Europa ausmache – die Demokratie und unsere Werte. Diese gelte es, zu stärken und zu verteidigen gegen die Spalter von Innen und von Außen. "Wir erleben gerade stürmische Zeiten, in denen die europäische Werteordnung angefeindet wird. Unsere Verantwortung ist es, entschlossen für Europa und für unsere Demokratie einzutreten. Demokratie lebt vom Mitmachen! Mit der heutigen Veranstaltung setzen wir alle gemeinsam ein Zeichen: Wir treten ein für Europa und damit für eine Welt in Demokratie, Freiheit und Frieden."
Demokratie als Kompromissmaschine
In seiner Keynote lobte Prof. Ulrich Brückner vom Berliner Studienzentrum der Stanford University zunächst die Vorzüge unseres politischen Systems: Denn unsere Demokratie sei eine große Kompromissmaschine, die den Ausgleich der Interessen zum Ziel habe. Auf die EU bezogen sei die bisherige Antwort auf die Herausforderungen der jeweiligen Zeit und die Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg die immer engere Verflechtung gewesen. Wichtig sei, dass sich dabei jede Generation so einbringen könne, wie sie es wünsche - eben auch die junge Generation heute.
Brückner sieht dabei die Schwierigkeit derzeit nicht allein in der realen Lage: "Die Fülle von finsteren Entwicklungen wird verstärkt durch eine Welle von Desinformation." Denn aktuell gebe es ein "großes Interesse daran, uns mit schlechten Nachrichten zu überschwemmen, um unser System zu destabilisieren - weil es einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Systemen gibt": Die Schwierigkeit für die Politik sei dabei, dass diese nicht allein von Fakten geprägt sei: "In der Politik ist Wirklichkeit nicht nur das, was wir messen, sondern auch, wie wir darüber reden." So müssten sich Politikerinnen und Politiker in unserer Form der partizipativen Demokratie ständig rechtfertigen.
Die Zukunft Europas: Ideen zur Ausgestaltung
Ideen für die Zukunft der Demokratie in Europa konnten die Jugendlichen dann mit ihm im Workshop entwickeln - ebenso wie zu den Themen Wirtschaft, Klima und Umwelt, Migration und Sicherheit parallel mit entsprechenden Expertinnen und Experten auf diesen Themenfeldern. Unterstützt wurden sie dabei von Teamerinnen und Teamern des Centrums für angewandte Politikforschung (CAP). Vizepräsident Markus Rinderspacher (SPD) sowie die Abgeordneten Josef Heisl (CSU), Julian Preidl und Martin Scharf (beide FREIE WÄHLER) sowie Benjamin Adjei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) diskutierten mit den Jugendlichen Best-Case- und Worst-Case-Szenarien.
Mit Blick auf die Demokratie befassten sich die Jugendlichen nicht zuletzt auch mit dem Thema der Sozialen Medien und der Künstlichen Intelligenz. Schließlich habe "die Wahrnehmung, wie wir die Welt sehen, massiv damit zu tun, welche Kanäle wir nutzen", so der Profesor für Europäische Studien, Brückner. Die Jugendlichen interessierten sich aber auch für die positiven Seiten - beispielsweise für die Frage, ob Politikerinnen und Politiker mit KI bessere Entscheidungen treffen könnten.
Konkrete Wünsche an die Politik
Ihre Ideen für die EU brachten die Jugendlichen dann vor großer Runde - allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, den Expertinnen und Experten und den Abgeordneten - vor. Als dringende Herausforderungen identifizierten die jungen Gäste unter anderem die faire Verteilung von Geflüchteten in der Europäischen Union, die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen, ein zu individualisiertes Konsumdenken und -verhalten mit Blick auf Umwelt und Klima sowie den Verbrauch von nicht-regenerativen Ressourcen. Für die verschiedenen Themenfelder erarbeiteten die Jugendlichen auch konkrete Forderungen: So sei in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine stärkere europäische Vernetzung und dadurch selbständigeres Auftreten der EU wünschenswert. Mit Blick auf die Umweltpolitik forderten sie klare Regeln, mehr Forschung und bessere Vernetzung der Wissenschaft sowie einen kostenlosen und besser vernetzten öffentlichen Personennahverkehr. In der Wirtschaftspolitik wurde eine stärkere Entbürokratisierung, die Einbindung von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt sowie eine mögliche Steuerfreiheit bei geleisteten Überstunden als wünschenswert genannt.
In einer anschließenden Schlussrunde mit dem Präsidenten des Bayerischen Jugendrings, Philipp Seitz, versprachen die Abgeordneten, die Sichtweisen auch in ihre jeweilige politische Arbeit einzubringen. Vizepräsident Markus Rinderspacher (SPD) beeindruckte die große Sorge der jungen Menschen um die Demokratie in Deutschland sowie die Unabhängigkeit von Justiz und Medien. Josef Heisl (CSU) dankte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihr großes Engagement und nahm für sich den Wunsch der Jugend nach mehr Kooperation in der Sicherheitspolitik sowie die große Mehrheit für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht mit. Martin Scharf (FREIE WÄHLER) stellte den Wert einer starken Wirtschaft in Europa und Deutschland heraus und identifizierte den geäußerten Wunsch nach einer schnelleren Entbürokratisierung. Mehr Information für die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie mehr Anreize für Verbesserungen auf dem Energiesektor erkannte Benjamin Adjei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) als ein Take-Away des Tages. Julian Preidl (FREIE WÄHLER) bedankte sich besonders für die gute Diskussionskultur mit den Jugendlichen, bei der auch explizit verschiedenen Meinungen gehört und respektiert wurden. Philipp Seitz, der Präsident des Bayerischen Jugendrings, betonte, dass besonders die Jugend von der Europäischen Union über verschiedenen Programme profitiere und dankte dem Bayerischen Landtag für das Format der "Jungen Reihe". Alex Dorow (CSU) bekräftigte, dass Politik verstärkt auf die Jugend hören solle. Sein Parteikollege Gerhard Hopp erklärte abschließend die Arbeit im Europaausschuss. Zuletzt riefen die Podiumsmitglieder in einer Schlussrunde noch zur Europawahl am 9. Juni auf.
Bei der "Jungen Reihe" kommen seit 2019 junge Erwachsene in den Bayerischen Landtag, um mit den Abgeordneten der verschiedenen Fraktionen zu einem bestimmten gesellschaftlich relevanten Thema ins Gespräch zu kommen. In der abgelaufenen Legislaturperiode ging es neben der Bundestagswahl auch um die Sozialen Medien und konstruktiven Patriotismus.
/CK, JS