Die Bayerischen Filmfestivals stellen sich vor

Nach dreijähriger Pause wieder "Kino im Landtag"

4. Juli 2022

MÜNCHEN „Lesen, Streaming, alles wunderbar zuhause. Aber endlich wieder zum gemeinsamen Kinoerlebnis zusammenzukommen ist doch was anderes!“ – So begrüßte Landtagspräsidentin Ilse Aigner die Gäste im Senatssaal zu einer Neuauflage von „Kino im Landtag“. Der erste Abend nach drei Jahren Pause war ein kleines Kurzfilmfest an sich: Sechs Festivals aus dem Freistaat stellten Beiträge aus ihren jüngsten Veranstaltungen vor, anschließend versammelten sich bayerische Filmverantwortliche zur Podiumsdiskussion. Die Begeisterung ging so weit, dass man sogar zaghaft von „Film als Schulfach“ träumte.

Zum Verband Bayerischer Filmfestivals – der sich übrigens vor elf Jahren im Landtag gründete – zählen derzeit 20 Festivals, deren Thematiken vom Bergfilm über Musikfilm und türkischen Film bis hin zum an diesem Abend im Mittelpunkt stehenden Kurzfilm reichen.

Moderator Markus Aicher vom Bayerischen Rundfunk, der den erkrankten Urs Spörri vertrat, wollte zunächst wissen, wie die finanzielle Förderung dieser Festivals aussieht. Dazu gab Dorothee Erpenstein vom Film-Fernseh-Förderfonds Bayern Auskunft: Momentan werden eine Million Euro pro Jahr für Filmfestspiele zur Verfügung gestellt, wobei das Filmfest München davon nichts erhält, weil es einen eigenen Topf hat. Bei der Vergabe der Mittel an die einzelnen Bewerber spielten das Programm, die Zahl der Filme und auch die Einbettung in die Region eine Rolle – steht die Kommunalpolitik hinter dem Festival? „Schließlich sind Filme relevante Botschafter für Meinungsfreiheit und Demokratie“, erklärt Erpenstein.

Keine Scheu vor sozialkritischen Themen

Wie die Kommunen ihren Teil zur Finanzierung am besten dazugeben, berichtete Stephan Antwerpen, Erster Bürgermeister von Altötting und Vorsitzender der noch sehr jungen Biennale Bavaria International – Festival des neuen Heimatfilms. „Man braucht Leute, die die begeistern können und den Stadtrat überzeugen“, weiß er, „also die Bürgermeister. Wir haben in Altötting sechs davon an einen Tisch gebracht.“ Dies sei vor allem auch deshalb gelungen, weil die Biennale Bavaria International verstärkt die Menschen der Region mit einbeziehe und keine Scheu vor sozialkritischen Themen zeige – „wir hatten auch schon den evangelischen Bischof von Altötting zu Gast“, erinnerte er an eine Biennale-Diskussion zum Thema Heimat und Glauben.

Aber natürlich gibt es noch großen Förderbedarf in Sachen Filmfestivals. Denn die Million vom Staat, ein paar Gelder aus kleineren Töpfen und die Beiträge der Kommunen reichen nicht ansatzweise aus, um alle Mitarbeiter eines Festivals zu bezahlen. „Film, das sind Menschen, Leidenschaft und ganz viel Ehrenamt“, konstatierte Dorothee Erpenstein.

Leidenschaft und Ehrenamt genügt nicht

Genau diese Verhältnisse möchte die bundesweite Interessenvertretung AG Filmfestival verbessern. Deren Gründungsmitglied Svenja Böttger, selbst Leiterin des Filmfestivals Max-Ophüls-Preis, erklärte: „Bisher wird nur die Berlinale mit Aufmerksamkeit bedacht. Aber auch andere Filmfestivals müssen stärker im Verleihgeschäft stattfinden, und sie sollten nicht nur mit Ehrenamt und Leidenschaft funktionieren müssen!“ Jedes Jahr neue junge Ehrenamtliche von vorne einzuarbeiten sei immens aufwändig und generiere keine standfesten Festivalleiter. Dabei seien Festivals doch immens wichtig für den Film-Nachwuchs. Junge Regisseure sind auf Filmfestivals angewiesen, vor allem hier führen Debütanten ihre Erstfilme vor und hier finden sie live ihr Publikum und ihren persönlichen Stil, darüber war sich die Runde einig. Jedoch: „Nachwuchsfilme machen 20 Prozent des Umsatzes an der Kinokasse, erhalten aber nur vier bis fünf Prozent der Fördergelder“, zeigte Böttger auf.

„Die Dinge mutiger angehen“

Außer um Geld geht es aber auch um „Screentime“, um Zeigemöglichkeiten. Björn Wilhelm, Kulturchef beim Bayerischen Rundfunk, legte dar, warum das Fernsehen nicht allein vom „Tatort“ und dessen Einschaltquoten leben kann. „Wir engagieren uns aus purem Egoismus für Film und Kurzfilm“, sagte er, „als Medienpartner, Berichterstatter und Preisstifter. Denn wir sind kein schneller Streamingdienst, wir sind ein öffentlich-rechtlicher Sender und wir wollen auch morgen und übermorgen noch hier sein. Deshalb müssen wir das Nachwuchskino fördern. Heute muss man die Dinge sowieso mutiger angehen. Wir haben beispielsweise mit dem RBB eine queere Filmreihe initiiert. Das sind Themen, die wir auch gerne in unserer Reihe ‚Debut im Ersten‘ zeigen.“

Schön. „Aber es wäre gut, wenn noch viel mehr Kinofilme und Kurzfilme im Fernsehen kämen, und gerne auch zu ein bisschen besseren Uhrzeiten“, merkte dazu Marcus H. Rosenmüller an. Der Regisseur und Filmprofessor der Hochschule für Film und Fernsehen saß im Publikum und redete als gerne gesehener Landtagsgast viel mit. „Es gibt so viele gute Filme, das ist Wahnsinn. Man muss den Leuten aber auch möglich machen, sie anzuschauen!“, forderte er.

Die Kinozuschauer „netflixen davon“

Als größte Aufgabe identifizierte das Podium denn auch, junge Zuschauer für das Kino zurückzugewinnen. Diese „netflixen davon“, deshalb müsse man Filmerziehung stärker in den Schulen einbringen, „die neuen Social-Media-Kanäle der Jungen finden, statt Flyer in der Bäckerei auszulegen“ und außerdem „weg von Mainstream, Wellness und altem Arthouse“, forderte Matthias Hellwig, Leiter des Fünf-Seen-Festivals und Kinobetreiber in Gauting.

„Das Schulfach ‚Kino‘ werden wir wohl nicht mehr erleben“, schloss sich Ilse Aigner beim Thema filmische Bildung an, „aber es könnte Bewusstseinsbildung in Schulen in vielen Formaten geben. Film spricht alle Altersgruppen an, die Vielfalt ist so groß, das zeigt doch schon der heutige Abend.“

Für ihr Engagement für den Film, nicht zuletzt bei der Biennale Bavaria International, bekam Aigner zuletzt dessen Auszeichnung „Saphira“ von Festivalleiter Günther Knoblauch überreicht.

Fantasievoll, experimentell, verrückt

Der stärkste Fürsprecher für den Film war an dem Abend natürlich der Film selbst. Kuratiert von Michael Orth, Leiter des Landshuter Kurzfilmfestivals, zeigten „Girslboysmix“ von Lara Aerts (Filmzeit – das Allgäuer Autorenfilmfestival) und „Lacrimosa“ von Mehmet Binay (Filmfestival Türkei Deutschland Nürnberg), wie einfach und schön, aber auch wie fantasievoll und unheimlich das Thema Gender aufbereitet werden kann. Lucas Kamps‘ „Wall #4“ (Landshuter Kurzfilmfestival) sowie „Hoamweh Lung“ von Felix Klee (Dok-Fest München) nahmen mit ihren experimentellen Qualitäten die Zuschauer im Sturm für sich ein, ernteten begeisterten Applaus. Und Verena Wagners „Do weizt’s“ (Schwandorfer Dokumentarfilmtage) sowie Johan Palmgrens „The Traffic Separating Device“ (Internationales Kurzfilmfestival Bunter Hund München) trafen mit verrückten Thematiken direkt ins Herz der Zuschauer. Film wirkt! Auch die Reihe „Kino im Landtag“ soll deshalb noch so manche Fortsetzung erleben.

/ Isabel Winklbauer

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