22.10.2014 - Der Landtag im Gespräch: Sind Familien in der Arbeitswelt willkommen?

Mittwoch, 22. Oktober 2014

– Von Zoran Gojic –

„Sind Familien in der Arbeitswelt willkommen“ – das war die ebenso einfache wie provokative Frage der jüngsten Veranstaltung in der Reihe „Der Landtag im Gespräch“ am 22. Oktober. Im Senatssaal des Maximilianeums griff die Kabarettistin und Schauspielerin Maria Peschek das Thema zunächst humoristisch auf, aber es wurde dann doch sehr schnell sehr ernst. In ihrem sehr persönlichen Grußwort schilderte Landtagspräsidentin Barbara Stamm aus eigener Erfahrung, wie mühsam es für eine Mutter ist, sich im Beruf zu behaupten und forderte: „Die Arbeitswelt muss sich an die Familie anpassen und nicht umgekehrt!“

Jutta Rump, die Leiterin des Instituts für Beschäftigung und Employability, wies auf dramatische Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt hin. In absehbarer Zeit entbrenne wegen des Fachkräftemangels ein Wettbewerb um Arbeitskräfte und den könnten Firmen nur bestehen, die aktiv „Fachkräftesicherung“ betreiben. Dabei gehe es nicht nur um angemessene Bezahlung, sondern vor allem um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nur wer sich gut behandelt fühle, bleibe in einer Firma, identifiziere sich mit ihr und arbeite deswegen effizient. Eine hohe Fluktuation durch unzufriedene Mitarbeiter, das betonte Rump in ihrem Impulsreferat mehrfach, koste Unternehmen letztlich mehr als Maßnahmen wie Kinderbetreuung, Teilzeitregelungen oder Telearbeit. Gerade die jüngere Generation, die sich in der Arbeitswelt einem erhöhten Tempo, der Erwartung nach größtmöglicher Flexibilität und nicht zuletzt einer längeren Lebensarbeitszeit ausgesetzt sieht, strebe nach mehr Rücksicht für die jeweilige persönliche Lebenssituation. Familie sei gerade bei den Jungen ein Stabilitätsfaktor in einer komplexen Welt und immer wichtiger werde die Balance zwischen den Anforderungen des Berufs und dem eigenen Lebensmodell. „Die Eingliederung von Müttern und Vätern in den Betrieb ist ein Kostenfaktor, der sich rechnet“, betonte Rump. Das Bewusstsein dafür sei aber mittlerweile in vielen Branchen angekommen.

Ein familienfreundlicher Betrieb hat bessere Chancen beim Wettberweb um Fachkräfte

In der Diskussionsrunde wurde die These erhärtet. Befragt von BR-Moderatorin Jutta Prediger, bekräftigte Angelique Renkhoff-Mücke, Vorstandsvorsitzende der WAREMA Renkhoff SE, dass sich familienfreundliche Firmenpolitik auszahle. Es herrsche Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt und wer fähige Mitarbeiter wolle, müsse mehr bieten als die Konkurrenz. Immer wieder werde ihr in Bewerbungsgesprächen bestätigt, dass der Ruf des Betriebs auf individuelle Bedürfnisse der Arbeitnehmer einzugehen, den Ausschlag für die Zusage gebe. In Zusammenarbeit mit der Kommune biete man Kita-Plätze und auch Urlaubsbetreuung für die schulpflichtigen Kinder der Mitarbeiter, die während der Ferienzeit in der Firmenkantine verköstigt werden. „Der Lautstärkepegel zu diesen Zeiten ist etwas höher als sonst“, bekannte Renkhoff-Mücke, warnte aber zugleich: „Kein Unternehmen kann es sich leisten, dieses Thema zu ignorieren“.

Mitarbeiter sind motivierter, wenn Firmen Rücksicht auf ihre Situation nehmen

Aus der Warte einer Arbeitnehmerin bestätigte Marthe Glonner vom Verband berufstätiger Mütter diesen Satz. Ihre Firma nehme außerordentlich viel Rücksicht auf ihre persönliche Situation – im Gegenzug arbeite sie leidenschaftlich gerne und so gehe es allen Kolleginnen und Kollegen. „Wie haben fast keine Fluktuation und kaum Krankmeldungen“, sagte Glonner und machte an einem einfachen Beispiel klar, wie vertrauensvoll das Verhältnis zwischen Geschäftsführung und Angestellten ist: „Wenn mein Kind schwer krank im Krankenhaus liegt, ruft die Geschäftsführung an und fragt, wie es mir geht. Und nicht, wann ich wiederkomme. Das bedeutet mir etwas“, so Glonner.

Umgekehrt ist die Lage bei Alexander Hahn, Chef eines mittelständischen Unternehmens, der seit über 20 Jahren zusammen mit seiner Frau seine schwerstbehinderte Tochter pflegt. „Ich habe Angestellte, die auf mich achten“, erzählte Hahn. Er arbeite nur etwa 12 Stunden in der Woche im Betrieb, den Rest der Zeit verbringe er zuhause. „Anders geht es nicht“.

„Man muss die Angebote einfach schaffen

Zum Abschluss bekräftigte Barbara Stamm, dass vieles möglich sei, wenn der politische Wille vorhanden sei. „Wir haben innerhalb eines Jahres eine Kita hingestellt, die ständig ausgebaut wird. Bald bieten wir 39 Plätze an und betreuen dann auch Kinder über 3 – auf Wunsch der Eltern. Und wenn junge Menschen wissen, dass sie sich keine Gedanken um einen Kitaplatz machen müssen und der Arbeitgeber flexible Lösungen anbietet, sind sie auch eher bereit eine Familie zu gründen. Wir haben in der Landtagsverwaltung sogar Führungskräfte, die teilweise von zuhause arbeiten“, führte Stamm aus. Es habe sich viel getan und vieles, was vor gar nicht allzu langer Zeit politisch heftig umstritten war, gilt heute als selbstverständlich – etwa der Ausbau des Kita-Angebots oder sogar eine Elternzeit für Väter. Jutta Rump bestätigte diese Trendwende in der Gesellschaft, räumte aber ein, dass viele alte Rollenbilder fest in den Köpfen sitzen und nur mühsam überwunden werden. Selbst ihr sei es so gegangen, dass sie gestutzt habe, als ihr ein männlicher Mitarbeiter eröffnet habe, er gehe ein Jahr in Elternzeit und werde danach nur noch Teilzeit arbeiten. Eine weibliche Mitarbeiterin hingegen verblüffte dadurch, dass sie nach der Geburt des Kindes schon nach zwei Monaten zurückkehrte und zwar in Vollzeit. „Wir müssen immer noch an uns arbeiten und ich habe lange Jahre Lehrgeld bezahlt“, gab Rump zu. Es bleibt also schwierig.

In der sich anschließenden Diskussion mit den Gästen im Senatssaal wurde unter anderem auch nach Lösungen gefragt für die Berufsgruppen im Pflege- und Kinderbetreuungsbereich, die neben den oft schwierigen Arbeitsbedingungen auch den Spagat zwischen Beruf und Familie bewältigen müssen.

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