Mehr Frauen in die Parlamente!

100 Jahre Frauenwahlrecht - LandTalk am 19.Februar 2019

- Von Isabel Winklbauer -

MÜNCHEN.     Premiere für Ilse Aigner: Zum 100. Jahrestag des Frauenwahlrechts lud die Landtagspräsidentin zum neuen Format Landtalk in den Senatssaal. Ihre Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft tauschten sich auf dem Podium angeregt zum Thema Gleichstellung aus. Zuvor hatten Aigner und Historikerin Daniela Neri-Ultsch die Ausstellung „Frau Abgeordnete – Sie haben das Wort“ erneut eröffnet – denn diese ist jetzt um den Aspekt „Die ersten Frauen im Bayerischen Landtag“ erweitert.

Seit den letzten Wahlen beträgt der Frauenanteil im Bayerischen Landtag nur rund 27 Prozent, im Bundestag 31 Prozent. „Darauf sind wir nicht stolz und dazu werde ich die frauenpolitischen Sprecherinnen der Fraktionen einmal zur Gesprächsrunde einladen“, sagte Ilse Aigner bei ihrer Eröffnungsrede im Steinernen Saal.

Für diesen Abend drehte sich auf dem Diskussionspodium aber zunächst alles um die persönlichen Erfahrungen und Hoffnungen, die die Teilnehmer in ihrem Leben in Sachen Gleichstellung gemacht hatten. Es war eine illustre, spannend zusammen gestellte Runde, die da versammelt saß: Die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) traf auf Schindelar-Inhaberin Nicole Schindelar, die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing Ursula Münch fand sich neben Digital- und Diversity-Berater Robert Franken sowie neben Sportmoderatorin und Schauspielerin Lisa Loch. Ilse Aigner ließ auch nicht irgendeinen Gast moderieren, sie leitete die Runde selbst, unterstützt von der Grünen-Abgeordneten Gülseren Demirel.


„Vieles hat sich seit den 60er Jahren verändert“



Gemeinsam erarbeiteten die Teilnehmer Strategien, wie mehr Frauen in die Politik und in höhere Positionen zu bringen wären. „Vieles hat sich seit den 60er Jahren verändert“, sagte Renate Schmidt, „aber wir verdienen immer noch weniger als die Mannsbilder. Es gibt nicht genügend Frauen in Führungspositionen und Altersarmut ist weiblich. Es ist noch viel Luft nach oben!“ Ihre eigenen Erlebnisse sowie die ihrer Mitrednerinnen belegten dies auf vielfältige Weise. Schmidt selbst musste sich in den 60er Jahren als Programmiererin unter Männern durchsetzen – so wie unverändert Nicole Schindelar 2014 auf ihrem eigenen Schrottplatz, nachdem ihr Vater starb. „‘Ach süß‘, dachten Mitarbeiter und Geschäftspartner damals in Konferenzen“, erzählte sie. „Aber durch harte Arbeit und Lächeln habe ich die Gegner überzeugt. Emotionen, richtig kanalisiert, bringen einen als Unternehmer weiter.“ Lisa Loch erzählte noch einmal vom TV-Mobbing, unter dem sie als 16-Jährige zu leiden hatte – Moderator Stefan Raab hatte sie damals über mehrere Sendungen wegen ihres Namens erniedrigt. Lochs Familie klagte dagegen und gewann. „Ich bin froh, dass wir diesen Rechtsweg gegangen sind“, sagte die heutige Doktorandin und Sportjournalistin. Digital- und Diversity-Berater Robert Franken wiederum erklärte: „Kein Mensch bucht mich wegen Diversity. Wir nutzen das Digitalthema deshalb gerne mal zum richtigen Zeitpunkt als trojanisches Pferd für Gleichstellungsthemen.“



„Männer räumen nur den Platz, wenn er nicht attraktiv ist“

Zu wenig Zeit wegen familiären Engagements, zu wenig Selbstvertrauen, die Glasmauer der Männer, die irgendwann nach dem Studium im Berufsleben auftaucht – die Redner entdeckten mehrere wichtige Faktoren, die Frauen nach wie vor klein halten. Münch machte sich für Quoten stark und regte an, im Notfall auch an den Rechtsweg zu denken. „Männer räumen nur den Platz, wenn er nicht attraktiv ist“, schloss sie, „Frauen müssen sich deshalb auf Konflikte einlassen.“ Worauf Renate Schmidt die Lacher auf ihrer Seite hatte, als sie einwarf: „Was meinen sie, warum ich Parteivorsitzende der SPD in Bayern wurde?“

Herzlich gelacht wurde auch über Kabarettist Wolfgang Krebs, der zum Thema „Kann ein Mann Bundeskanzlerin werden?“ eine Impulsrede im astreinen Edmund-Stoiber-Stil hielt. „Liebe Schwesterinnen und Schwestern, liebe Bienen“, parodierte er die einfältige, intellektuell verbrämte Haltung vieler Traditionalisten und Chauvinisten, „ich kann mir gar nicht vorstellen, dass jeder Zweite eine Frau sein soll. Da kommen wir doch auf keinen grünen Zweig! Ich würde sagen, Bayern bleibt lieber ungerecht.“


Gerechtigkeit gibt es nur durch Parität



Wie es aber wirklich funktioniert, die Frauen den Männern gleichzustellen, daran erinnerte Daniela Neri-Ultsch von der Universität Regensburg. Sie zeichnete zur Ausstellungseröffnung die wichtigsten Meilensteine der Gleichberechtigung nach, immer im Gedenken an die ersten Frauen, die im Landtag ihre Arbeit taten: Ellen Ammann, die den Hitlerputsch 1923 mitverhinderte, oder Widerstandskämpferin Viktoria Hösl, deren Schwiegertochter Rosa an diesem Abend ebenfalls zu Gast war. Auch an die Bundespolitikerin Marie Juchacz, die vor genau 100 Jahren als erste Frau im Reichstag das Wort ergriff, erinnerte die Historikerin.
Bei einem anschließenden Rundgang durch die neuen Teile der Ausstellung erfuhren die mehreren Hundert Besucher dann interessante Details über die die wichtigsten Streiterinnen nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie auch über die neue Generation von bayerischen Politikerinnen, wie etwa Barbara Stamm, Margarete Bause oder Barbara Rütting. Sie schloss mit einem Zitat von Bundeskanzlerin Angela Merkel, das in diesem Fall jeder unterstrichen hätte: „Gerechtigkeit ist erst erreicht, wenn Parität auf allen Ebenen durchgesetzt wird".


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„Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort!“ – Frauen gestalten Politik in Bayern 1946 – 2016 und deren Erweiterung zu 100 Jahre Frauenwahlrecht

Ausstellungsdauer: 20. Februar 2019 bis 22. März 2019

Öffnungszeiten:
Öffnungszeiten sind Montag bis Donnerstag von 9 bis 16 Uhr und Freitag von 9 bis 13 Uhr sowie sonntags im Rahmen der zum Sonntagscafé angebotenen Hausführungen in der Zeit zwischen 13 und 15 Uhr. Größere Besuchergruppen werden gebeten, sich vorher anzumelden; Informationen dazu auf unserer Homepage unter

Info-Service / „Ihr Besuch im Landtag". Wir möchten darauf hinweisen, dass in wenigen Ausnahmefällen beim Zugang zur Ausstellung aus parlamentarischen Gründen oder wegen eines erhöhten Besucheraufkommens mit Wartezeiten zu rechnen ist.
 
Öffentliche Verkehrsmittel:
U4/U5 Haltestelle Max-Weber-Platz / Straßenbahnen 19/21 Haltestelle Maximilianeum
 
Der Eintritt ist frei.

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