Das Volk und seine Vertreter – wie geht es weiter?

Landtag startet Veranstaltungsreihe zum Thema „Rolle und Zukunft der Landesparlamente“


21. Mai 2014


Von Zoran Gojic  

Eine Meinung zum Parlament und zu den Abgeordneten, die darin arbeiten, hat beinahe jeder. Oft genug keine allzu gute. Politiker müssen viel aushalten. In den Medien, bei Begegnungen mit Bürgern, im politischen Alltagsgeschäft. Wie kann man das Bild der Parlamentarier in der Öffentlichkeit verbessern, wie transparenter machen, was ein Landtag eigentlich genau tut? Und vor allem: Wie soll es weitergehen mit dem Landtag in einem Europa, das immer enger zusammenwächst und in dem wichtige politische Entscheidungen deshalb notwendigerweise auf supranationaler Ebene getroffen werden? Auf Initiative von Landtagspräsidentin Barbara Stamm sollen in der neuen Veranstaltungsreihe „Rolle und Zukunft der Landesparlamente“ diese Fragen von ausgewiesenen Fachleuten behandelt werden.

Nachdenken über den Landtag der Zukunft

Das Symposion „Der Landtag und seine Abgeordneten – ihre Aufgaben und ihre Stellung in der Verfassung und ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Ein Widerspruch?“ markierte am 21. Mai 2014 den Auftakt der Reihe, den das Bayerische Fernsehen aufzeichnete und in der Reihe „Denkzeit“ ausstrahlen wird. Landtagspräsidentin Stamm betonte in ihrem Grußwort, dass diese Veranstaltungsreihe keineswegs ein Fachzirkel für wenige Eingeweihte sein soll, sondern auch die Öffentlichkeit und andere Landesparlamente zum Nachdenken und Diskutieren anregen soll. „Wir haben ganz bewusst den Bayerischen Rundfunk als Partner an unserer Seite gewählt. Denn wir wollen unsere Rolle transparent und in der breiten Öffentlichkeit diskutieren. Darüber hinaus möchten wir aus dieser Reihe auch Impulse für unsere Arbeit mitnehmen. Ich bin sicher, dass dies auch für die Kolleginnen und Kollegen anderer Landesparlamente von großem Interesse ist. Das zeigt bereits, dass Gäste aus den Parlamentsverwaltungen in Berlin, Bremen, Düsseldorf und sogar Zürich zu dieser besonderen Veranstaltung gekommen sind“, erklärte Stamm.

„Der Landtag sollte das Herz der Demokratie sein"

Mit einem provokanten Impulsreferat leitete Dr. Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, die Diskussion ein. „Der Landtag sollte das Herz der Demokratie sein, aber er ist es leider nicht“, behauptete Prantl und beklagte die schwindenden Gestaltungsmöglichkeiten der Parlamente. Die Schuldenbremse und andere ökonomische Zwänge ließen den Landtagen keinen Raum mehr, eigenständige Akzente zu setzen. Dafür wäre eine Steuergesetzgebungskompetenz notwendig, die der Bund aber komplett unter seiner Kontrolle habe. „Stellen Sie sich das vor: In Bayern kann der Landtag nicht einmal die Höhe der Biersteuer bestimmen“, sagte Prantl. Und er forderte eine stärkere Rolle der Landtage. „Landtage bedeuten mehr Demokratie, mehr Bürgernähe, mehr politische Stabilität und mehr Heimat“, führte Prantl aus und forderte eine Reform der Föderalismusreform.

Zu viel Folklore, zu wenig Macht?

In der anschließenden Diskussion widersprach der frühere Landtagspräsident Alois Glück entschieden. Die Verengung von Landespolitik auf das Geschehen im Landtag greife zu kurz und er lehnte auch die Verteilung der Steuerkompetenzen an die Landtage ab. Damit wachse die Gefahr der ohnehin schon bestehenden Ungleichheit der Länder durch den Wettbewerbsdruck. Reichere Bundesländer könnten mit niedrigen Steuersätzen Standortpolitik betreiben, warnte Glück. Zudem erfülle der Landtag als Bindeglied zur Kommunalpolitik eine sehr wichtige Scharnierfunktion, die man nicht unterschätzen dürfe, auch hinsichtlich der Identifikation mit den Regionen.
Prof. Dr. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing, beklagte, der Föderalismus in Deutschland trage oft Züge von Folklore und werde von den Interessen der großen Bundesparteien nicht gefördert. Zudem gebe es in der öffentlichen Meinung einen unauflösbaren Widerspruch zum Wesen des Föderalismus. „Die Länder sollen eigenständig handeln, sich aber nicht voneinander unterscheiden. Beides gleichzeitig geht aber nicht“, stellte Münch fest. Prantl freilich kritisierte „Holzkopf-Föderalismus“, wenn Länder etwas anders täten als andere, einfach nur, um es anders zu machen.

Einig, immerhin, war man sich in der Einschätzung des Kräfteverhältnisses zwischen Exekutive und Legislative: In der Wahrnehmung dominiere immer die Exekutive und das seit jeher. Umso wichtiger sei die Kontrolle der Regierungen durch die Parlamente, fand Prantl und wies auch darauf hin, dass der Landtag durch das Petitionswesen einen Vorteil habe – den direkten Kontakt zum Bürger. Umso bedauerlicher sei es daher, dass Abgeordnete oft wie „Hausschweine der Demokratie“ behandelt würden. Die Vorurteile gegen Volksvertreter würden durch die Medien genährt, räumte Prantl ein. „Selbstkritik ist auch bei Journalisten notwendig“, stellte Prantl fest. Münch konstatierte, das Problem liege auch in der komplexen Aufgabenverteilung der Politik. „Den Menschen klar zu machen, auf welchen verschiedenen Ebenen Politik stattfindet und wo welche Entscheidungen getroffen werden, ist unglaublich schwer transparent zu machen“, so Münch. Die Frustration auf beiden Seiten damit beinahe zwangsläufig vorprogrammiert.

Fazit: Die Abgeordneten arbeiten viel, werden aber selten wahrgenommen und müssen gegen eine personell hochgerüstete Exekutive ankommen. Gleichzeitig, warf Alois Glück ein, steige der Druck auf die Abgeordneten. „Der menschliche Preis für Ämter wird immer größer“.

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