24.03.2011 - Eltern-Kind-Entfremdung: Fachgespräch und Fotoausstellung im Maximilianeum

Rund 300.000 Kinder geraten jährlich zwischen die Fronten von sogenannten „Rosenkriegen“. Wenn Ehen und Partnerschaften zerbrechen, verlieren über 40 Prozent der davon betroffenen Kinder dauerhaft den Kontakt zu ihrem Vater oder ihrer Mutter. Sie werden zu „Halbwaisen“, weil der anwesende Elternteil den Umgang mit dem abwesenden Elternteil gezielt boykottiert. Die Kinderkommission des Bayerischen Landtags hat das Thema am 24. März in einem Fachgespräch mit Experten aufgegriffen, darunter Vertreter der Staatsregierung, des Verbands Anwalt des Kindes (VAK), PAS-Eltern e. V. (Allen Kindern beide Eltern!) und Väteraufbruch für Kinder (VAfK). Im Vorfeld der Diskussion eröffnete Christine Stahl, IV. Vizepräsidentin des Bayerischen Landtags, die Fotoausstellung „Eltern-Kind-Entfremdung – Bilder sagen mehr als 1000 Worte“.

Der Fotograf und betroffene Vater Gerhard Scheidig hat das Thema in 17 aufrüttelnden Bildern künstlerisch verarbeitet. Die Idee, die Bilder in einer Ausstellung zu präsentieren, entstand bei einer Mitgliederversammlung von PAS-Eltern e.V., dessen Vereinsziel es ist, die Öffentlichkeit über die negativen Auswirkungen der Eltern-Kind-Entfremdung aufzuklären und eine Kultur des Hinschauens und Handelns entstehen zu lassen. Dazu soll es demnächst auch einen 30 Sekunden langen Kinospot geben, wie Vorsitzende Christiane Förster informierte.

Vizepräsidentin Christine Stahl bezeichnete bei der Ausstellungseröffnung die Trennung der Eltern als „ein für Kinder krisenhaftes Lebensereignis“. Beide Elternteile seien beim Auseinanderbrechen der Partnerschaft gefordert, dem Kind Schuldgefühle zu nehmen. „Eines verbietet sich dabei absolut, das Kind als Waffe gegen den bisherigen Partner zu missbrauchen“, betonte Christine Stahl. Sinnvoller sei es, bereits während des Trennungsprozesses einer Entfremdung entgegenzuwirken.

„Wie können Trennungsverfahren gestaltet werden, damit es nicht zu Verletzungen des Kindes kommt?“ Über diese Frage diskutierten im Anschluss betroffene Väter und Mütter unter der Leitung der Mitglieder der Kinderkommission mit den geladenen Experten.

Jürgen Rudolf stellte bei dem Gespräch die von ihm ins Leben gerufene „Cochemer Praxis“ vor. In ihrem Mittelpunkt steht die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller mit dem Trennungskonflikt befassten Institutionen. Es gehe vor allem darum, frühzeitig zu intervenieren und das familiäre Umfeld des Kinder zu erhalten: „Partnerschaften können zerbrechen, doch die gemeinsame Verantwortung der Eltern für das Wohl der Eltern bleibt“, betonte der ehemalige Familienrichter. Im deutschen System werde von den Behörden oft zu lange gewartet und hilflos zugeschaut, bedauerte auch Rafiq Iqbal. „Das Kind ist dann bereits in den Brunnen gefallen“, sagte der Vorsitzende des VAK Landesverbands Bayern. Dr. Rupert Priztl, ein betroffener Scheidungsvater, forderte die systematische Aus-, Fort- und Weiterbildung aller beteiligten Berufsgruppen. Außenstehende seien in Trennungsprozessen häufig überfordert und nicht ausreichend dafür ausgebildet, kindgerechte Entscheidungen zu treffen. Gerd Riedmeier, Referent beim Forum Mann und Frau, gab zu bedenken, dass der nebenbetreuende Elternteil systembedingt noch immer gegenüber dem hauptbetreuenden Elternteil benachteiligt werde.

Die Teilnehmer der Diskussionsrunde waren sich einig, dass mit der Veranstaltung der Kinderkommission ein mit Tabus behaftetes, aber gesellschaftlich sehr wichtiges Thema im Landtag aufgegriffen wurde. Das Recht des Kindes auf den ungehinderten Zugang zu beiden Elternteilen wird, wie Dr. Simone Stroymayr, Vorsitzende der Kinderkommission ankündigte, im Parlament weiter auf der Agenda stehen bleiben. /kh

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