14.05.2013 - Informationsgespräch der KiKo mit unbegleiteten, jugendlichen Flüchtlingen

In ihren Heimatländern Somalia und Afghanistan haben sie Schreckliches erlebt. Auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Vertreibung sind sie ohne Eltern oder Angehörige nach Deutschland gekommen und haben in der Bayernkaserne, im Münchner Norden, provisorisch Unterschlupf gefunden: 14 jugendliche Flüchtlinge schilderten in einem Fachgespräch der Kinderkommission im Landtag, wie ihr Alltag in der Erstaufnahmeeinrichtung – einem Provisorium, das für viele schon seit neun oder zehn Monaten andauert – aussieht. „Das ist kein richtiges Leben hier. Wir haben keine Hoffnung und keine Perspektive“, beschrieb der 18jährige Abdirezak aus Somalia die Situation der Jugendlichen vor Vertretern der Kinderkommission, des Sozialministeriums, der Regierung von Oberbayern und Mitarbeitern der Inneren Mission München sowie der Organisation „Refugio München“.

Von Dolmetschern übersetzt, berichteten die Flüchtlinge im Alter von 16, 17 und 18 Jahren vom Alltagsleben in der Münchner Bayernkaserne und zeichneten dabei ein eher düsteres Bild von den Verhältnissen. Es gäbe dort zu wenige und nur unzureichende sanitäre Einrichtungen und Kochgelegenheiten, die hygienischen Zustände seien insgesamt schlecht, erzählten die Jugendlichen. Die jungen Flüchtlinge beklagten sich außerdem über Lärm, Drogenkonsum und Gewalt während der Nachtstunden. „Wie soll man am nächsten Tag im Sprachkurs Vokabeln und Grammatik lernen können, wenn man die ganze Nacht kein Auge zugetan hat“, fragte der 18jährige Adirahman. Wegen der langen Wartezeiten auf den Transfer in eine Jugendhilfe-Einrichtung und der sich damit breit machenden Hoffnungslosigkeit gibt es bei den Jugendlichen auch immer mehr Fälle der Selbstverletzung. „Die anderen sollen sehen, was mit mir los ist“, sagte Khadem Hossain aus Afghanistan, der mit einer Rasierklinge seinen linken Oberarm verletzt hat.

Jürgen Soyer von der Organisation Refugio München wies bei dem Fachgespräch auf die traumatischen Erfahrungen hin, die viele jugendliche Flüchtlinge gemacht hätten. Nach dem erlebten Verlust von Sicherheit und Stabilität würde sich nun auch in der Erstaufnahmeeinrichtung oft kein Gefühl der Sicherheit oder Geborgenheit einstellen, woraus sich psychische Krankheiten entwickeln könnten, erklärte Soyer.

Andreas Herden von der Geschäftsstelle Innere Mission München berichtete von der schwierigen, personellen Situation in der Münchner Erstaufnahmeeinrichtung. Zwar seien kürzlich vier neue Stellen bewilligt worden, allerdings hätte im Rahmen der Stellenausschreibung lediglich ein geeigneter Kandidat gewonnen werden können. Man behelfe sich zwischenzeitlich mit aufgestockten Stundenzahlen einzelner Mitarbeiter, so Herden, der insgesamt eine Verdreifachung des Personalschlüssels für notwendig erachtete. Verbesserungen seien laut Herden auch dann zu erwarten, wenn es gelänge, die Münchner Massenunterkunft in vier Einheiten zu unterteilen.

Mit Blick auf den zahlenmäßigen Anstieg von Jugendlichen in der Erstaufnahmeeinrichtung berichtete Tobias Hock vom Sozialministerium von einer kontinuierlichen personellen Aufstockung sowie von Verlängerungen bei bestehenden befristeten Verträgen von Mitarbeitern. Das Sozialministerium werde dazu in den nächsten Wochen ein Gesamtkonzept zur Unterbringung und Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge vorlegen, kündigte er an. Angesichts der relativ langen Wartezeiten der jungen Flüchtlinge auf einen Transfer in eine Einrichtung der Jugendhilfe gab Hock zu bedenken, dass deren Plätze in München begrenzt und Verfügbarkeiten über ganz Bayern verteilt seien. Erschwert werde die Situation dadurch, dass viele in München gelandete Flüchtlinge nicht bereit seien, aus der Landeshauptstadt wegzugehen, um in einem anderen Landesteil, etwa in Oberfranken, unterzukommen.

Mitglieder der Kinderkommission nutzten das Informationsgespräch im Landtag, um direkt Fragen an die jugendlichen Flüchtlinge richten zu können – etwa nach der Möglichkeit, Sprachkurse zu belegen, nach der Verfügbarkeit von Taschengeld oder nach der Behandlung durch den Wachdienst. „Wir nehmen Eure Probleme ernst“, versicherte Brigitte Meyer, Vorsitzender der KiKo, und versprach, dass das Gremium sich weiterhin für Verbesserungen in der Erstaufnahmeeinrichtung stark machen werde. /kh

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