13.06.2012 - „Wir wollen ein normales Leben“ – minderjährige Flüchtlinge berichten von ihren Erfahrungen

– Von Zoran Gojic –

„Der Titel dieser Ausstellung – STATUS – könnte treffender kaum sein: Er steht zum einen für die rechtliche Einordnung auf dem Papier und zum anderen für die Befindlichkeiten und Seelenzustände dieser jungen Menschen“, sagte Landtagspräsidentin Barbara Stamm zur Eröffnung der Ausstellung. Der Münchner Fotograf Max Kratzer hat in Zusammenarbeit mit der Flüchtlingshilfsorganisation REFUGIO minderjährige Flüchtlinge zu verschiedenen Zeitpunkten ihres Aufenthalts porträtiert und Verzweiflung, Ratlosigkeit, manchmal aber auch Hoffnung und Lebensfreude in den Gesichtern der Jugendlichen eingefangen. Zudem ließ er die Jugendlichen selber Fotos von ihrer Umgebung, ihren Freunden, ihrem Alltag machen. „Der Umfang dieser Ausstellung ist nicht groß, aber die Botschaft einprägsam: Wir sind aufgerufen, gute Rahmenbedingungen für diese Kinder und Jugendliche in unserem Land zu schaffen – Rahmenbedingungen, die helfen und unterstützen, damit gerade auch diese jungen Menschen ihr Recht auf ein würdiges Leben mit allen Chancen wahrnehmen können“, kommentierte Barbara Stamm die gezeigten Fotos der Ausstellung.

„Es gibt kein Konzept für den Umgang mit diesen jungen Menschen"

Im Anschluss diskutierte die Vorsitzende der Kinderkommission, Claudia Stamm, mit dreien der jugendlichen Flüchtlinge, die auf den Fotos zu sehen sind, sowie REFUGIO-Geschäftsführerin Anni Kammerlander und Else Huber vom Innitiativkreis Migration Rosenheim über die Situation und die Perspektiven der „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge“ wie die jungen Menschen offiziell heißen. Else Huber vermisste den echten Willen, die oft bedrückende Situation der jungen Flüchtlinge zu verbessern: „Es gibt kein Grundkonzept für den Umgang mit den jungen Menschen, das ist das Grundproblem.“ Kammerländer bekräftigte dies und wies darauf hin, dass es an sich ausreichend Regeln gebe, um das Leben der jungen Flüchtlinge erträglicher zu machen. „Aber man muss diese Regeln auch umsetzen wollen“, kritisierte Kammerlander. Dies gelte umso mehr, als die Zahl der jungendlichen Flüchtlinge dramatisch angestiegen sei. Die Betroffenen selbst äußerten ihre Dankbarkeit für die ehrenamtlichen Unterstützer vor Ort. Lamin, heute 19, aus dem Senegal bedankte sich ausdrücklich bei REFUGIO für die Unterstützung, auch als es darum ging die Sprache zu lernen. „Ich wollte unbedingt Deutsch lernen, das war für mich das wichtigste“, erklärte Lamin. Darauf müssen die jungen Flüchtlinge aber drei Monate warten, mitunter sogar länger.

„Ich wollte nur weg - ich hatte kein Ziel"

Die Jugendlichen auf dem Podium des Senatssaals wollten sich nicht beschweren, aber in einigen Sätzen war zu spüren, wie schwierig sie ihre Situation oft empfunden haben, auch wenn sie heute im Rückblick mit Ironie darüber sprechen. Etwa über die Essenspakete, auf die sie zu Beginn angewiesen waren, weil sie nicht selbst einkaufen durften. Der mittlerweile 19-jährige Hassan aus Afghanistan bemerkte dazu lakonisch: „Da waren Sachen drin, die ich danach später nie wieder in irgendeinem Geschäft gesehen habe. Ich weiß nicht, was das war.“ Und Nayib, heute 18 und ebenfalls aus Afghanistan, reagierte auf die Frage, weshalb er ausgerechnet nach Deutschland gekommen sei, mit einem trockenen: „Hier ging mir das Geld für die Weiterreise aus.“ Außerdem, und damit wurde es wieder sehr ernst, habe er kein echtes Ziel gehabt. „Ich wollte nur weg aus Afghanistan und überall, wo ich danach hinkam, wollte man mich nicht.“

Nayib aus Afghanistan hat einen Traumberuf: Polizist

In Deutschland geht es ihnen nach anfänglich schwieriger Anfangszeit in Erstaufnahmeeinrichtungen den Verhältnissen entsprechend gut. Sie beherrschen die Sprache, haben die Schule abgeschlossen und sehen nach vorne. Hassan beginnt dieses Jahr eine Ausbildung zum Industriemechaniker und möchte, wie er sagt, „einfach nur ein normales Leben führen“. Nayib hofft ebenfalls auf einen Ausbildungsplatz, aber angesichts seines unsicheren Aufenthaltsstatus sei es schwierig, einen Arbeitgeber zu finden, der sich auf das Risiko einlasse, einen Auszubildenden einzustellen, der jederzeit ausgewiesen werden könne. Seinen Traumberuf kann er momentan ohnehin nicht erlernen. „Ich wollte eigentlich immer Polizist werden“, erklärte Nayib. Einen Wunsch teilen alle: Sie wollen in Deutschland bleiben. Alles andere wäre auch eine fahrlässige Verschwendung des Potentials junger Menschen, erläuterte Kammerlander. „Wir vergeben hier eine große Chance, wenn wir die Ressourcen dieser jungen Menschen nicht nutzen, indem wir ihnen die Chance verwehren zu lernen und sich zu entwickeln. Wir brauchen diese jungen Menschen“, betonte Kammerlander.

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