Rede zur Ausstellungseröffnung der „Orte der Demokratie in Bayern“ am 9. März 2023 in Vilshofen an der Donau

Mit einer Vernissage hat Landtagspräsidentin Ilse Aigner im Rathaus Vilshofen die vierte Station der Wanderausstellung „Orte der Demokratie in Bayern“ eröffnet. Vilshofen gilt als Geburtsstätte des Politischen Aschermittwochs. In einem Streifzug beleuchtet die Ausstellung insgesamt 13 ausgewählte Orte im ganzen Freistaat und würdigt ihre wichtigen Beiträge zur Entwicklung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Es gilt das gesprochene Wort.

Florian Gams,
Rudolf Emmer,
Cornelia Wasner-Sommer,
Walter Taubeneder,
Oskar Atzinger,
Christian Flisek,
Vertreterinnen und Vertreter aus dem Stadtrat,
aus dem Bezirksrat sowie aus der Verwaltung,
Trägerinnen und Träger der Bürgermedaille,
Manfred Schwarzmeier,
Vertreterinnen und Vertreter der Medien,

Damen und Herren,

ich schließe mich der Begrüßung durch Bürgermeister Gams an und heiße Sie alle auch von meiner Seite sehr herzlich willkommen!

 

Meine Damen und Herren,

hier in Niederbayern,
am Rande des südlichen Bayerischen Waldes,
wo Vils und Wolfach in die Donau münden,
ist es idyllisch und wunderschön.

Aber hinter dieser schönen Ansicht „brodelt“ es richtig.
Vilshofen – ist eine durch und durch politische Stadt.
Mit einer langen Tradition.
Von den Fehden zwischen den niederbayerischen Grafengeschlechtern im 13. Jahrhundert über den politischen Schlagabtausch zwischen den Parteien im 20. Jahrhundert, bis heute – wo Niederbayern für einen Tag zur Festzelt-Arena der Parteien wird, stellvertretend für das ganze Land.

Vilshofen hat die Streitkultur, hat die Debattenkultur in unserem Land entscheidend geprägt.
Vilshofen ist „ein Ort der Demokratie in Bayern“!
Es ist der vierte Ort, an dem wir unsere Wanderausstellung feierlich eröffnen.
Zwei Wochen nach dem politischen Aschermittwoch.
Heiß ging’s wieder her – im Wahljahr und nach Corona.
Endlich waren Säle und Stimmung wieder am Anschlag.

 

Demokratie lebt von der Debatte – die darf ruhig leidenschaftlich geführt werden.
Gut so!

Und wie so vieles verdanken wir auch das den Bauern.
Der Bayerische Bauernbund hatte am 5. März 1919 zu einer „Volksversammlung“ eingeladen.
Schon seit dem 16. Jahrhundert gab es hier am Aschermittwoch einen Viehmarkt. Den gibt es heute nicht mehr, aber den politischen Aschermittwoch – den gibt es immer noch. Auch wenn die größte Veranstaltung inzwischen von der einen Drei-Flüsse-Stadt in die andere Drei-Flüsse-Stadt im Dreiländereck umgezogen ist.

Der Aschermittwoch ist in Bayern kein gesetzlicher Feiertag. Aber er steht als „Stiller Tag“ im Gesetz. Nun, für die Politik lässt sich das so nicht feststellen. Aber wie gesagt: Das ist schon gut so!

Der politische Aschermittwoch ist das Hochamt des Stammtisches.
Und Stammtisch ist mehr als ein Biertisch.

  • Stammtisch ist gesellige Ausgelassenheit,
  • Stammtisch ist Austausch – Begegnung – Diskussion.
  • Stammtisch ist gelebte Demokratie.

Stammtisch ist der Gegenentwurf zur Filterblase im Netz!

 

Lieber Florian Gams,

in Vilshofen ist man zu Recht stolz auf die Heimatstadt und auf die demokratische Vergangenheit. Wir sehen: Der Weg zu unserer modernen parlamentarischen Demokratie in Bayern beginnt keineswegs erst nach 1945, wie viele glauben.

Aber: Das Ringen um Demokratie ist noch nicht zu Ende. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Sie wird bedroht.

 

Zum einen von außen: Der verbrecherische Angriffskrieg gegen die freie, souveräne Ukraine ist auch ein Angriff auf Freiheit und Demokratie in Europa. Deswegen steht die freie Welt so entschieden an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer. Weil wir wissen: Wir müssen Unterdrückung und Tyrannei mit aller Kraft zurückdrängen. Andernfalls – da bin ich fest überzeugt – wird es noch weitere Opfer geben.

Nein, die Freiheit muss diesen Krieg gewinnen!

 

Aber die Demokratie wird auch von innen bedroht. Seit Jahren machen die Feinde unserer Verfassung mobil.  Themen wie Flucht und Migration aber auch die Pandemie werden im Kampf gegen unsere Werte ebenso missbraucht wie Putins Krieg.

Speziell in der Mischung sind Krisen ein Nährboden für Populisten und Extremisten. Sie spüren Verunsicherung. Schüren Angst. Spulen schlichte Antworten ab. Destabilisieren mit Polemik und Spaltung die Demokratie.

 

Wohin die radikale Ablehnung von Demokratie führen kann, haben wir zuletzt in Brasilien gesehen. Wo Bolsonaro auf den Spuren von Trump wandelt. Ihre Anhänger stürmen die Parlamente – voller Hass, selbstbesoffen, mit brutaler Gewalt.

 

Das ist nicht Geschichte. Das passiert im Hier und Jetzt.
Und machen wir uns nichts vor: Auch bei uns gibt es Bewegungen, die dort Vorbilder sehen.

 An den Reichsbürgern ist es offenbar geworden:

Es gibt Gruppierungen,

  • die unseren Staat verachten.
  • Die unsere Gesetze ablehnen.
  • Die den Umsturz planen und ein neues Reich begründen wollen.

Der Prinz und sein Gefolge – fast wäre es zum Lachen. Aber es ist brandgefährlich. Weil die das todernst meinen!

 

Und ja, bisweilen erleben wir diese Unversöhnlichkeit auch in den Parlamenten. Der Ton ist rauer.

Es zeigt sich: Reichsbürger und Querdenker haben einen politischen Arm. Aber wir halten dagegen!

 

Ja, Demokratie ist bisweilen behäbig, anstrengend. Demokratie ist, wie schon Sir Winston Churchill sagte: „die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen.“

Für mich steht fest: Wir müssen für unsere Demokratie werben. Demokratie ist eine Errungenschaft. Eine Gabe.

Vor allem aber: eine Aufgabe. Und der habe ich meine Präsidentschaft gewidmet.

 

Mit der Reihe „Orte der Demokratie in Bayern“ haben wir als Bayerischer Landtag ein neues Kapitel der Erinnerungskultur und Demokratiebildung aufgeschlagen. Wir machen nach und nach in ganz Bayern Orte der Demokratie sichtbar und erlebbar. Orte, an denen bayerische Demokratiegeschichte geschrieben wurde.
Wie hier in Vilshofen.

 

Trotz aller Krisen zeigt unser Projekt ganz klar: Wir haben Stoff zur Identifikation: echte Heldengeschichten, mit hehren Idealen und mutigen Kämpfen. Wir wissen demokratische Fortschritte zu würdigen. Daraus erwächst die Stärke unserer Demokratie heute!

 

Mein besonderer Dank gilt den wissenschaftlichen Begleitern dieses Projekts, die uns mit Rat und Expertise zur Seite stehen. Vor allem den beiden Vorsitzenden: Professor Ferdinand Kramer und Dr. Ludwig Spaenle.

 

Ich danke unserer Ausstellungskuratorin Laura Mokrohs, die im Anschluss für Gespräche zur Verfügung steht. Sie hat klassische Ausstellungsmethoden und interaktive Medienangebote geschickt kombiniert. Das Mittel: Graphic Novels, also sprechende Bilder. Zeitlich und räumlich weit auseinanderliegende Ereignisse verbinden sich zu einer Geschichte. Das ist ein kreativer und lehrreicher Ansatz!

 

Von den Macherinnen und Machern zu unseren starken Partnerinnen und Partnern vor Ort: Unser Freistaat ruht auf starken Städten und Gemeinden. Sie sind das Rückgrat der Demokratie.

Lieber Florian Gams,
liebe Cornelia Wasner-Sommer,
gemeinsam haben wir hier ein großartiges Projekt zur Demokratiebildung gestemmt!

Ein wesentliches Element ist, neben der Ausstellung,
die Gedenkstele, die wir an der Unteren Donaulände enthüllt haben.

Mehr zu seiner Entstehung zeigt der folgende Film.
 

In der Ausstellung sind weitere Filme zu sehen – etwa zur Entstehung der Graphic Novels und auch zu Vilshofen als Ort der Demokratie.

 

Meine Damen und Herren,

der Würfel steht für den historischen Verfassungswürfel. Er betont den Gleichheitsgedanken in der Demokratie und die unterschiedlichen Facetten von Demokratie. Und er betont: Demokratie braucht engagierte Demokratinnen und Demokraten. Ich, du, wir – so ist zu lesen – alle sind gefragt!

Aufgefordert zum Einsatz für unsere Demokratie!

Und schließlich: Das klare Bekenntnis zu unserer Verwurzelung – in unserer bayerischen Heimat, in einem stabilen Deutschland und in einem vielfältigen Europa.

Mein herzlicher Dank gilt den Künstlern: Sabine Ackstaller und Moritz Schweikl.
Sie haben mit ihrem Wettbewerbsbeitrag überzeugt. In der Stele verbinden sich kreative Gestaltung, zeitlose, wertige Ästhetik und solides Handwerk. Und sie ist ein durch und durch bayerisches Werk:

  • Von einem bayerischen Künstlerpaar gestaltet,
  • im Straubinger Traditionsunternehmen Anton Gugg gegossen
  • und auf Kelheimer Marmor gefasst.

Ein gutes Stück Bayern –
für das Beste, was wir haben:

die Demokratie.

 

Meine Damen und Herren,

die „Orte der Demokratie“ sind nicht nur ein Anlass zurückzublicken in die Vergangenheit. Sie sind angesichts der Krisen in Europa und der Welt auch ein Auftrag für die Zukunft! Für den verantwortungsvollen Umgang mit unserem Erbe: Stehen wir für unsere Werte ein – wann immer und von wem auch immer sie bedroht sind!

Demokratie braucht Mut.
Demokratie braucht Tatkraft.
Demokratie braucht Bekenntnis und Einsatz.
Nehmen wir die Demokratie nicht als selbstverständlich. Sie ist es nicht!

Wir tragen gemeinsam Verantwortung dafür, in Demokratie, Freiheit und Frieden zu leben!

Die jungen Menschen werden in einer anderen Welt groß als wir in der Nachkriegsgeneration.

Geben wir ihnen geistigen Proviant mit auf den Weg:

  • Werte,
  • Heimat
  • und die Gewissheit:
    Aus dem Wissen um das „Woher?“
    schöpfen wir die Kraft für das „Wohin?“.

In diesem Sinne wünsche ich der Ausstellung „Orte der Demokratie in Bayern“ auch hier in Vilshofen von Herzen großen Erfolg und viele interessierte, begeisterte und nachdenkliche Besucherinnen und Besucher.

Vilshofen ist immer eine Reise wert – jetzt erst recht!

Damit darf ich sie jetzt in die Hände von Andreas Hesse übergeben, dem Leiter unserer Öffentlichkeitsarbeit,
der Sie jetzt durch die Ausstellung führen wird. 

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