Rede zum Trauerstaatsakt für Landtagspräsidentin a.D. Barbara Stamm

Mit einem Pontifikalrequiem und Trauerstaatsakt hat Bayern Abschied von seiner ehemaligen Landtagspräsidentin Barbara Stamm genommen. Stamm war mit 77 Jahren nach längerer Krankheit in Würzburg verstorben. Zu dem Trauerstaatsakt im Würzburger Dom hatte Landtagspräsidentin Ilse Aigner geladen.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Lieber Ludwig Stamm,

liebe Claudia, liebe Sissi, lieber Thomas Stamm,

verehrte Angehörige!

 

Sehr geehrter Herr Bischof Dr. Jung,

sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Geistlichkeit und Religionsgemeinschaften!

 

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

lieber Dr. Markus Söder,

 

sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Bayerischen Landtags, des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments,

 

sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

lieber Christian Schuchardt.

 

sehr geehrte Gäste aus den anderen Ländern und Nachbarstaaten!

 

Sehr geehrte Trauergemeinde!

„Ich habe so vieles erreicht, was ich nie gedacht hätte. Dafür bin ich dankbar.
Denn das stand ja nicht in meiner Geburtsurkunde drin.“

 

Dies hat Barbara Stamm einmal über sich selbst gesagt.

Die politische Karriere war ihr gewiss nicht in die Wiege gelegt.

Barbara kam aus einfachen Verhältnissen.

Sie hatte es nicht leicht:

eine Kindheit zwischen Elternhaus, Pflegefamilie und Heim.

Eine Religionslehrerin lieh ihr Geld für eine Ausbildung zur Erzieherin.

Dann öffneten sich Perspektiven,
dann – und erst dann – begann das Leben.

 

Was ihr als Kind widerfahren ist, das hat sie geprägt.

Das hat auch ihre Politik geprägt.

Ihre soziale Ader,

Ihr Verständnis für die Sorgen und Nöte der Menschen, aber auch ihre Stärke und Durchsetzungskraft –
all das lag tief in ihr selbst begründet.

Barbara Stamm hat früh gelernt zu kämpfen!

 

 

 

Sie mischte sich ein, wo sie es für notwendig erachtete,

hielt sich nie bedeckt.

Schweigen?

Nein – Barbara Stamm war eine Frau der klaren Worte.

Sie war Zeit ihres Lebens eine Kämpfernatur.

Sie ließ sich nicht unterkriegen.

Sie kämpfte!

  • Lange gegen ihre Krankheit.
  • Und noch viel länger für andere Menschen,
    besonders für Kinder in Not, sozial Schwache und Menschen mit Behinderung.

Barbara nahm sich jedes einzelnen Schicksals an –
so gut es ging.

Das hat sicher viel Kraft gekostet.

Barbara Stamm – sie war und sie bleibt für mich:
eine bayerische Löwin!

 

Barbara Stamm, das heißt fünf Jahrzehnte Politik aus Verantwortung.

Im Mittelpunkt stand für sie: der einzelne Mensch.

Für die Bürgerinnen und Bürger war sie deshalb immer ansprechbar:

  • Egal ob per E-Mail, Brief oder Postkarte, im Telefonat oder im persönlichen Gespräch,
  • ob am Stand auf dem Würzburger Marktplatz, beim geselligen Weinfest oder beim zünftigen Schafkopf,
  • in der Bürgersprechstunde oder beim Vereinsjubiläum.

Nahbar, verbindlich, zugewandt.

Barbara Stamm war mit vollem Einsatz und viel Herz eine Präsidentin für die Abgeordneten des Bayerischen Landtags.

Aber noch mehr war sie eine Präsidentin für das Volk!

 

Ihre Karriere kannte Höhen und Tiefen:

  • Stadträtin in Würzburg,
  • Mitglied des Bayerischen Landtags,
  • Staatssekretärin,
  • Staatsministerin,
  • stellvertretende Ministerpräsidentin,
  • und vor allem die erste Frau an der Spitze der bayerischen Volksvertretung – was für eine atemberaubende politische Wegstrecke!

 

Doch was aussieht wie eine steil nach oben verlaufende Linie, war nicht ohne Brüche.

Zum Beispiel als sie 1990 nicht Oberbürgermeisterin von Würzburg wurde – dafür wurde sie später Ehrenbürgerin, was sie als besondere Ehre empfand.

Oder als sie 2001 in der BSE-Affäre Verantwortung übernahm, ohne persönlich Schuld auf sich geladen zu haben.

Doch sie kam wieder:

Erst als Vizepräsidentin,
dann als Präsidentin des Bayerischen Landtags.

Als Repräsentantin eines obersten Verfassungsorgans.

Und ihre Worte hatten Gewicht –
ja, man hörte ihr zu.

Und man war immer gut beraten, wenn man auf sie hörte!

 

Und wie sie sich durchgesetzt hat!

Ihr politischer Lebensweg reicht weit zurück.

Das muss an dieser Stelle betont werden, weil er das Außergewöhnliche unterstreicht.

Sie war oft allein unter Männern,

unter denen, die das Sagen hatten,

unter politischen Alphatieren.

Die konnten mitunter bissig sein,

hatten vielleicht auch festgefügte Rollenbilder.

Aber sie hat die Muster aufgebrochen,

hat sich als Frau und Abgeordnete behauptet.

 

 

 

Barbara Stamm hat sich ihren Platz in der ersten Reihe erobert:

-       Mit viel Leidenschaft.

-       Mit viel Sachverstand.

-       Und vor allem mit großer Hartnäckigkeit.

 

Ich will festhalten – stellvertretend für die Generation, die ihr nachfolgte, für junge Frauen:

Barbara hat für die Rechte der Frauen wie eine bayerische Löwin gekämpft.

Sie war immer ein Vorbild,
und bleibt es – besonders für uns Frauen!

 

42 Jahre Mitglied des Bayerischen Landtags!

Und davon 10 Jahre seine Präsidentin!

Auch da ist die Liste ihrer Verdienste lang,

ich will nur einige nennen.

Sie hat den Bayerischen Landtag, der von hohen Mauern umgeben ist, geöffnet für die Bürgerinnen und Bürger.

Sie hat das Hohe Haus zu einem Ort der Transparenz und der Begegnung gemacht.

Damit hat sie unserer parlamentarischen Demokratie einen unschätzbaren Dienst erwiesen!

Und sie hat dafür gesorgt, dass der Bayerische Landtag ein Ort der Debatte ist, im wahrsten Sinne des Wortes.

Natürlich im Plenum,
aber auch indem sie immer wieder brisante Themen aufgegriffen hat.

Nicht im Sinne einer Nebenregierung, nein.

Doch als Impulsgeberin für die politische Agenda!

 

Und ein letzter Punkt:

Hinter verschlossenen Türen, nicht vor der breiten Öffentlichkeit, hat sie kein Blatt vor den Mund genommen.

Hatte sie einen Missstand erkannt, war sie nicht um klare Worte verlegen.

Weil sie da stets überparteilich agiert hat, hat sie nicht etwa an Unterstützung verloren.

Sondern an Autorität gewonnen.

Das ist ein Vermächtnis, auch für mich.

Barbara Stamm war eine Dienerin der Demokratie.

 

Meine Damen und Herren,

nicht jede Institution, nicht jede Organisation,
die Barbara Stamm viel zu verdanken hat, kann heute hier sprechen.

Aber mir ist es eine echte Herzensangelegenheit, ihnen eine Stimme zu geben.

Barbara war für sie wichtig.

Und diese Organisationen, ja, diese Menschen waren Barbara wichtig.

 

Um nur einige zu nennen:

 

Ich darf die Caritas zitieren:

„Not sehen und handeln – der Leitsatz der Caritas war das Motto für Barbara Stamm.“

 

Auch die Lebenshilfe Bayern konnte sich auf Barbara verlassen.

Ich zitiere den Vorstand:

„Für die Lebenshilfe war Barbara Stamm ein Geschenk.“

 

Ebenso machte sich Barbara für die bayerischen Volkshochschulen stark:

„Bildungspolitik ist die Sozialpolitik des 21. Jahrhunderts. – Diese Überzeugung war Grundlage für Barbara Stamms riesiges Engagement als Verbandspräsidentin und zuletzt als Ehrenpräsidentin für die bayerischen Volkshochschulen.“

 

Barbara stand auch fest hinter der Bayerischen Landesstiftung.

Ich zitiere:

„Barbara Stamm hat die Bayerische Landesstiftung zu dem gemacht, was sie heute ist: eine starke Stiftung im sozialen Bereich. Solidarität war ihr Herzensanliegen.“

 

Und Health Care Bayern e. V. sagt:

„Barbara Stamm war unsere Herzensmentorin, ein Vorbild für Haltung in schweren Zeiten.“

 

Die Brustkrebs-Patientinnen-Initiative mamazone – Frauen und Forschung gegen Brustkrebs e. V. berichtet:

„Seit über einem Jahrzehnt hat Barbara Stamm, unsere Schirmherrin, anderen betroffenen Frauen Mut gemacht, denn sie ging mit ihrer Brustkrebserkrankung offen und ehrlich um.“

 

Meine Damen und Herren,

Barbaras Herzenswärme und ihr unerschütterlicher Optimismus haben Licht ins Dunkel gebracht und Zuversicht geschenkt.

Das gilt ganz besonders für die Bayerische Kinderhilfe Rumänien.

Ich darf erneut zitieren:

„Mit ihrem menschlichen Gespür für die Not anderer hat Barbara Stamm 1990 als erste Politikerin die Not der Kinder in Rumänien – auf der Straße und in Heimen – erkannt, reagiert und Hilfen organisiert.

Barbara Stamm war ein Leuchtturm der Mitmenschlichkeit.“

 

Meine Damen und Herren,

Barbara ging es nie um Auszeichnungen.

Aber sie hatte sie alle, inländische wie ausländische.

In Anerkennung ihrer herausragenden Verdienste für Land und Menschen!

 

Einen Orden trug sie, den kleinsten von allen: das Abzeichen der Sternstunden.

Und das ist bezeichnend für Barbara,

die sich das Schicksal anderer Menschen zu Herzen nahm,

selbstlos.

Nicht auf den Schmuck kam es ihr an, sondern auf die Tat!

 

 

 

Ihr Lebenswerk soll nicht mit ihrem Tod enden.

Erst im August ist das „Zentrum für Pflege, Sozialberufe und Ehrenamt“ in Maria Bildhausen bei Münnerstadt gegründet worden.

Alten und schwerkranken Menschen ein würdiges Lebensende ermöglichen – das war ihr ein Herzensprojekt.

Ohne ihr Zutun wäre das Projekt wohl nie Wirklichkeit geworden.

Es wäre ein schönes Zeichen, wenn es
„Barbara-Stamm-Zentrum für Pflege, Sozialberufe und Ehrenamt“ heißen würde.
In Anerkennung der Verdienste von Barbara Stamm, diesem herzensguten Menschen!

 

Liebe Barbara,

ich verneige mich vor Deinem großen Lebenswerk.

Vor Dir als einer großen Tochter Bayerns,

vor Dir als einer bayerischen Löwin,

vor Dir als Dienerin der Demokratie!

 

In tiefer Trauer.

Mit aufrichtiger Dankbarkeit.

 

Barbara, in unseren Herzen lebst Du fort!

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