Gedenken im Bayerischen Landtag an die Opfer des Nationalsozialismus am 24. Januar 2024

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Zeitzeugen und Überlebende:  

  • Abba Naor
  • Ernst Grube
  • Herzog Franz von Bayern

 

Angehörige der Opfer, derer wir heute gedenken.

 

Ministerpräsident Dr. Markus Söder,
Mitglieder der Staatsregierung,
Kolleginnen und Kollegen aus dem Bayerischen Landtag,
Karl Freller, MdL,
Dr. Hans-Joachim Heßler,
Dr. Josef Schuster,
Erich Schneeberger,
Dominique Boueilh,

 

Vertreterinnen und Vertreter

  • des Konsularischen Corps,
  • der Kirchen und Religionsgemeinschaften,
  • aus Kultur und Gesellschaft,
  • aus den Verbänden und Vereinen
  • aus der Erinnerungsarbeit
  • und aus der Schulfamilie

 

Liebe Schülerinnen und Schüler

  • Insbesondere vom Gisela-Gymnasium,
    die wir später bei der Performance erleben;
  • und von der Realschule Puchheim, die heute hier sind, trotz des Schicksalsschlages vor wenigen Tagen:
    Ihr beliebter Schulleiter Herbert Glauz
    ist völlig überraschend verstorben.
    Seiner Familie und seiner Schulfamilie
    gilt mein aufrichtiges Beileid.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich danke Ihnen allen für Ihr Kommen!

 

„Auschwitz“
steht für die einzigartigen Menschheitsverbrechen
in deutschem Namen an Millionen von Menschen.

 

Den Tag der Befreiung des Vernichtungslagers nehmen
der Bayerische Landtag und
die Stiftung Bayerische Gedenkstätten zum Anlass,
um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken.

 

Wir gedenken:

  • der jüdischen Männer, Frauen und Kinder,
  • der Sinti und der Roma,
  • der Menschen mit Behinderungen,
  • der als homosexuell verfolgten,
  • der aus politischen Motiven ermordeten
  • und all der Menschen,
    die Opfer des NS-Regimes und
    des von Deutschland ausgegangenen Vernichtungskriegs wurden.

Wir geben ihnen ihren Platz zurück – in unserer Mitte.

Wir schauen hinein in den Abgrund der Unmenschlichkeit.

Wir bekennen uns zu unserer heutigen Verantwortung.

Und wir beteuern das
„Nie wieder!“

Und dann?
War´s das? Sicher nicht!

Abba Naor ist aus Israel angereist, um uns zu erzählen –

  • von seiner Deportation,
  • seiner Odyssee durch Lager und Zwangsarbeit,
  • der Ermordung seiner Mutter und seiner Brüder,
  • von seinem Schmerz – und seinem Lebenswillen.

Wir können Ihnen, lieber Abba Naor, nicht genug danken!

 

Denn mehr denn je ist uns in diesen Tagen klar:

Diese Geschichte endet nicht 1945.

Die Gegenwart ist der Geschichte nicht enteilt.

Das „Nie wieder!“ hat uns eingeholt.

 

Am 7. Oktober haben Hamas und Islamischer Dschihad brutal Jagd auf Menschen in Israel gemacht.

1.200 Kinder, Frauen, Männer, Babys und Greise.

Die Terroristen haben sie auf das Grausamste
gequält, verstümmelt, vergewaltigt, ermordet. 

Darunter Holocaustüberlebende und Friedensaktivisten.

Wer sie waren, spielte keine Rolle –
weil sie Juden waren.

Im Blutrausch hatten die Islamisten ein Vorbild:
die Nazis.

Und die Reaktionen auf den mörderischen Antisemitismus?

 

Ja, es gab und gibt großes Entsetzen und
eine starke Solidarität mit dem jüdischen Staat,
konkrete Unterstützung.

Besonders hierzulande.

Auch überraschend deutlich und ermutigend!

 

Doch zugleich erleben wir global ein erdrückendes Maß
an Antisemitismus – quer durch alle Bereiche.

Auch bei uns.

Wir erleben Judenhass mit und ohne Migrationshintergrund.

Und ja, überdurchschnittlich oft unter jenen Muslimen,
die unsere Werte ablehnen.

 

Und da will ich deutlich werden:

Wer Teil unseres Landes sein will,
muss Teil

  • unserer Erinnerungskultur sein,
  • unseres Kampfes gegen jeden Antisemitismus
  • und unseres Bekenntnisses zu Israel.

An dieser roten Linie enden Toleranz und Gastfreundschaft.

Ohne Wenn und Aber!

 

Was mich auch irritiert ist das Schweigen in Milieus,
die sehr schnell und absolut zurecht aufschreien,
wenn Menschen angefeindet werden:

  • aufgrund ihrer Hautfarbe,
  • ihrer Religion, ihres Geschlechts,
  • ihrer sexuellen Vorlieben oder Identität.

Oder bedrängt, wie die spanische Fußballspielerin, die der Verbandschef gegen ihren Willen auf den Mund küsste.

Die völlig berechtigte Empörung war enorm.

 

Aber umso mehr vermisse ich jetzt das Mitgefühl zum Beispiel für die israelischen Frauen,
die brachial vergewaltigt und dahingeschlachtet wurden.

Für diese Doppelmoral habe ich kein Verständnis!

 

Und ich kritisiere all jene, die mit einem verqueren Weltbild ausgerechnet den jüdischen Staat zum Feindbild machen.
 

Dabei ist es die Hamas, die den Krieg heute beenden kann,

  • indem sie den Raketenbeschuss und
    die Terroranschläge einstellt,
  • die Geiseln freilässt,
  • und endlich ihrem eigenen Volk den Weg frei macht
    für eine echte Perspektive und eine Zukunft.

Es ist doch ganz klar:

Wer gezielt Juden töten und
den sicheren Hafen für Juden in der Welt vernichten will,
tritt das Erbe der Nazis an!

 

Meine Damen und Herren,

am 21. Februar will ich - noch vor dem offiziellen Start -
bei Kino im Landtag den Film zeigen:
„The Zone of Interest“ –
über den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höss,
seine Frau Hedwig, ihre Kinder und
das, was sie „Paradies“ nennen:
ihr Haus mit Garten und Pool, direkt an der Betonmauer mit Stacheldraht zum Konzentrationslager.

In ihrem Idyll schalten sie das Grauen einfach aus –
obwohl unüberhörbar, unübersehbar.

Sie entscheiden sich gegen ein Gewissen, gegen Empathie.

Der Film ist eine Mahnung.

 

Wir wissen, wohin Faschismus führt –

  • Hass,
  • Rassismus,
  • Antisemitismus,
  • wahnhafte Ideologie.

Aber wir wissen auch, wie es anfängt.

Und wir sehen sie doch, die Anfänge.

Es ist unerträglich, wenn sich jüdische Menschen nicht trauen, als jüdisch erkennbar zu sein.

Deutschland muss sicher sein für Jüdinnen und Juden –
nur dann ist unsere Heimat unsere Heimat!

 

Wir müssen uns wehren gegen jede Form von Menschenverachtung.

Auch gegen Muslimfeindlichkeit
oder eben Antiziganismus.

Auch er wurde von den Nazis mörderisch ins Werk gesetzt.

Und hält sich hartnäckig in Teilen der Gesellschaft.

Ich danke den Schülerinnen und Schülern,

  • die sich dieses Themas angenommen haben.
  • Die nicht wegsehen.
  • Die klarmachen: Der Kampf gegen Diskriminierung
    ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
    Danke Euch!

 

In einem ideologischen System kann jeder morgen
der „andere“ sein –
der „falsch“ aussieht, „falsch“ glaubt oder „falsch“ liebt.

Demokraten müssen immer hinsehen,
wenn Menschen verachtet werden.

Da gibt es kein Zuwarten: Nie wieder ist jetzt!

 

Wenn radikale Kräfte Pläne zur Deportation
ganzer Bevölkerungsgruppen schmieden,
wird Geschichte zur Schablone.

Wir erkennen doch das Muster.

Die bewusste Anlehnung.

Und dann sind alle demokratischen Parteien in der Pflicht, sich diesen Plänen entgegenzustellen.

  • Mit einer Politik, die Probleme löst,
  • die Sorgen bannt,
  • und die die Menschen wieder begeistert
    für Demokratie und Freiheit und all das,
    wovon wir aus tiefstem Herzen überzeugt sind –
    zum Wohle der Menschen.

 

Demokratie ist eine Entscheidung.

  • Die Entscheidung, bei Unmenschlichkeit nicht wegzusehen, sondern einzuschreiten.
  • Die Entscheidung für Vielfalt, Kompromiss, Einheit –
  • für Einigkeit und Recht und Freiheit.

Und für diese Entscheidung kämpfen wir.

Das zeigen in diesen Tagen Hundertausende Bürgerinnen und Bürger auf unseren Straßen.

Es ist klar:
Damit ist es nicht getan,
aber es ist ein enorm wichtiges Signal!

 

Und:
In dem Ringen haben wir nun wieder ein Stück mehr Klarheit:

Ein stellvertretender Fraktionsvorsitzender hier im Hohen Haus hat das Ziel als „charmant“ empfunden,
mich persönlich zu beschädigen und zu „delegitimieren“ –

zugunsten eines mutmaßlichen Volksverhetzers und

Himmler-Verehrers in ihren Reihen.

Das hat Kollege Böhm offen bekannt - auf großer Bühne.

Und ich will sagen:

Das ist eine neue Qualität!

 

Sie hätten gerne die Festnahme Ihres Kollegen hier im Haus provoziert.
Vermutlich wegen der Bilder.

Und wegen der Empörung und des Hasses,
den Sie dann hätten säen können
auf Ihren Kanälen in den sozialen Medien.

Nachdem Ihr Kollege jüngst an dieser Stelle bereits von „Ermächtigungsgesetz“ schwadroniert hat,
treiben Sie damit die Täter-Opfer-Umkehr auf die Spitze.

Sie wagen die Parallele zu denen, die in der NS-Zeit weggesperrt wurden, gefoltert, ermordet.

Sie stellen sich mit ihnen auf eine Stufe.

Mit Opfern, die für Freiheit standen,
für Menschlichkeit
und für den Widerstand gegen die Nationalsozialisten.

Das ist ungeheuerlich!

 

Und noch etwas will ich dem Kollegen Böhm sagen.  

Er hat mir unterstellt, die AfD zu hassen.

Da irrt er.

Ich hasse nicht!

Das ist für mich überhaupt gar keine Kategorie.

Aber mein Herz schlägt

  • für unser Land,
  • für unsere Verfassung,
  • für unseren Parlamentarismus und
  • für unsere Demokratie.

Und als echte Patriotin
werde ich mich auch weiterhin zu Wort melden,
wenn ich unsere demokratischen Werte bedroht sehe!

Meine Damen und Herren,

dass bei einem Gedenken mehr über die Gegenwart zu sagen ist als über die Vergangenheit, spricht für sich.

 

Abschließend will ich mich aber nochmal
allein den Opfern zuwenden,

ihrem unendlichen Leid,
dem ungeheuerlichen Unrecht.

Wir dürfen sie niemals vergessen.

Ihr Andenken, ihr Vermächtnis ist das Fundament
unserer demokratischen Wehrhaftigkeit.

Diese Menschen bleiben ein Teil von uns!

 

Ebenso wie die Zeitzeugen, die unsere Erinnerungskultur in den letzten Jahrzehnten getragen haben.

 

Gleichzeitig nehmen wir die Perspektive
der zweiten und dritten Generation in den Blick.  

In den Familien der Opfer ist die Erinnerung an die Shoa Bestandteil des täglichen Lebens.

Das Schicksal der ermordeten und geretteten Angehörigen ist verinnerlicht - präsent wie eigene Erinnerungen.

Sie werden die Zukunft des Erinnerns mitprägen.

Dafür danke ich Ihnen schon heute.

 

Meine Damen und Herren,

mehr denn je spüren wir:

Gedenken ist

  • kein Ritual,
  • keine Routine.

Darf es nicht sein!

 

Gedenken ist

  • ein aktiver Akt,
  • ein Auftrag,
  • ein Bekenntnis,
  • ein bindendes Versprechen,
  • eine Warnung.

 

Nehmen wir das ernst, sehr ernst.

 

Nie wieder ist jetzt!

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