Gleichstellungspolitik: „Wir brauchen mehr Mut!“

München, 13.04.2021

Sozialministerin Carolina Trautner hat den sechsten Bericht der Staatsregierung zum Gleichstellungsgesetz vorgestellt. Im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes diskutierte sie mit den Abgeordneten über Erfolge und Defizite in der aktuellen Entwicklung zu mehr Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern.

Anhand der Ergebnisse des sechsten Berichts der Bayerischen Staatsregierung über die Umsetzung des Bayerischen Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern wird deutlich: Ressortübergreifend nehmen immer mehr Frauen eine Führungsposition ein. Jedoch zeigen die Ergebnisse auch, dass Führung in Teilzeit wenig verbreitet ist.

Frauenanteil von Beruf abhängig

Der Frauenanteil in der gesamten öffentlichen Verwaltung liegt bei 60,9 Prozent und ist damit seit Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetzes im Jahr 1996 kontinuierlich gestiegen (1999: 51,4 Prozent). Allerdings variiert der Frauenanteil in den verschiedenen Bereichen durchaus deutlich. Differenziert nach Verwaltungsbereichen ist in der Staatsverwaltung ohne Schul- und Polizeibereich das Verhältnis von Frauen und Männern insgesamt ausgeglichen (50,1 % Frauen, 49,9 % Männer). Im Schulbereich sind Frauen deutlich überrepräsentiert (71,8 %). Im Polizeibereich sind die Männer wesentlich stärker vertreten (75,0 %). Bei der Beamten- und Richterschaft stellen erstmals die Frauen mit 53,4 Prozent die Mehrheit der in diesem Bereich Beschäftigten.

Frauen verdienen weniger

Im Vergleich zum letzten Berichtszeitraum ist die Zahl der Frauen im öffentlichen Dienst des Freistaates erneut um 16.785 gestiegen, während die Anzahl der Männer um 1.818 zurückgegangen ist. Grund dafür ist, dass es einen höheren Frauenanteil bei den Neueinstellungen gibt und mehr Männer bei den älteren Jahrgängen, die in den Ruhestand gehen. Viele Neueinstellungen wirken sich dabei negativ auf das Durchschnittsgehalt aus. Dies wird durch einen Aufstieg in Führungspositionen noch nicht kompensiert. Einer der Gründe ist die Teilzeitanstellung. So verdienen Frauen in der öffentlichen Verwaltung durchschnittlich 234 Euro weniger als Männer (pro Monat; 2019: 317 Euro) – was u. a. mit unterschiedlichen Eingruppierungen zu tun.

Arbeitszeit beeinflusst Qualifikationsebene

Die Verbreitung von Teilzeitbeschäftigung hat sich im Vergleich zu 2014 kaum verändert. 42 Prozent aller Bediensteten in der gesamten öffentlichen Verwaltung sind in Teilzeit beschäftigt. Mehr als jede zweite Frau (57,6 Prozent) arbeitet in Teilzeit, dagegen weniger als jeder fünfte Mann (19,7 Prozent). Selbst in der höchsten Qualifikationsebene ist die Mehrheit der Frauen (51,15) teilzeitbeschäftigt. Dabei ist der Anteil teilzeittätiger Frauen in Führungspositionen mit knapp elf Prozent aber nur etwa halb so groß, wie ihr Anteil an der Vergleichsgruppe. Die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen beruht folglich im Wesentlichen (im Schulbereich sogar vollständig) auf der geringeren Beteiligung von Teilzeitkräften an Führungspositionen.

Appell an Ressorts

Carolina Trautner (CSU), Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, bezog bei der Vorstellung des Berichtes klare Position: „Ich appelliere an alle Ressorts, noch mehr über das Führen in Teilzeit nachzudenken. Ich bin überzeugt, dass wir diesen Spirit in die öffentliche Verwaltung tragen können, denn das Führen in Teams ist möglich – aber wir brauchen mehr Mut. Das dickste Brett, das wir zu bohren haben, ist dabei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“

Impulse gefragt

Auch Ausschussvorsitzender Wolfgang Fackler (CSU) betonte: „Wir haben eine Vorbildfunktion und wir werden uns nicht auf den Erfolgen, die der Bericht deutlich gemacht hat, ausruhen. Da geht noch mehr. Denn es wurde ebenfalls herausgestellt: Nichts ist Automatismus, sondern wir müssen die Dinge anschieben.“ Tessa Ganserer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), stellvertretende Ausschussvorsitzende, forderte eine Novellierung des Gleichstellungsgesetzes: „Wie der Bericht zeigt, kann von echter Gleichstellung nicht die Rede sein. Frauen müssen sich immer noch zwischen Kindern und Karriere entscheiden. Die Analyse macht deutlich, dass eine Teilzeitbeschäftigung bedeutet, nicht nur auf einen Teil der Besoldung, sondern auch auf Beförderung verzichten zu müssen. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir zu einer Novelle des Gleichstellungsgesetzes kommen werden.“

Sorgenkind Wissenschaft

Auch Dr. Simone Strohmayr (SPD) kritisierte das aktuelle Gleichstellungsgesetz als „zahnlosen Tiger“. Sie ergänzte: „Positiv ist, dass der Frauenanteil im öffentlichen Dienst zunimmt, aber in der Polizei ist der Anteil nur bei 25 % Frauen. Da müssen wir uns Gedanken machen, wie wir zu ausgeglichenen Verhältnissen zwischen Männern und Frauen kommen.“ Strohmayr empfahl, dass Frauen verstärkt für die Bewerbung von oberen Führungspositionen aufgefordert werden müssten. Andreas Jäckel (CSU) sprach eine weitere Empfehlung aus: „Wir brauchen ein Umdenken in der gesamten Gesellschaft, denn jeder muss auch zu diesen Themen stehen. Deshalb müssen wir mit solchen Berichten nachschärfen.“ Dr. Wolfgang Heubisch (FDP) bezog sich auf die Defizite im Bereich der Wissenschaft: „Auf der Ebene der Professoren ist der Frauenanteil nur bei 20 %, da sind wir in Bayern das Schlusslicht. Doch gerade bei den Frauen liegt für zukünftige Entwicklung unglaubliches Potential. Da müssen wir rechtzeitig gegensteuern.“

Weiterentwicklung des Berichtes

Der vorliegende Untersuchungsbericht wurde durch das unabhängige Internationale Institut für Empirische Sozialökonomie gGmbH (INIFES) erstellt. Der Gleichstellungsbericht bilanziert die Erreichung der Ziele des Gleichstellungsgesetzes im Zeitraum zwischen den Jahren 2014 bis 2018 sowie die Entwicklung seit dem vorangegangenen 5. Bericht (Berichtszeitraum 2009 bis 2014). Erstmals wurde in diesem Bericht zur Beurteilung der Beteiligung von Frauen auf Führungsebene für die Staatsverwaltung neben den Frauen- und Männeranteilen in Führungspositionen jeweils die Frauen- und Männeranteile in der Vergleichsgruppe ausgewiesen.

Hintergrund: Das Gleichstellungsgesetz

Zielvorgaben des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes von 1996 sind die Erhöhung des Frauenanteils in den Bereichen, in denen Frauen in erheblich geringerer Zahl beschäftigt sind als Männer, die Sicherung der Chancengleichheit von Frauen und Männern sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mit dem Änderungsgesetz aus dem Jahr 2006 wurden als weitere Zielvorgaben aufgenommen: Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, das Hinwirken auf Beseitigung bestehender Nachteile sowie die Berücksichtigung der Chancengleichheit in allen Aufgabenbereichen als durchgängiges Leitprinzip. Zum Ende des Jahres 2019 wurde im Landtagsamt das sechste Gleichstellungskonzept vorgestellt. Demnach ist der Anteil der im Landtagsamt insgesamt beschäftigten Frauen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 2009 betrug der Frauenanteil 53 %, im Jahr 2014 bereits 57 %. Zum Stichtag 30.06.2019 waren nunmehr 60 % aller beschäftigten Personen im Landtagsamt Frauen.

Die Ausschuss-Sitzungen werden aktuell auf dem YouTube-Kanal des Bayerischen Landtags im Livestream übertragen: https://www.youtube.com/user/BayernLandtag

Die Tagesordnungen zu allen Ausschuss-Sitzungen finden Sie unter Aktuelles/Tagesordnungen und Sie kommen hier direkt zum Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes.

/ AS

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