„Stand der Infrastrukturvorbereitung bei den zur Reaktivierung anstehenden Eisenbahnstrecken“

Fachgespräch im Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr

23. Februar 2021

MÜNCHEN.       Derzeit sollen in Bayern 25 stillgelegte Eisenbahnstrecken wieder reaktiviert werden. Der Verkehrsausschuss ließ sich nun von fünf Vertretern verschiedener Eisenbahnunternehmen anhand einiger Eisenbahnlinien exemplarisch den Sachstand erläutern.

Zunächst informierte Bärbel Fuchs, Geschäftsführerin der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG), die Runde unter dem Vorsitz von Sebastian Körber (FDP), welche Strecken im Moment überhaupt im Ausbau sind. Als die drei fortgeschrittensten Projekte nannte sie die Nördliche Staudenbahn von Gessertshausen bis Langenneufnach. Sie soll im Dezember 2024 in Betrieb gehen, hier gibt es auch schon Verträge mit einer Betreiber-Verkehrsgesellschaft. Weit voran sind auch schon die Nördliche Hesselbergbahn von Gunzenhausen nach Wassertrüdingen, die noch auf den Ausbau eines Kreuzungsbahnhofs wartet und ebenfalls im Dezember 2024 eröffnen soll, sowie die Romantische Schiene von Willburgstetten nach Dombühl, die allerdings noch keinen Starttermin hat. In zweiter Reihe warten mit guten Potenzialprognosen die Mainschleifenbahn, die Strecke Maxhütte-Burg Lengenfeld, die Südliche Hesselbergbahn und die Untere Steigerwaldbahn. Für die Strecke Lohr Stadt bis Lohr Bahnhof und den Münchner Nordring sind Potenzialprognosen in Arbeit. Darüber hinaus sind noch weitere 16 Strecken in Planung.
Warum noch keine von den 25 alten Bahntrassen wieder aktiv ist, beantwortete Bärbel Fuchs so: „Wir müssen die zeitlichen Abläufe so harmonisieren, dass für keinen der Beteiligten ein finanzielles Risiko entsteht.“ Als Faktoren in diesem Prozess nannte sie unter anderem lange Vertragsverhandlungen, die durchschnittlich fünf Jahre dauerten, und auch die Zustimmung der Landkreisgremien, die die Bedingungen des Freistaats rundum akzeptieren müssten. „Die Landkreise sind die Treiber im Reaktivierungsprozess“, sagte sie. Um die Landkreise zu unterstützen, biete die – vom Freistaat Bayern beauftragte – BEG daher den agierenden Eisenbahnstrukturunternehmen vor Ort eine Bestellgarantie, die als Sicherheit für Banken und Investoren dient. Direktinvestitionen in die Eisenbahninfrastruktur sind im Landeshaushalt nicht vorgesehen.

„Wir haben das Geld noch nicht zusammen“

Genau jene Bestellgarantie identifizierten die geladenen Experten jedoch unisono als nicht zureichend. „Die Bestellgarantie der BEG hat einen Wert von 36 Millionen Euro über 15 Jahre“, sagte Michael Schaub von der Mittelfränkischen Eisenbahngesellschaft GmbH, die die Romantische Schiene betreibt, „damit lässt sich eine Finanzierung auf die Beine stellen, dachten wir. Lässt sich aber nicht. Denn die Bankjuristen sagen, dass diese Garantie keine ist. Sie hat Lücken.“ Zudem sei die BEG eine GmbH und keine öffentliche Institution – das Versprechen, dass die Strecke Bestand hat, ist den Banken somit viel weniger wert. Drittens fordere die Bank auch fünf Millionen Euro Eigenkapital. Eine Summe, die sich in den versprochenen 15 Jahren nicht erwirtschaften lässt. „Wir haben also einfach das Geld noch nicht zusammen. Wir müssen auf dem freien Finanzmarkt aquirieren, da im Freistaat niemand mit Bürgschaften oder direkter Förderung hilft.“
Schaubs Erklärung schloss sich Josef Böck, der Vorsitzende des Staudenbahn-Schienenträger-Vereins, nahtlos an. „Es liegt an der Bestellgarantie“, sagte auch er, „in deren Laufzeit von zwölf bis 15 Jahren das gewünschte Darlehen nicht zurückzuzahlen ist.“ Gleichfalls brachte er zur Sprache, dass das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) in Bayern eine Besonderheit sei: In anderen Bundesländern – insbesondere Baden-Württemberg wurde als Beispiel genannt – ist es nämlich so gestaltet, dass die öffentliche Hand die Reaktivierung alter Bahntrassen fördern kann, in Bayern aber nicht. Es wird derzeit überarbeitet, doch mit dem Ergebnis wird frühestens in zwei Jahren gerechnet. Andererseits gäbe es auch in den  Richtlinien für die Gewährung von Zuwendungen des Freistaates Bayern für den öffentlichen Personennahverkehr (RZÖPNV) widersprüchliche Stellen, in denen Bürgschaften vorgesehen sind – die in Wirklichkeit aber nicht erlaubt sind. „Wir wollen die Staudenbahn!“, sagte Böck, „und auch so einige Investoren haben schon angekündigt, sie kommen, weil die Bahn kommt.“

Bahntrassen als Spezialfall

Werner Ziegelmeier und Ralf Gummersbach, Geschäftsführer bzw. Projektleiter der SWU Mobil GmbH, die Bahntrassen in Ulm und Neu-Ulm reaktiviert, darunter die bereits erfolgreich aufgenommene Strecke Senden-Weißenhorn, kritisierten ebenfalls die Laufzeit von zwölf bis 15 Jahren, in der die Trassenreaktivierung nicht zu refinanzieren sei. Ziegelmeier bemerkte aber auch: „Senden-Weißenhorn wurde nur fertiggestellt, weil alle Beteiligten fraktionsübergreifend an einem Strang gezogen haben.“
Klaus-Dieter Josel, Konzernbevollmächtigter für den Freistaat Bayern der Deutschen Bahn AG, erklärte ergänzend, warum nicht die starke Bahn-Mutter auf Bundesebene die alten Strecken übernimmt: „Der DB-Wiederherstellungsstandard ist höher als der Landesbahnstandard.“ Alles würde noch länger dauern.
In einer anschließenden Fragerunde erörterten die Mitglieder des Verkehrsausschusses und die Gäste Lösungsmöglichkeiten für das Finanzierungsproblem. Dabei tat sich auf die Fragen von Dr. Markus Büchler (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN) und Klaus Stöttner (CSU) noch ein weiteres Problem mit der Bestellgarantie auf: Den Banken ist nur schwer zu vermitteln, warum die Garantie der BEG an das zuständige Eisenbahninfrastrukturunternehmen adressiert ist, der Darlehensnehmer aber die Verkehrsgesellschaft ist, welche die Zugstrecke betreibt. Bahntrassen und ihre komplizierten Querfinanzierungen sind ein Spezialfall, für den Geldgeber ohne Bahn-Expertise schwer zu erwärmen sind.

Zugeschaltet zur Fragerunde war auch Ministerialrat Martin Grillenberger aus dem Verkehrsministerium. Seine Erklärung zur Bestellgarantie war kurz und schmerzlos. „Die Banken erkennen sie nicht an, weil sie nicht in jedem Fall greift. Bürgschaften sind im Haushalt aber nicht vorgesehen, weil der Freistaat nicht zuständig ist.“ Wie übrigens auch die von Bärbel Fuchs von der BEG. „Warum die Banken die Bestellgarantie nicht akzeptieren, entzieht sich meiner Kenntnis“, sagte diese. Und: „Was längere Garantiezeiten betrifft, sind uns leider die Hände gebunden.“
Im Übrigen erwogen die Gesprächsteilnehmer noch, inwieweit sich nicht jetzt schon nach dem Bayerischen oder dem Bundes-GVFG Fördermöglichkeiten durch den Staat auftäten. Die detaillierte Debatte darüber verschob der Vorsitzende Sebastian Körber aber in die nächsten Sitzungen des Verkehrsausschusses.

/ Isabel Winklbauer

 

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