Lage und Perspektiven der Bauwirtschaft in Bayern
Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr
16. April 2024
MÜNCHEN. Lange Jahre war der Bau ein Stabilitätsanker der bayerischen Wirtschaft. Inflation, hohe Zinsen und schlechte Förderbedingungen haben den Wohnungsbau zuletzt einbrechen lassen, die Branche klagt über Auftragsmangel. Bei einer Expertenanhörung im Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr informierten sich die Abgeordneten über Möglichkeiten, die Bautätigkeit wieder anzukurbeln.
Die bayerische Baubranche fordert von der Politik die spürbare Vereinfachung von Bauvorschriften, deutlich weniger Bürokratie und mehr Verlässlichkeit bei Förderung und Rahmenbedingungen. Zudem müssten alle politischen Möglichkeiten zur Senkung der zuletzt explodierten Baupreise ergriffen und der Zugang zu bebaubaren Flächen erleichtert werden. Ohne dieses Gesamtbündel an Maßnahmen werde die Baukonjunktur auf absehbare Zeit nicht wieder auf Touren kommen, hieß es bei der Anhörung unisono. Auch die ehrgeizigen Ziele von Bundes- und Staatsregierung beim Wohnungsneubau ließen sich anders nicht erreichen.
Ohne höhere Förderung kein bezahlbarer Wohnraum
"Wir brauchen wieder mehr Fördergeld für bezahlbaren Wohnraum", setzte der Vorstandschef des bayerischen Ziegelindustrieverbandes, Johannes Edmüller, den Ton. Dies gelte in erster Linie für die Bundespolitik, aber auch in Bayern müssten die Förderprogramme attraktiver ausgestattet werden. Nötig seien echte Zuschüsse für Bauherren zur Stärkung des Eigenkapitals, zinsverbilligte Darlehen würden die gewünschten Effekte nur bedingt erreichen. Zudem müsse die Förderstruktur radikal vereinfacht werden. "Selbst für unsere Profis ist der Förderdschungel kaum noch durchschaubar", klagte Edmüller. Für Steuervergünstigungen beim Wohnungsbau und die Rückkehr der Eigenheimzulage trat Direktor Hans Maier vom Verband bayerischer Wohnungsunternehmen ein. Insgesamt sei für den geförderten Wohnungsbau und seine bezahlbaren Mieten "einfach zu wenig Geld da".
Breiten Raum nahm die Forderung nach dem Abbau von Bauregularien ein. Hier brauche es den "Mut zum Weglassen" und "realitätsnahe Vorgaben", sagte Andreas Eisele, Präsident des Landesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen. "Die staatliche Überregulierung war in den letzten Jahren der größte Baukostentreiber", erklärte er. Dr. Ulrike Kirchhoff Vorsitzende des Vereins "Haus&Grund Bayern" fügte an, dass die Regelungsdichte für viele Bauherren ein "Investitionshemmnis" sei. Dies gelte für Bau- und Förderrichtlinien gleichermaßen. Die Präsidentin der bayerischen Architektenkammer, Prof. Lydia Haack, appellierte an die Politik, auf starre Regularien bei der Wohnbauförderung zu verzichten. Besser seien Zielvorgaben bezüglich Bau- und Energiestandards, der Weg dorthin müsse aber offengelassen werden. Nur so könnten sich innovative Ideen verbunden mit effizientem und kostengünstigem Bauen durchsetzen. Zudem regte Haack an, die Schwellenwerte bei der Ausschreibung öffentlicher Bauprojekte anzuheben, um den Vergabeprozess für kleinere und mittlere Projekte zu entbürokratisieren.
Schwerpunkt "Nachhaltiges Bauen"
Eine lebhafte Debatte entwickelte sich beim Thema nachhaltiges Bauen. Den Impuls dazu setzte der Landesvorsitzende des Bund Naturschutz, Richard Mergner. Er forderte, den Flächenverbrauch auch beim Wohnungsbau durch Bestandssanierungen, die Überbauung von Brach- und Gewerbeflächen und das Aufsetzen weiterer Geschosse auf bestehende Gebäude zu reduzieren. Zudem müsse der Einsatz recyclingfähiger Materialien und Baustoffe ausgeweitet werden. Während sich auch Prof. Haack für ein verstärktes Bauen im Bestand aussprach, warnte Thomas Schmid, Hauptgeschäftsführer des bayerischen Bauindustrieverbandes vor zu großen Hoffnungen. Die Lücke von deutschlandweit rund 800 000 fehlenden Wohnungen lasse sich nicht ohne Neubau schließen. Es sei Aufgabe von Staat und Kommunen, die dafür benötigten Flächen bereitzustellen. Oft sei ein Neubau auch wirtschaftlicher.
Grundsätzliche Einigkeit herrschte unter den Experten über die Notwendigkeit nachhaltigen Bauens. Diese spiele bei den Vergabekriterien für öffentliche Bauaufträge noch immer eine zu geringe Rolle, sagte Schmid. Es brauche auf dem Bau mehr Kreislaufwirtschaft, um der sich verschärfenden Rohstoffknappheit begegnen zu können. Prof. Haack beklagte in diesem Zusammenhang fehlende rechtliche Grundlagen, weshalb es schwer sei, eine Recycling-Infrastruktur für Baustoffe aufzubauen. Wolfgang Schubert-Raab, Präsident des Landesverbandes bayerischer Bauinnungen, forderte in diesem Zusammenhang die schnellere Zulassung innovativer Baustoffe. "Mit den aktuellen gesetzlichen Regelungen werden technische Baulösungen kaputt gemacht. Das müssen wir in den Griff kriegen", mahnte er. Edmüller ergänzte: "Wir sind bei Innovationen schnell, aber die Regulatorik bremst uns aus."
Hemmschuh Digitalisierung
Mehrere Experten verwiesen auf die Chancen der Digitalisierung in der Bauplanung und -genehmigung. Allerdings mangele es dafür vielfach noch an den Grundvoraussetzungen. "Bei der Digitalisierung fehlt es in Bayern 'vom Boa weg', wie es so schön heißt", erklärte Werner Weigl, 2. Vizepräsident der Ingenieurekammer Bau. Hier stoße man in der Kommunikation mit den Behörden immer wieder schnell an Grenzen. Schubert-Raab nannte ein Beispiel: "Architekten erstellen Baupläne in 3D, aber für die Baugenehmigung müssen wir es wieder in 2D ausdrucken." Auch Thomas Schmid forderte eine digitale Aufrüstung in den Amtsstuben. Durch künstliche Intelligenz lasse sich ein Bauantrag auf Vollständigkeit vorprüfen. Das könne Genehmigungsverfahren entscheidend verkürzen.
Kritisch äußerten sich mehrere Experten zum Ziel der Staatsregierung, das Bauen mit Holz besonders zu fördern. Dies sei ein Eingriff in das Marktgeschehen, sagte Weigl stellvertretend. Staatliche Förderung müsse "baustoffneutral" erfolgen. Nur so komme jeweils der Baustoff zum Einsatz, der für die geforderte Anwendung der beste sei. Einig war man sich im Expertenkreis auch darüber, dass über Änderungen in den Vergaberichtlinien mehr regionale Anbieter zum Zug kommen sollten. Dazu sollten Qualität und Nachhaltigkeit eine größere Rolle bei Ausschreibungen spielen. Dass derzeit vor allem der Preis über den Zuschlag entscheide, sei nicht mehr zeitgemäß.
/ Jürgen Umlauft