Bildungsausschuss: Digitale Transformation in bayerischen Schulen
Ausbildung, Didaktik, Technik: Ressourcen für die Digitalkompetenz
30. Oktober 2025
MÜNCHEN. Wie können digitale Kompetenzen von Lehrkräften erworben und an Schulen vermittelt werden? Was braucht es an technischer Infrastruktur und wie können Eltern eingebunden werden? Mit diesen Fragen setzte sich der Bildungsausschuss in einer Sachverständigenanhörung auseinander.
In der von den Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD initiierten Anhörung ging es darum, welche Rahmenbedingungen nötig sind, um die digitalen Kompetenzen von Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern zu stärken. Fast alle Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis waren sich einig, dass digitale Souveränität das Ziel sein sollte, also der verantwortungsvolle, kompetente und durchaus auch kritische Umgang mit digitalen Medien.
„Digitalkompetenzen sind Zukunftskompetenzen“
Daraus ergibt sich für Professorin Dr. Cordula Artelt, auch die Verantwortung, schwächere Schülerinnen und Schüler oder überforderte Elternhäuser nicht allein zu lassen. Ihr Credo: Bildung macht Gesellschaft. Schule habe die Aufgabe Reflexionsräume zu schaffen, so die Direktorin des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe in Bamberg (LIfBi). Dabei gibt es aus ihrer Sicht keine fixe Altersgrenze für den Einsatz digitaler Medien. Das sei vielmehr abhängig davon, wie und von wem diese Medien eingesetzt werden. Nötig sei immer menschliche Interaktion. Es gebe jedoch keinen Zweifel: „Digitalkompetenzen sind Zukunftskompetenzen.“
Chancengleichheit und -gerechtigkeit mahnte die Vorsitzende des Landesvorstands der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bayern (GEW), Martina Borgendale an. Die langjährige Realschullehrerin warnte ebenfalls vor der Gefahr, dass leistungsschwächere Schüler abgehängt werden. Es sei deshalb besonders wichtig die Kompetenz des Lehrpersonals zu stärken. Gute Konzepte und hervorragende Angebote wie beispielsweise in der Akademie für Lehrerfortbildung in Dillingen seien vorhanden. Die digitale Transformation müsse flächendeckend angegangen werden, mit klaren Zuständigkeiten und Medien-Koordinatoren an den Schulen. Das Potenzial in den Lehrer-Kollegien sei vorhanden.
Disruptive Technikentwicklung
Herausforderungen wie Fake News stehen nach Einschätzung von Professor Dr. Frank Fischer neuen Möglichkeiten wie adaptives Lernen mithilfe von Künstlicher Intelligenz gegenüber. „Keine Technologie hat nur negative oder positive Aspekte, es kommt darauf an, was man damit macht.“ Aus der Perspektive der empirischen Pädagogik warnte Fischer aber auch vor einem „digital divide“, also der digitalen Kluft beim Zugang zu modernen Kommunikationstechniken. Schulen stünden in der Pflicht, Medienkompetenz und digitale Bildung zu vermitteln, damit die soziale Schere nicht noch weiter aufgehe, sagte der Professor vom Munich Center of the Learning Sciences an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Bayern habe schon vieles richtig gemacht, sich etwa auf einen gemeinsamen Rahmen verständigt, definiert, was Lehrkräfte können müssen, um digitale Kompetenzen an Schülerinnen und Schüler weiterzugeben, medienpädagogische Unterstützung sowie ausreichende technische Ausstattung installiert. Nun gehe es darum, kollaborative Strukturen an Schulen zu schaffen und medienpädagogische Kompetenz vor Ort zu stärken. „Ich bin seit ungefähr 30 Jahren in der Forschung zu digitalen Medien und ich habe in der Zeit nie so eine disruptive Technikentwicklung gesehen, wie mit der Künstlichen Intelligenz“, sagte Fischer.
Per Video zugeschaltet war Professor Dr. Karl-Heinz Gerholz, Sprecher des Zentrums für Lehrerinnen- und Lehrerbildung (ZLB) an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Gerholz argumentierte, man könne die digitale Transformation nicht aufhalten, sondern müsse vielmehr die Kinder und Jugendlichen darauf vorbereiten. „Wir müssen gucken, dass wir Lehrkräfte dahingehend sensibilisieren, wenn sie digitale Medien einsetzen, dass es nicht nur um die Frage geht, wie wir den Lernprozess unterstützen können, sondern wir müssen die Kompetenzen schulen, die später wichtig werden.“
Kinder fit machen für komplexe Welt
Dem schloss sich auch Professorin Dr. Uta Hauck-Thum an, die aus Wissenschaft und Praxis berichten konnte. Die ehemalige Grundschullehrerin hat die Professur für Grundschulpädagogik und -didaktik an der LMU inne. Hauck-Thum wies darauf hin, dass die Kinder fit gemacht werden müssten für eine komplexe Welt. KI könne es beispielsweise Lehrerinnen und Lehrern erleichtern, Aufgaben zu gestalten, die besonders gut an die Lernvoraussetzungen der Kinder angepasst sind. Sie plädiert für eine enge Verschränkung zwischen analog und digital. „Die Lehrkräfte müssen wissen, wie KI funktioniert, aber eben auch, welche Einflüsse diese Welt, die wir nicht abschalten können, … auf die Art des Umgangs hat.“
Eine verantwortungsvolle Vorgehensweise mit digitalen Geräten mahnte Doris Sippel an. Die medienpädagogische Beraterin digitale Bildung (mBdB) bei der Regierung von Schwaben legt den Fokus nicht auf das Gerät, sondern auf das zwischenmenschliche Lernen in der Gruppe. In ihrer 25-jährigen Tätigkeit als Mittelschullehrerin machte sie häufig die Erfahrung, dass die Kompetenz, ein digitales Arbeitsgerät zu nutzen, fehlt. Lernplattformen und Tools, mit denen man kommunizieren kann, seien vorhanden. „Die Möglichkeiten sind da, ich denke, wir dürfen sie mehr nutzen, wir dürfen die Lehrerfortbildung dahin noch schulen und vor allem noch mehr in die universitäre Ausbildung reinnehmen.“
Warnung vor gesundheitlichen Nebenwirkungen digitaler Medien
Mehr Schaden als Nutzen durch die digitale Transformation sieht der emeritierte Professor Dr. Dr. Manfred Spitzer. Der ehemalige ärztliche Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Ulm warnte vor Nebenwirkungen digitaler Medien auf die Gesundheit, wie Kurzsichtigkeit, Erblindung, Bewegungsmangel, Schlafstörungen, Demenz, Sucht und einer Beeinträchtigung der Gehirnentwicklung. Zudem brauche digitale Mündigkeit Wissen und Bildung, daran änderten auch digitale Medien nichts. Spitzer warnte vor mehr Bildungsungerechtigkeit für Menschen in prekären Situationen. „KI im Unterricht führt zunächst mal dazu, dass man oberflächlicher ist, nach neuesten Studien sogar ethisch fragwürdiger handelt.“
Partizipation der Jugendlichen
Wie die Vorerfahrung von Kindern besser eingebunden werden kann, wollte Benjamin Adjei von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der anschließenden Fragerunde wissen. Hauck-Thum sieht nicht nur ein neues Medium durch den Einsatz digitaler Geräte, sondern eine disruptive Veränderung im Schulunterricht. Sie empfiehlt, an die Lernvoraussetzungen vieler Kinder, die digital geprägt seien, anzuknüpfen. 
Auf die Frage der Sozialdemokratin Dr. Simone Strohmayr nach der optimalen Ausstattung antwortete Professor Gerholz, entscheidend sei nicht die Ausstattung, sondern die Strategie. Schülerinnen und Schüler müssten stärker bei Entscheidungen eingebunden werden. Sie müssten mitbestimmen, wie sie die Ausstattung für sich einsetzen können. 
Zur Ausstattung und Lehrerausbildung erkundigte sich Peter Tomaschko aus der CSU-Fraktion, ob die Schulen vor Ort in der Lage seien, die Herausforderungen zu bewältigen, oder ob ein Gesamtkonzept nötig sei. Die Sachverständige Martina Borgendale erklärte, oft sei die Expertise nicht vorhanden, Lehrer willens, aber nicht fähig, digitale Medien einzusetzen. Es fehle Zeit zur Einarbeitung und der didaktische Hintergrund.
Stellenwert der Ethik in der digitalen Welt
Zum Stichwort Demokratiebildung und digitale Kompetenzen fragte Oskar Atzinger aus der AfD-Fraktion, inwiefern dazu an den Schulen lediglich Haltung gelehrt werde. Das verneinte Professor Fischer. Es gehe in der digitalen Bildung um die Vermittlung von medienbezogenen Kompetenzen, aber auch um die Verbesserung fachlichen Lernens, nicht um Haltung.
„Wie hoch ist der Stellenwert der Ethik in der digitalen Welt?“ Diese Frage stellte Martin Brunnhuber von den FREIEN WÄHLERN zur Diskussion. Ein zentrales Thema für die Sachverständigen. Laut Professor Gerholz muss grundsätzlich geklärt werden, wo Verantwortung an KI abgegeben werden kann und wo der Mensch in Gestalt von Lehrkraft oder Schüler agieren muss. Er empfiehlt KI als Sparringspartner zu benutzen.
/ Miriam Zerbel