Berichte zur Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit

Staatsregierung und Landtagsamt informieren die Abgeordneten des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen

22. November 2022

MÜNCHEN.    Staatsministerin Melanie Huml hat die Entwicklungspolitik der Staatsregierung mit Schwerpunkt in Afrika dargestellt. Im Anschluss gab Ltd. Ministerialrätin Sibylle Lux vom Landtagsamt Auskunft über das Engagement des Bayerischen Landtags in der Entwicklungszusammenarbeit.

„Die Herausforderungen, die uns weltweit betreffen, wie der russische Krieg in der Ukraine, sind auch auf dem afrikanischen Kontinent spürbar. Wenn Getreide aus der Ukraine nicht die Häfen verlassen kann, dann trifft das auch die Versorgung in Afrika“, so Melanie Huml. Weltweit seien laut UN 345 Millionen Menschen von akutem Hunger betroffen, Anfang des Jahres seien es noch 282 Millionen gewesen. Zwar sei Entwicklungspolitik Aufgabe des Bundes, aber dennoch leiste der Freistaat einen freiwilligen Beitrag dazu. 2021 wurden trotz Corona-Pandemie 29 neue Projekte auf den Weg gebracht. Die bayerischen Mittel seien mit 12 Millionen Euro begrenzt, deshalb setze man Schwerpunkte.

Nach Reisebeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie in den letzten Jahren konnte sich die Ministerin heuer wieder persönlich in den Partnerländern informieren. Bei Gesprächen mit Politikern vor Ort habe sich gezeigt, dass es etwa in Südafrika durch eine Zusammenarbeit mit der Polizei gelungen sei, die Mordrate in einigen Townships merklich zu senken. „Da konnten wir im wahrsten Sinne des Wortes Leben retten“, betonte die Ministerin. Zudem gab es Projekte zur beruflichen Bildung und für die Begleitung werdender Mütter - weitere seien geplant. In Tunesien habe man Projekte im Bereich der Energiewende angestoßen. Neben viel Wind am Meer biete Tunesien auch viel Sonne sowie Gasleitungen nach Italien. Eine Studie prüfe, ob diese Leitungen auch für grünen Wasserstoff genutzt werden könnten. Im Senegal gehe es unter anderem um die Ernährungssicherheit. Wie bei den Maschinenringen, die in Dörfern gemeinsam Maschinen anschaffen und nutzen. „Das ist Hilfe zur Selbsthilfe, um autark bei der Ernährung zu werden, teilweise auch in die Veredelung zu gehen“, berichtete die Ministerin. Ziel sei zudem, dass die Maschinen auch im Senegal produziert würden, zum Verkauf und damit Ersatzteile verfügbar seien. Das vierte Partnerland Äthiopien mit dem bayerischen Afrikabüro in Addis Abeba, Sitz der Afrikanischen Union, war aufgrund eines Bürgerkrieges im Norden nicht im aktuellen Fokus. Auch panafrikanische Projekte wie die digitale Bildung wurden gefördert.

Es gebe drei Säulen der Entwicklungszusammenarbeit: die Projektförderung, die Partnerschaft mit afrikanischen Staaten sowie die Partnerschaft mit dem Eine-Welt-Netzwerk Bayern. Ziel sei die Entwicklung einzelner afrikanischer Staaten. „Es geht nicht darum, gönnerhaft als Geber aufzutreten, sondern um Projekte auf Augenhöhe und dass wir die Menschen vor Ort mitnehmen“, erklärte Huml. Inhaltliche Schwerpunkte setze der Freistaat im Bereich Wirtschaft, Bildung, Wissenschaft, Agrar, Umwelt, Gesundheit und öffentliche Verwaltung. Huml warnte: „Es ist erschreckend, wenn China in Afrika Tausende Stipendien für seine Hochschulen vergibt.“ Wichtig sei darum auch der Kontakt zu demokratischen Strukturen.

Demokratie fördern

Ltd. Ministerialrätin Sibylle Lux berichtete als Vertreterin der Landtagsverwaltung über das Engagement des Bayerischen Landtags in der Entwicklungszusammenarbeit. „Auch die Legislative hat einen großen und wichtigen Part zu spielen. Vielleicht nicht, was das Volumen der Mittel und der Ausstattung anbelangt, aber durchaus einen wertvollen Beitrag“, so Lux. Das Parlament versuche gemäß seinem Auftrag, demokratische Werte und Strukturen zu fördern. Ziele seien auch, die Prinzipien des Rechtsstaats zu vermitteln und durch Informations- und Bildungsarbeit vor Ort die Eigenverantwortung der Menschen und damit die Zivilgesellschaft zu stärken. In diesem Sinne habe der Landtag in den letzten zwei Jahren vier eigene Projekte mit der Hope-Kapstadt-Stiftung in Südafrika unterstützt. „Unsere Intention ist es, benachteiligten jungen Menschen im Township Delft, die unter wirklich extremen Bedingungen in einem sozialen Brennpunkt leben, dazu zu ermutigen, sich gesellschaftlich und politisch in ihren Kommunen einzubringen“, berichtete Lux. Das Projekt „Delft Democracy Development Programm“ habe jungen Menschen den Prozess der Wahlen nähergebracht. „Zu Beginn des Kurses waren viele sehr skeptisch, am Ende des Kurses haben aber 30 von 32 Teilnehmern des Kurses an den Kommunalwahlen in Südafrika am 1. November 2021 teilgenommen und ihre Stimme abgegeben.“ Ein Erfolg in einem Umfeld, in dem junge Menschen selten mit demokratischen Prozessen zu tun haben.

Die Ziele dieser wenigen Projekte seien so angelegt, dass sie sich gegenseitig ergänzten. Dabei wirkten die Kursteilnehmer als Multiplikatoren in ihr direktes Umfeld mit hinein. „Wir legen Wert darauf, dass Projekte, die wir unterstützen, zu 50 Prozent auch der Förderung von Frauen zugutekommen“, betonte Lux. Die vom Landtag geförderten Kurse konnten im Bayerischen Haus stattfinden. Hier wirkten eigenständige Förderprojekte von Staatsregierung und Landtag nachhaltig zusammen. Zwei weitere Kurse liefen noch, die alle im unmittelbaren Umfeld befindlichen Gruppen durch ein „advisory committee“ beteiligten - also auch hier das Einüben demokratischer Umgangsformen durch friedliche Kommunikationsmittel und Problemlösungen vor Ort. Der Landtag habe derzeit Anfragen dazu auch aus anderen Ländern wie Tunesien.

Hausgemachte Probleme

In der anschließenden Aussprache kritisierte Albert Duin (FDP), dass Hilfe zur Selbsthilfe zwar richtig sei, aber scheitern müsse, solange man afrikanische Länder „mit billigen Lebensmitteln“ überschütte. Ernährungsautarkie bringe dann wenig. Bei der Digitalisierung solle man auch auf Funk setzen, nicht nur auf Kabelverbindungen. Wichtig sei auch, künftig mehr darauf zu achten, wo es Bestechung gebe und wer sie zahle.

Klaus Steiner (CSU), von einer Reise aus Tansania zurück, wies auf die technischen Möglichkeiten dieser Länder hin, wie z.B. die dort verbreiteten Handys. Neben Bildung könnte dadurch auch die Gesundheit oder die Landwirtschaft gefördert werden. Für duale Ausbildung brauche es aber Betriebe, die in Afrika oft fehlten. „Was nutzt es, Leute auszubilden, wenn die keine Anstellung finden?“ Neben Lob für den guten Weg der Staatsregierung in der bisherigen Entwicklungspolitik möchte Steiner thematisch und geografisch noch stärkere Schwerpunkte setzen: „Wir müssen hin zu einer strategisch ausgerichteten Entwicklungspolitik“ – wie es China und Russland praktizierten. Man müsse sich aber auch im Klaren sein, dass Probleme oft „hausgemacht“ seien, „das Geld versickert buchstäblich im Saharasand“.

Hep Monatzeder (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN) forderte eine Grundsatzdiskussion etwa zu den Themen China, Ernährungssicherheit oder Korruption. Zwar werde viel Gutes mit bayerischen Entwicklungsmitteln gemacht, aber es fehlten Informationen über die Evaluation der Projekte und über deren künftige Auswahl. Huml wies darauf hin, dass die Evaluation noch laufe. „Was macht das relativ teure Büro in Addis Abeba“, wollte Monatzeder zudem wissen. „Eine Strategie der Staatsregierung ist nicht erkennbar für mich.“ Es sei eher eine lose Sammlung von Projekten. Entscheidend sei die Wirksamkeit von Entwicklungshilfe.

Der Vorsitzende des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen Tobias Gotthardt (FREIE WÄHLER) wies darauf hin, dass über das Bayerische Afrikabüro in einer Sitzung des Europaausschusses in 2021 gesondert berichtet wurde. Ein aktueller Bericht dazu ist in Kürze vorgesehen.

Markus Rinderspacher (SPD) warnte, dass von den acht Milliarden Menschen 700 Millionen in extremer Armut lebten und zwei Milliarden keinen Zugang zu angemessener Sanitärversorgung hätten. Alle politischen Ebenen seien gefordert, sich international einzubringen. In dem Bericht sei nicht überall „ein roter Faden und entwicklungspolitische Leitlinien“ erkennbar, nicht jedes Projekt sei sofort verständlich, wie etwa Corona-Projekte der LMU München. Huml erwiderte, diese hätten der Hochschulzusammenarbeit gedient sowie der Erforschung der Ausbreitung des Coronavirus in der sehr jungen afrikanischen Bevölkerung.

/ Andreas v. Delhaes-Guenther

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