Das Projekt Neue Seidenstraße - Chance oder Risiko?

Informationsgespräch im Europaausschuss mit Blick auf Usbekistan und Kirgisistan

21. Juni 2022

MÜNCHEN. Im Austausch mit Reinhold Krämmel, dem Honorargeneralkonsul der Kirgisischen Republik in Bayern und Thüringen, und Dr. Alexander Blumhardt von der Knauf Gruppe diskutierten die Abgeordneten im Europaausschuss über den Stand und die Herausforderungen des Projekts Neue Seidenstraße sowie über die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen Bayerns zu Usbekistan und Kirgisistan.

Krämmel und Blumhardt stellten eine weitgehend unbekannte Region vor: Zentralasien. Dazu werden meist nur die Länder Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan gezählt. Zusammen haben die fünf Länder rund 76 Millionen Einwohner, also weniger als Deutschland – obwohl sie eine fast 13 Mal so große Fläche haben. Oft werden jedoch auch die Staaten Afghanistan, Armenien, Aserbaidschan, Iran, Pakistan, Georgien sowie Teile der Mongolei, Indiens und Chinas zu Zentralasien gezählt.

Historisch sei das chinesische Projekt „Neue Seidenstraße“ laut Krämmel mehr oder weniger eine Wiederholung des „Great Game“ im 19. Jahrhundert zwischen dem russischen Zarenreich und dem britischen Empire um die Vorherrschaft in Zentralasien. Heute seien andere Akteure im Spiel, nämlich China, Russland und die USA. Daneben seien auch Europa, Indien und kleinere Staaten wie Japan, Korea, Türkei oder Iran beteiligt.

In der Region gebe es „jede Menge Bündnisse“ wie etwa die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, die Organisation der Turkstaaten, Die Gemeinschaft unabhängiger Staaten GUS oder die Eurasische Wirtschaftsunion. Ethnische Spannungen und Grenzkonflikte prägten die Region, so Krämmel. Das explosive Völkergemisch zeige sich etwa in Afghanistan, mit 8,7 Millionen Tadschiken, dazu 3,2 Millionen Usbeken und 1,7 Millionen Turkmenen.

Die neue Seidenstraße

Die alte Seidenstraße verlief über Jahrhunderte im Westen von China Richtung Syrien. „Die Neue Seidenstraße ist ein Projekt Chinas, das im Jahr 2011 an der Universität Astana in Kasachstan durch Chinas Staatschef Xi Jinping bekanntgegeben wurde und seither mit mehr oder weniger Nachdruck und Einsatz verfolgt wird“, erklärte Krämmel. Bei „One road, one belt“ gehe es aber nicht nur um Schienen-, sondern auch um Straßen- und Seeverbindungen. Dies zeige sich etwa in Georgien: In wenigen Jahren wurden dort rund 90 Autobahnbrücken und 40 Tunnel gebaut – mit chinesischem Geld. In Kasachstan sei bereits die Schienenverbindung Richtung Europa fertig - als erster Teil der geplanten Linie über das Kaspische Meer, Aserbaidschans Hauptstadt Baku, das Schwarze Meer, den Balkan nach Westeuropa. Weitere Konflikte seien programmiert, warnte der Konsul: Die Länder seien sich untereinander „nicht grün, wo die Seidenstraße verlaufen soll“. Angesichts der internationalen Sanktionen sei jedenfalls ein Weg über den Iran oder Russland unmöglich, „deshalb muss alles über das Kaspische Meer gehen“, über den kasachischen Hafen von Aktau oder den turkmenischen Hafen Türkmenbasy.

Hep Monatzeder (GRÜNE) fragte, wie abhängig diese Länder schon von China seien. Krämmel erklärte, der chinesische Imperialismus laufe „ganz anders, klammheimlich“. Der Druck sei gewaltig. „Das ist das Dilemma Zentralasiens, die lange Landgrenze zu China, zudem wandern viele Chinesen in diese Staaten ein, schon für die Bauprojekte. Die kaufen aber auch viele Ländereien dort.“ Irgendwann komme dann womöglich das böse Erwachen, wenn Peking behaupte, man müsse chinesische Bürger und Eigentum dort schützen.

Alexander Dorow (CSU) wollte wissen, ob die Europäer dem aggressiven Vorgehen Chinas etwas entgegenzusetzen hätten. Dr. Blumhardt – der zuvor über die aktuellen Herausforderungen für eine wirtschaftliche Tätigkeit vor Ort in Usbeskistan berichtet hatte – erläuterte das Grundprinzip bei der Seidenstraße: „Die Straße, ihr Betrieb, ihre Nutzung sowie Baumaßnahmen stehen ausschließlich Chinesen zu – die Strecken sind praktisch exterritoriale Gebiete durch diese Länder. Das Ziel ist natürlich, schnell von China nach Duisburg zu kommen, nicht umgekehrt, auch wenn sie uns das erzählen.“ Er glaube nicht, dass wir etwas entgegenzusetzen hätten, zumindest heute. Aber: „Wenn man den Menschen etwas anbietet, kann das funktionieren, weil auch dort Viele große Angst vor der chinesischen Macht haben.“

Der Konsul schlug vor, ein „Konzept für diesen unumkehrbaren Prozess“ zu entwickeln und schnellstens verloren gegangene Logistikketten neu zu schaffen. Das sei im engen Korridor zwischen Russland und Iran schwer. Zudem müssten alle Anrainer des Kaspischen Meeres Pipelines zustimmen, weil es ein Binnenmeer ist – Russland verweigere dies mit Blick auf sein Monopol seit Jahren. „Meine Empfehlung ist: Das Selbstbewusstsein stärken, zusammenstehen, Europa geschlossener machen.“ Momentan sei die größte Gefahr für Europa nicht die Asiatisierung der Welt oder der Druck aus China, sondern das Überborden der Bürokratie in Brüssel. „Das macht Europamüdigkeit, das bringt uns dazu, an dieser großartigen Jahrhundert-Idee zu zweifeln“, betonte Krämmel.

Der Vorsitzende des Europaausschusses, Tobias Gotthardt (FREIE WÄHLER) fragte, wo die Seidenstraße in 20 Jahren vermutlich stehe. Laut Krämmel werde die Annäherung von Russland an China die Bedrohung vergrößern. Momentan sei es für beide opportun, sich gegen den Westen zu stellen. Beide Großmächte würden aber schauen, wo sie Vorteile für sich herausholen könnten. „Ich traue den Chinesen zu, dieses Projekt weiter zu verfolgen, weil sie Mittel und Ressourcen haben. Sie werden mit dem Wandel durch Handel erfolgreich sein.“

Wirtschaftsbeziehungen intensivieren

Der Konsul empfahl dennoch, den Blick auf die riesige Region Zentralasien zu intensivieren, dort Entwicklungen anzuschieben und zu investieren. „Bayern hatte immer die Nase vorn, das sollten wir auch beibehalten.“ Insbesondere könne Bayern bei der praktischen Berufsausbildung von Jugendlichen helfen.

Korruption als Problem

Auf Nachfrage von Markus Rinderspacher (SPD) ging es auch um die schlechten Werte, die alle zentralasiatischen Länder im Korruptionsindex haben. Laut Blumhardt sei das aber unterschiedlich: In Usbekistan etwa sei es auf Staatsebene kein Problem, in der Region aber schon. Man dürfe sich aber dadurch nicht von Investitionen abhalten lassen, sonst müsse man dies auch in Afrika, Südamerika und anderen Teilen Asiens tun.

Schließlich ging es noch um Menschenrechte: So verlange China laut Monatzeder, dass Uiguren in diesen Ländern von politischer Betätigung ausgeschlossen würden. Krämmel verneinte aber für Kirgisistan solche Bestrebungen. Zudem mahnte der Konsul: „Um Menschenrechtsthemen mit Wirtschaftspolitik zu verknüpfen, braucht es ein sehr kluges Handeln.“

Ausschussvorsitzender Tobias Gotthardt hoffte abschließend, dass die wegen Corona abgesagte Reise Europa-Ausschusses in die Region baldmöglichst nachgeholt werden könne.

Einzelne Tagesordnungspunkte der Ausschuss-Sitzungen werden aktuell auf dem YouTube-Kanal des Bayerischen Landtags im Livestream übertragen. Die Tagesordnungen zu allen Ausschuss-Sitzungen finden Sie unter Aktuelles/Tagesordnungen und kommen hier zum Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen.

/AD

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