Autausch mit EU-Vertretern im Europaausschuss

Informationsgespräch zum Thema "Europa in München"

10. Mai 2022

MÜNCHEN.    Im Austausch mit Dr. Renke Deckarm, dem stellvertretenden Leiter und Pressesprecher der Vertretung der EU-Kommission in München, sowie Dr. Udo Bux, dem Leiter des Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments in München, diskutierten die Abgeordneten im Europaausschuss über die neue Lage Europas nach dem russischen Angriffskrieg und die Rolle des Bayerischen Landtags in Europa.

Zu Beginn der Europawoche standen in dem Informationsgespräch „Europa in München“ der Krieg in der Ukraine und die Zeitenwende in Deutschland und Europa im Mittelpunkt. Der Vorsitzende des Europaausschusses, Tobias Gotthardt (FREIE WÄHLER), stellte Dr. Deckarm und Dr. Bux als die beiden „Gesichter Europas in München“ vor: „Wir können uns glücklich schätzen, diese Einrichtungen in München zu haben.“

Renke Deckarm sah die Aufgabe seiner Regionalvertretung darin, „Auge, Ohr und Mund der EU-Kommission“ vor Ort zu sein. „Wir sollen erklären, was aus Brüssel kommt.“ Zudem werden Kommissionsbesuche in Bayern begleitet wie der jüngste von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) in der Augsburger Fuggerei. Deckarm versicherte den Abgeordneten: „Bayern steht stets im Fokus der EU-Kommission, nicht nur bei der Münchner Sicherheitskonferenz.“

Ukraine unterstützen

Die durch den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene Zeitenwende gibt es auch in der EU. „Wir haben gemeinsam große Unterstützung für die Ukraine und scharfe Sanktionen gegen den Aggressor Putin beschlossen und werden da auch immer wieder nachsteuern“, betonte Deckarm. Zugleich bleibe aber der ausgerufene „Green Deal“ das wichtigste Projekt der EU-Kommission, auch hier bleibe man „am Ball“.

Markus Rinderspacher (SPD) lobte die große Einigkeit in Europa, „Russland die Stirn zu bieten“. „Aber hinter der Zeitenwende steht sehr viel. Georgien, Moldau, Ukraine, Balkan, eine neue Chinapolitik, eine neue Verteidigungspolitik. Ist die europäische Bevölkerung bereit, diese Zeitenwende mitzugehen? Auch auf Sicht in zehn, zwanzig Jahren?“ Im letzten Eurobarometer sei hier eine sehr große Mehrheit der EU-Bürger für Solidarität und Unterstützung der Ukraine und die getroffenen Maßnahmen erkennbar, so Deckarm. „Das zeigt auch: Die jahrelange Desinformationskampagne Putins hat nicht funktioniert!“

Dr. Franz Rieger (CSU) wollte wissen, wie die EU zum Ausscheren Ungarns beim Gasembargo stehe, wo doch das Europäische Parlament dies mehrheitlich befürworte. Deckarm verwies auf die notwendige Einstimmigkeit für erfolgreiche Maßnahmen der EU. „Und Sanktionen sollen uns nicht härter treffen als den Sanktionierten“, so der Kommissionsvertreter. Man sei aber intensiv auf der Suche nach anderen Gaslieferanten und unterstütze Flüssiggasterminals.

Prof. Dr. Winfried Bausback (CSU) fragte, ob die Kommission bei der Nahrungsmittelsicherheit oder dem Green Deal bereit sei, angesichts der aktuellen Lage Veränderungen vorzunehmen. Die EU-Kommission versuche derzeit sehr zielgerichtet, die Landwirtschaft zu unterstützen, so Deckarm. „Aber an der Stoßrichtung zu mehr Nachhaltigkeit wird sich nichts ändern.“ Aus seiner Sicht sei es Zeit für eine Reform der europäischen Verträge, gerade in den Bereichen Verteidigung, Energie, Wachstum, Migration und Gesundheit, sagte Bux.

Zukunft Europas

Auch die Konferenz zur Zukunft Europas wurde thematisiert, deren Ergebnisse und deren Abschlussbericht nun vorliegen – den Tobias Gotthardt auch allen Abgeordneten zuleiten will. „Die Bürger sollen sehen, was ihre vielen Ideen und Eingaben bewirkt haben“, versprach Deckarm. Mittel- und langfristig erwarte er noch deutlichere Auswirkungen dieser Konferenz. Vieles sei in der EU schon durch die Corona-Krise in Bewegung geraten, erklärte Bux. „Jetzt darf die EU-Kommission auch gemeinsam medizinische Artikel kaufen und ihre gemeinsame Preismacht in den Ring werfen.“ Ähnlich sei es bei der Ukraine: Es deute sich nun ein gemeinsamer Markt für Verteidigungsgüter an. „Die Krisen helfen uns dabei, voranzugehen“, so Bux.

Dr. Gerhard Hopp (CSU) fragte, wie es um die neue Initiative zur europäischen Außenpolitik stehe. „Bisher sind das häufig nationale Initiativen, aber mir fehlen europäische Antworten“, betonte Hopp. Dass sich Europa generell mehr um die großen und nicht die kleinen Fragen kümmern müsse, das gäben ihm auch immer die Bürger in Gesprächen mit. Gegen eine eigene EU-Außenpolitik stünden aber die einzelnen Staaten, machte Bux klar.

Vielfalt der EU als Stärke

Aber es ging auch darum, wie es in der EU gelingen kann, die Mitarbeit der regionalen Parlamente – immerhin 72 an der Zahl – besser in das Wirken von EU-Kommission und EU-Parlament einzubringen. „Bayern ist hier das aktivste Regionalparlament“, lobte Bux. Klar wurde, dass sich die Abgeordneten Möglichkeiten über die Subsidiaritätsrügen und direkten Eingaben des Landtages hinaus wünschten - trotz der Zusicherung von Bux, alles werde ernst genommen, weitergleitet und in Datenbanken sowie beim wissenschaftlichen Dienst eingespeist. „Es geht uns nicht darum, aufmüpfig zu sein Richtung Brüssel, sondern es geht uns darum, uns ernsthaft einzubringen“, erklärte Tobias Gotthardt (FW). „Habt in Brüssel keine Angst vor den Regionalparlamenten! Wir wollen keine Prozesse verzögern, wir wollen einen sinnigen Beitrag leisten und dafür sorgen, dass das, was in Brüssel und Straßburg beschlossen wird, auch wirklich geerdet wird.“ Deckarm sagte zu, er werde sich auch um ein inhaltliches Feedback zu den Eingaben kümmern. Auch Gabi Schmidt (FW) macht deutlich: „Es muss möglich sein, ein festes Instrument zu etablieren, diese regionalen Eingaben effizienter einzubringen, gerade in Zeiten der Digitalisierung.“ Die Vielfalt in Europa sei zugleich die Stärke Europas: „Wir sind und bleiben gerne die Multiplikatoren, aber bitte modernisiert die Werkzeuge!“

„Danke, dass Sie als Bayerischer Landtag eine starke Stimme in Europa sind“, bilanzierte Deckarm. Bux erinnerte an den jüngsten Austausch des Ersten EP-Vizepräsidenten Othmar Karas (ÖVP) mit Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) und die anstehende Reise des Landtagspräsidiums nach Brüssel im Juni. Auch der EU-Parlamentsvertreter zeigte sich dankbar für die enge Kooperation: „Wenn sich all die Vertreter aus Bund, Land, Europa und den Kommunen nicht für Europa einsetzen würden, dann könnten wir zumachen.“

Die Europäische Union (EU) feiert jährlich am 9. Mai ihren „Europatag“. Seit 1995 wird in Deutschland rund um den Europatag bundesweit die „Europawoche“ mit zahlreichen Veranstaltungen durchgeführt. Die Aktivitäten sollen dazu einladen, über Europa nachzudenken und gemeinsam zu diskutieren sowie andere Kulturen und Länder Europas näher kennenzulernen.

Die Tagesordnungen zu allen Ausschuss-Sitzungen finden Sie unter Aktuelles/Tagesordnungen und kommen hier zum Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen.

/ Andreas v. Delhaes-Guenther

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