Europaausschuss: Mitglieder würdigen verstärktes Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit

Dienstag, 7. März 2017
– Von Katja Helmö –

Bayern baut seit 2016 seine entwicklungspolitischen Aktivitäten deutlich aus, um Menschen auf der Flucht Bleibe- und Rückkehrperspektiven in ihrer Heimat oder in örtlicher Nähe eröffnen zu können – dies geht aus dem dazu veröffentlichten Bericht der Staatsregierung hervor, den Michael Köller, zuständiger Referatsleiter in der Staatskanzlei, im Europaausschuss vorstellte. Auch der Bayerische Landtag engagiert sich mittlerweile mit 100 Bildungsstipendien für syrische Flüchtlinge im nordirakischen Domiz-Camp in der Entwicklungszusammenarbeit. Hierüber informierte in der Sitzung Sibylle Lux, Leiterin des Referats Öffentlichkeitsarbeit, Besucherdienst des Bayerischen Landtags.

 

Siehe dazu auch Bericht von Europaministerin Dr. Beate Merk im Europaausschuss

Vor dem Hintergrund der Migrations- und Flüchtlingskrise sind die Fördersummen des Freistaats für Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit gestiegen. Während in den Jahren 2014 und 2015 dafür im Staatshaushalt insgesamt 360.000 Euro pro Jahr zur Verfügung standen, vergrößerte sich 2016 das Budget signifikant: Im Zuge des Bayerischen Engagements zur Bekämpfung von Fluchtursachen wurden zusätzliche Fördermittel in Höhe von 2,3 Millionen Euro im Nachtragshaushalt bereitgestellt. Im aktuellen Doppelhaushalt des Freistaats 2017/2018 sind laut Köller weitere 10 Millionen Euro pro Jahr für Projekte im Rahmen des Sonderprogramms der Staatsregierung zur Schaffung von „Perspektiven für Flüchtlinge in ihren Heimatländern“ eingeplant. Insgesamt stehen damit nunmehr 12,6 Millionen Euro pro Jahr für entwicklungspolitische Aktivitäten zur Verfügung.

„Mit den Fördersummen sind natürlich auch die Aufgaben gewachsen“, unterstrich der Vertreter der Staatskanzlei. Köller erklärte, dass mit den Mitteln, die für das Sonderprogramm zur  Fluchtursachenbekämpfung vorgesehen sind, Projekte im Nordirak, im Libanon, in Tunesien und im Senegal gefördert werden.

Enge Partnerschaft mit Tunesien

Eine besonders enge Partnerschaft verbindet Bayern mit Tunesien seit 2012.  Im Fokus der Zusammenarbeit stehen gemeinsame Projekte in den Bereichen Innere Sicherheit, Justiz, kommunale und regionale Entwicklung sowie Projekte der beruflichen Bildung und Ausbildung. „Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Tunesien ein großes Problem“, berichtete Köller. Umso wichtiger sei es, jungen Menschen in ihrer Heimat berufliche Perspektiven aufzuzeigen. Köller berichtete in diesem Zusammenhang von einem Projekt des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft (bbw) in Tunesien, bei dem das Angebot für eine Berufsausbildung nach dualem Vorbild im Metall- und Elektrobereich geschaffen worden sei. Staatsministerin Dr. Merk hat anlässlich ihres Besuchs in Tunesien im November 2016 erste Abschlusszertifikate frisch ausgebildeten, jungen tunesischen Mechatronikern ausgehändigt.

Bei den Maßnahmen der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit führte Köller insbesondere Bayerns Beteiligung am bundesweiten Promotorenprogramm mit mittlerweile vier Vollzeitstellen ins Feld. Tätigkeitsbereiche hierbei seien unter anderem Globales Lernen, Fairer Handel, nachhaltige Beschaffung, global verantwortliches Wirtschaften, Kommunen sowie Partnerschafts- und Freiwilligenarbeit. Ein weiterer Schwerpunkt der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit der Staatsregierung liegt in der Förderung von Projekten, die im „Eine Welt Netzwerk Bayern e.V.“ zusammengefasst sind.

Vertreter aller Fraktionen würdigten in der Aussprache das verstärkte Engagement des Freistaats in der Entwicklungszusammenarbeit: „Vor allem der Wissenstransfer im Bereich der beruflichen Bildung ist ein wichtiger Ansatz“, lobte Klaus Steiner, entwicklungspolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion. Kathi Petersen, entwicklungspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, freute sich ebenfalls über die Etaterhöhungen in der Entwicklungszusammenarbeit und hoffte diesbezüglich auf ein nachhaltig angelegtes Engagement. Ihr Fraktionskollege und stellvertretender Ausschussvorsitzender Georg Rosenthal regte an, in dem Bericht künftig geografische Schwerpunkte zu bilden und Projektziele aufzuzeigen. Dr. Hans Jürgen Fahn (FREIE WÄHLER) kritisierte die bloße Auflistung der insgesamt 86 Projekte in 42 Ländern in dem Bericht und sprach von einem „Gießkannenprinzip“ bei der Förderung. Auch er regte an, die Projekte der unterschiedlichen Staatsministerien in Zukunft besser zu koordinieren und diese im Bericht nach Regionen zu sortieren. Christine Kamm (BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN) wünschte sich, dass die Projekte evaluiert werden, um die Wirksamkeit der geförderten Maßnahmen besser einschätzen zu können.

Auch der Bayerische Landtag ist aktiv

Über die entwicklungspolitischen Aktivitäten des Bayerischen Landtags informierte Sibylle Lux, Leiterin des Referats Öffentlichkeitsarbeit, Besucherdienst, die Mitglieder des Europaausschusses. Das Parlament engagiert sich seit Ende 2016 für ein Ausbildungsprojekt im Nordirak und finanziert im Flüchtlingscamp Domiz insgesamt 100 Stipendien. Projektträger ist „Jesuit Worldwide Learning“, ein Werk der Jesuiten-Gemeinschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz, mit Hauptsitz in Genf sowie einem Regionalbüro in München. Wie Sibylle Lux berichtete, gliedert sich das Projekt in drei Phasen: Zunächst werde den Flüchtlingen ein englisches Sprachlernprogramm angeboten, das die Grundlage für weitere Bildungsangebote schaffe. Anschließend seien Bildungsmöglichkeiten im beruflichen oder im Rahmen eines Studiengangs in „Liberal Arts“ – Geisteswissenschaften mit dem Baustein Politische Bildung – möglich. Laut Sibylle Lux absolvierten derzeit 60 Schülerinnen und Schüler den Einführungssprachkurs. Für den Studiengang haben bereits sechs Studenten das Assessment erfolgreich durchlaufen. Wie der Studiengang starten auch die beruflichen Bildungsangebote 2017. Der Landtag, so Lux, stelle für den Sprachkurs Mittel in Höhe von 30.000 Euro und für die berufliche Bildung Mittel in Höhe von jeweils 10.000 Euro in den Jahren 2017 und 2018 zur Verfügung. Der Diplomstudiengang werde mit jeweils 45.000 Euro in diesem sowie im nächsten Jahr gefördert.

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