Ein Plan, um AIDS zu besiegen

Dienstag, 29. November 2016
– Von Ina Friedl –

An AIDS muss heute niemand mehr sterben. HIV-Infizierte können heute mit Hilfe von Medikamenten ein nahezu unbeeinträchtigtes Leben bis ins hohe Alter führen. Bei einer konsequenten und frühzeitigen Einnahme der Medikamente kann die Virenlast so weit reduziert werden, dass der Betroffene nicht mehr infektiös ist. Die Weltgesundheitsorganisation hält es sogar für möglich, die Epidemie bis 2030 ganz zu besiegen. Ein ehrgeiziges Ziel, denn dafür müssen weltweit 95 Prozent der Infizierten medikamentös behandelt werden. Zumindest in Bayern sollte man dies versuchen, sagt der Experte im Gesundheitsausschuss und nennt den Ausschussmitgliedern die Voraussetzungen, wie dies gelingen kann.

Der Schlüssel im Kampf gegen AIDS ist die antiretrovirale Kombinationstherapie. Bei dieser Therapie wird der HIV-Patient mit einer Kombination aus drei Wirkstoffen behandelt, mit denen die Vermehrung der HIV-Viren gehemmt wird. Für den Patienten bedeutet dies: Eine AIDS-Erkrankung wird unwahrscheinlich und er kann ein symptomfreies Leben führen. Für seine Umwelt bedeutet es: Er ist nicht mehr ansteckend.

Das ist die Grundidee hinter einem Plan der Weltgesundheitsorganisation (WHO), den sie Fast-Track-Plan nennt. Bis 2030 soll AIDS damit besiegt sein. Hans-Peter Dorsch, der Leiter der AIDS-Beratungsstelle Oberpfalz, stellt den Plan der WHO im Gesundheitsausschuss des Bayerischen Landtags vor und weist zugleich auf dessen Pferdefuß hin: „Um erfolgreich zu sein, müssen sich alle Regierungen weltweit beteiligen und bis 2030 95 Prozent der HIV-Infizierten in Behandlung bringen“. Die Ausschussvorsitzende, Kathrin Sonnenholzner (SPD), hält das für utopisch, denn der Zugang zu Medikamenten sei nicht überall gegeben. Aber in Bayern solle man sich der Herausforderung stellen.

Aber auch in Bayern ist noch einiges zu tun, weiß Hans-Peter Dorsch: In Bayern gibt es geschätzte 12.000 Menschen mit HIV. Eine Diagnose HIV positiv haben 10.000 Menschen. In medikamentöser Behandlung sind 8.600 Menschen und damit weit weniger als die anvisierten 95 Prozent. Medikamente sind bei uns vorhanden, es muss also einen anderen Grund geben, dass nicht jeder Betroffene eine Therapie macht. „Zuerst einmal sind nur 86 Prozent aller HIV-Infektionen überhaupt diagnostiziert“, sagt Dorsch. Die Angst vor der Diagnose sei groß, ebenso die Angst vor Diskriminierung und Stigmatisierung – manche machen aus diesem Grund keinen AIDS-Test. Zudem richten sich die Tests oft an die falsche Zielgruppe. „Es macht keinen Sinn, Testprojekte für die breite Bevölkerung anzubieten. Die Angebote müssen sich an die Key-Population richten“. Die „Key-Population“- das sind immer noch zum größten Anteil homosexuelle Männer, die sich bei sexuellem Kontakt infizieren. Heterosexuelle Menschen und Drogenabhängige machen einen vergleichsweise niedrigen Anteil aus. Unter den Infizierten in Bayern ist der Anteil der Migranten besonders hoch. Sie bringen die Krankheit meist aus ihren Herkunftsländern mit. Dieser Umstand macht den AIDS-Beratungsstellen ihre Arbeit noch schwerer, weil die Betroffenen oft nicht hinreichend deutsch sprechen und sich kaum mit den medizinischen Versorgungsstrukturen in Bayern auskennen.

Die AIDS-Beratungsstellen führen Testprojekte durch, sie machen Aufklärungs-Kampagnen, um die Angst vor Aids zu nehmen, sie betreiben Präventionsarbeit, zum Beispiel in Schulen und für besonders gefährdete Personengruppen, wie Homosexuelle, Sexarbeiter oder Drogenabhängige, und sie sind Anlaufstelle für die psychosomatische Beratung von Betroffenen. Hier wird immer zu einer Medikamenten-Therapie geraten – im individuellen Interesse und im Interesse der Allgemeinheit. Gar nicht so wenig diagnostizierte HIV-Patienten – nämlich 18 Prozent – verweigern eine Therapie. Der Grund sei zumeist eine Überforderung mit der persönlichen Situation, sagt Hans-Peter Dorsch.

Viel Arbeit also für die AIDS-Beratungsstellen in Bayern. Die 15 Organisationen sind in den Bezirkshauptstädten Bayerns angesiedelt. Sie erhalten etwa 70 Prozent ihrer Mittel aus der öffentlichen Hand und 30 Prozent vom Träger –also kirchlichen Verbanden, Stiftungen oder Vereinen. Die Mittel seien seit vielen Jahren nicht erhöht worden, obwohl sich die Beratungsfälle in den letzten 20 Jahren verdoppelt hätten, so Dorsch. Die Beratungsstellen befänden sich in einem finanziellen und personellen Auszehrungsprozess und seien nicht im Stande, den WHO-Plan in Bayern umzusetzen, sagt Dorsch und verbindet seine Aussage mit einem Appell zur besseren finanziellen Unterstützung der AIDS-Beratung.

Ulrich Leiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) fragt im Anschluss, ob sich auch Probleme ergäben durch die ausschließliche Ansiedelung der Beratungsstellen in den Bezirkshauptstädten. Das sei nicht das Problem, antwortet Hans Peter Dorsch. Seine Beratungsstelle in Regensburg erreiche die ganze Oberpfalz. Auch weil seine Mitarbeiter im Jahr 20.000 km durch den gesamten Regierungsbezirk fahren.

Die Ausschussmitglieder Jürgen Baumgärtner (CSU) und Dr. Karl Vetter (FREIE WÄHLER) haben an den Experten noch zwei grundlegende Fragen zur Behandlung von AIDS. „Gibt es denn inzwischen Impfungen gegen AIDS?“, fragt Vetter. Und Baumgärtner bringt das gerade in Deutschland zugelassene PrEP-Medikament gegen AIDS ins Gespräch. Eine Impfung gäbe es noch nicht, obwohl seit Jahren daran gearbeitet werde, sagt Dorsch. Das PrEP dagegen sei sehr vielversprechend: Bei dem PrEP handelt es sich um ein Präventions-Medikament, das ähnlich wie die Malaria-Prophylaxe als vorbeugender Schutz vor einer möglichen Ansteckung eingenommen wird. Für Risikogruppen sei dies sehr sinnvoll, sagt Dorsch. Mit 800 Euro pro Monatspackung aber eher nicht für alle erschwinglich und schon gar nicht als Krankenkassen-Leistung vermittelbar.

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