Innenausschuss: Sachverständigenanhörung zur Reform des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes

Viel Lob, aber auch Kritik

25. April 2023

MÜNCHEN.       Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe hat im Jahr 2020 das Telekommunikationsgesetz und mehrere Fachgesetze des Bundes, die eine sogenannte Bestandsdatenauskunft ermöglichen, für verfassungswidrig erklärt. Das betrifft indirekt auch das Bayerische Verfassungsschutzgesetz und das Bayerische Datenschutzgesetz, weshalb sowohl Staatsregierung als auch SPD-Fraktion einen Reformvorschlag vorgelegt haben. Bei der Anhörung im Innenausschuss gingen die Meinungen der Sachverständigen über die Entwürfe weit auseinander.

Jurist Prof. Dr. Tristan Barczak von der Universität Passau hielt beide Gesetzentwürfe für verfassungsgemäß. Bayern reize bei der Sicherheitsgesetzgebung das Recht zwar meistens aus, in diesem Fall habe er aber keine Bedenken. Die Neuregelung der SPD nannte er „modern und transparent“, die der Staatsregierung eine „Reparaturgesetzgebung“. „Beides ist aber ein gangbarer Weg.“ Bauchschmerzen bereiten Barczak die mangelnde Trennschärfe bei den drei geplanten Eingriffsschwellen bei der Beobachtungsbedürftigkeit, also wie intensiv eine Person überwacht werden darf.

„Der Entwurf der Staatsregierung bringt deutliche Verbesserungen“, lobte Jurist Prof. Dr. Matthias Bäcker von der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Allerdings müssten zwei Punkte geändert werden: Zum einen sei der Schutz Minderjähriger immer noch nicht ausreichend gewährleistet. Zweitens lege der Entwurf die Ermächtigung zum Einsatz verdeckter Ermittler und Vertrauensleute teilweise sehr weit aus. Bäcker geht davon aus, dass dies nicht den verfassungsrechtlichen Maßstäben aus Karlsruhe genügt.

Prof. Dr. Jan-Hendrik Dietrich von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung lobte die Qualität beider Gesetzentwürfe. In der Vorlage der Staatsregierung warnte er aber vor einer Überregulierung bei der Beobachtungsbedürftigkeit, weil diese im Gesetz sehr kleinteilig geregelt sei und in der Praxis zu Problemen führen könnte. Dietrich forderte ebenso, in den Entwurf reinzuschreiben, dass auch Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Juristen und Journalisten Extremisten sein können.

Mehr Datenübermittlung an die Polizei

Kritik am BVerfG übte Jurist Prof. Dr. Klaus Ferdinand Gärditz von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Karlsruhe neige zu einem „Overkill“ an Instruktionen, vergesse aber bei der Datenübermittlung wesentliche Fragen. Es könne doch nicht sein, dass die Polizei nicht informiert werden darf, wenn zum Beispiel ein Reichsbürger Waffen horte. Gärditz lobte den Entwurf der Staatsregierung: „Er wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht.“

Die Leiterin der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München, Gabriele Tilmann, war das Thema Datenübermittlung ebenfalls ein Anliegen. Nicht, um möglichst viele Täter anzuklagen, sondern damit Verfassungsschutz, Polizei und Strafverfolgungsbehörden gut zusammenarbeiten können. Der SPD-Entwurf ließe in dieser Hinsicht mehr Spielräume bei der Datenübermittlung als der der Staatsregierung.

Prof. Dr. Markus Löffelmann von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung verlangte im CSU-Entwurf, den Einsatz der nachrichtendienstlichen Mittel klar zu benennen und dies nicht nur in einer Dienstvorschrift zu machen. Auch die Datenübermittlung sei „problematisch“. Des Weiteren wies er darauf hin, dass in Bayern und anderen Bundesländern seit 2009 keine Wohnraumüberwachung mehr durchgeführt wurde. „Es wäre also Zeit, darüber nachzudenken, nicht mehr benötigte Befugnisse wieder abzuschaffen.“

Weniger Menschen beobachten

Eine stärkere Abstufung, wann eine Person als beobachtungswürdig gilt, wünschte sich der Regierungsdirektor a.D., Josef Schüßlburner. Gleichzeitig warnte er davor, mutmaßlich rechtmäßig handelnde Menschen wegen bestimmter Auffassungen als beobachtungswürdig einzustufen, nur „weil sie bei Parlamentswahlen erfolgreich sind“. „Der Verfassungsschutz ist keine Gedankenkontrolle.“ Er plädierte für den Entwurf der SPD.

Prof. Dr. Mark A. Zöller, Geschäftsführer des Instituts für Digitalisierung und das Recht der Inneren Sicherheit (IDRIS) der Ludwig-Maximilians-Universität in München, kritisierte die bisherige Diskussion als „zu harmonisch“. Den detaillierten Vorgaben aus Karlsruhe kann seiner Meinung nach nur der SPD-Entwurf standhalten. Die Vorlage der Staatsregierung sei nicht transparent und voller unbestimmter Rechtsbegriffe. „Wie sollen die Rechtsanwender das umsetzen?“, fragte er. „Oder ist die Unbestimmtheit möglicherweise gewollt?“

In der anschließenden Fragerunde warnte die CSU-Fraktion vor Einschränkungen bei der Datenübermittlung. Deren Abgeordneter Alfred Grob nannte es als ehemaliger Polizeibeamter „unerträglich“, wenn Anschläge nicht verhindert werden könnten, weil Daten vom Verfassungsschutz nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden dürfen. Auch Holger Dremel berichtete, dass es bei der Übermittlung geheimer Informationen immer wieder zu Problemen kommt.

Grüne: Nicht alles ausreizen, was geht

Johannes Becher (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hingegen sprach sich dafür aus, unnötige Befugnisse aus den Entwürfen zu streichen und nicht alles auszureizen, nur weil es verfassungsgemäß ist. Seiner Meinung nach befinde man sich aktuell bei beiden Entwürfen im Reparaturmodus statt vor einem großen Wurf.

Statt weniger brauche es mehr Befugnisse, meinte Horst Arnold (SPD). „Wenn jemand mit verfassungswidrigen Kennzeichen rumläuft und der Verfassungsschutz die Daten trotzdem nicht an Strafverfolgungsbehörden übermitteln darf, wird das doch kein Bürger verstehen.“

Wolfgang Hauber (FREIE WÄHLER) gab zu bedenken, dass Maßnahmen mit geringer Eingriffsintensität in der Dienstvorschrift festgelegt werden, die der parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Für ihn ist dies daher ein Mehr an Rechtsstaatlichkeit.

Alexander Muthmann (FDP) meinte, um die Probleme bei der Datenübermittlung zu lösen, brauche es nicht noch mehr Befugnisse. In seinen Augen hat die bisherige Regelung der Staatsregierung sich einfach nur unzureichend um die praktischen Bedürfnisse bei der Übermittlung gekümmert.

/ David Lohmann

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