Sportausschuss: Staatsminister Herrmann über die Situation der Vereine nach den Corona-Einschränkungen
Bayerns Sportverbände leiden unter den Folgen der Pandemie
13. Juli 2022
MÜNCHEN. Bayerns Sportvereine haben sich trotz finanzieller Unterstützung des Freistaats immer noch nicht von den monatelangen Schließungen erholt. Laut Sport- und Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ist neben den gesunkenen Mitgliederzahlen insbesondere die Wiedergewinnung von ehrenamtlichem Personal ein Problem. Er äußerte sich auch zur neuen Fanszenedatei „EASy Gewalt und Sport“, die vor allem von der Grünen-Fraktion kritisiert wurde.
Die Lockdowns und monatelangen Einschränkungen beim Sport wirken sich noch immer auf die bayerische Vereinslandschaft aus. Zwar wurden Anfang April alle Corona-Maßnahmen aufgehoben. „Es gab aber einen erheblichen Mitgliederschwund, der bis heute nicht kompensiert werden konnte“, erklärte Minister Herrmann im ►Sportausschuss des Landtags. Der bayerische Landessportverband habe zum Beispiel noch immer 86.000 Mitglieder weniger als vor Corona.
Um den Sportvereinen zu helfen, wurde die Vereinspauschale in den Jahren 2020 und 2021 auf 40 Millionen Euro verdoppelt. Herrmann schloss eine weitere Förderung angesichts der steigenden Strom- und Heizkosten durch den Krieg in der Ukraine auch für das aktuelle Jahr nicht aus. Außerdem habe es viele praktische Erleichterungen für Vereine gegeben – beispielsweise bei der Antragsstellung oder den Trainerlizenzen. Damit die ehrenamtlichen Mitglieder nach der Corona-Pause wieder zurückkehren, wurde ein Sondertopf in Höhe von 300.000 Euro für Marketingmaßnahmen aufgelegt.
Um dem Bewegungsmangel bei Kindern in den letzten zwei Jahren entgegenzuwirken, hat die Staatsregierung Gutschein-Programme ins Leben gerufen. Wer im laufenden Schuljahr einem Sportverein beitritt, bekommt den Jahresbeitrag von 30 Euro erstattet. Beim Seepferdchen-Abzeichen gibt es sogar 50 Euro Zuschuss. „Leider wurden bisher nicht so viele Schwimmkurse angeboten, wie wir bräuchten“, sagte Herrmann. Er sorgte sich, dass ab Herbst wieder Hallenbäder schließen. Nicht wegen Corona, sondern um Energie zu sparen. Das habe natürlich Auswirkungen auf die Schwimmfähigkeit der Kinder.
Gutscheine für Sport- und Schwimmkurse
Max Deisenhofer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) freute sich in der anschließenden Aussprache zwar über die Gutscheinhefte. „Wenn Kinder aber für einen Schwimmkurs ein Jahr oder länger warten müssen, ist das ein Rohrkrepierer.“ Er forderte, Sportstätten auch über den Winter offenzulassen, damit sich die Vereinsmitgliedschaften wieder lohnen.
Alexander Muthmann (FDP) regte an, beim Rechtsanspruch für Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab 2026 an den Nachmittagen einen besonderen Fokus auf Sportangebote zu setzen. Da es noch zu wenig ausgebildete Pädagogen im Sportbereich gebe, sollten dabei unbedingt auch die Sportvereine mit einbezogen werden.
Klaus Adelt (SPD) befürchtete, dass es im Herbst durch Corona wieder zu einem Lehrkräftemangel kommt. „Und was fällt dann als Erstes aus? Kunst, Religion, Sozialkunde und Sport.“ Damit es in der kalten Jahrhälfte nicht zu Schwimmbadschließungen wegen der Energiekrise kommt, müssten mehr Mittel für die Bädersanierung bereitgestellt werden.
Max Gibis (CSU) lobte die finanziellen Hilfen wie die Verdoppelung der Vereinspauschale. Auch bei den sich langsam erholenden Mitgliederzahlen zeigte er sich zuversichtlich. Eine Herausforderung sei aber die Reaktivierung der ehrenamtlichen Strukturen. „Wir können ja niemand zu einer Freiwilligentätigkeit zwingen.“
Beobachtung der gewaltbereiten Fanszene
Im zweiten Tagesordnungspunkt ging es ebenfalls um Sport, genauer um die Fanszenedatei „EASy Gewalt und Sport“. Sie wurde in Bayern Anfang 2020 zusätzlich zur bundesweiten „Datei Gewalttäter Sport“ eingeführt. Darin werden personenbezogene Daten im Zusammenhang mit Störungen bei Sportveranstaltungen gesammelt, beispielsweise bei Pyrotechnik, Beleidigung, Bedrohung oder Nötigung. „Dadurch können wir gewaltbereite Gruppen noch besser im Blick behalten“, erklärte der Sport- und Innenminister.
Zugriff auf EASy GS hat laut Herrmann nur ein sehr enger Personenkreis, beispielsweise szenekundige Polizeibeamte. Jeder Bürger habe darüber hinaus einen Auskunftsanspruch über die erhobenen Daten und könne eine Löschung beantragen. Da Daten regelmäßig aussortiert würden und durch die coronabedingten Geisterspiele nur wenig Straftaten hinzugekommen wären, sei die Zahl der gespeicherten Personen in den letzten zwölf Monaten von 1644 auf 845 zurückgegangen.
Deisenhofer kritisierte, dass die Öffentlichkeit erst durch eine schriftliche Anfrage der Grünen von der Fanszenedatei erfahren habe. Der Abgeordnete zweifelte an der Qualität der Daten. Teilweise seien Menschen darin erfasst, weil sie einen Aufkleber in der Nähe eines Stadions angebracht oder bei einem Gerichtsprozess als Zeugen ausgesagt hätten. Auch Stefan Schuster (SPD) sah keinen konkreten Nutzen der Datenbank.
Holger Dremel (CSU) erklärte, die Fanszenedatei helfe der Polizei bei der Lageeinschätzung rund um ein Sportereignis. Bei allein vier Millionen Zuschauern bei den Fußballspielen der ersten, zweiten und dritten Bundesligen in Bayern seien 845 registrierte Personen absolut verhältnismäßig.
Muthmann von den Liberalen sah weniger in EASy GS ein Problem. Ihn störte viel mehr, dass durch die aktuellen Untersuchungsausschüsse im Landtag „Millionen von Datensätzen“ nicht gelöscht werden dürften, weil sie noch als Beweismittel gebraucht werden könnten. „Das ist in diesem Umfang nicht mehr plausibel.“
/ David Lohmann