Experten-Anhörung zur Frage: Ist der bayerische Katastrophenschutz gut aufgestellt?

Anhörung von Sachverständigen aus Bundeswehr, Rettungsorganisationen und Notfallmedizin im Innenausschuss

9. Februar 2022

MÜNCHEN.    Nach den verheerenden Flutkatastrophen im Ahrtal und im Berchtesgadener Land im vergangenen Sommer überprüft der Innenausschuss des Bayerischen Landtags, wie der Freistaat für den Katastrophenschutz gerüstet ist.  Dazu waren Fachleute von Bundeswehr, Rettungsorganisationen und Notfallmedizin eingeladen, die deutlich machten, ob und wo es noch Nachbesserungsbedarf gibt.

Katastrophen können in verschiedenen Formen auftreten: von Extremwetterereignissen, Hochwasser, Flutkatastrophen über Stromausfall bis hin zu Zugunglücken oder Chemieunfällen. Erfahrung mit solchen Ereignissen hatten alle Experten, die im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport auf Anregung der Grünen-Fraktion zu Wort kamen. Sie äußerten sich nicht nur zur Zukunft des Katastrophenschutzes und der damit verbundenen Personalausstattung, sondern beschäftigten sich auch damit, wie die Bevölkerung besser einbezogen werden kann. Übereinstimmend kamen die Sachverständigen zum Schluss, dass Bayern für den Katastrophenfall insgesamt zwar gut vorbereitet ist, es aber durchaus noch Optimierungsmöglichkeiten gibt.

„Nach der Krise ist vor der Krise“

Einhellig auch die Einschätzung, dass sich für den Freistaat dezentrale Strukturen bewährt haben. So erteilte Dr. Fritz-Helge Voß, bayerischer Landesbeauftragter des Technischen Hilfswerks (THW), Bestrebungen eine Absage, Katastrophenschutz-Strukturen zu zentralisieren. Ebenso forderte Klaus Geiger, „Entscheidungen müssen vor Ort getroffen werden“. Der Referent für Finanzen, Organisation und digitale Verwaltung des Bayerischen Landkreistags verwies zudem darauf, dass auf die Landratsämter neue Aufgaben im Katastrophenschutz zukämen, wofür mehr Personal benötigt werde. Landrat Bernhard Kern konnte das aus seiner Erfahrung mit der Flut im Berchtesgadener Land, vergangenen Juli untermauern. Auch wenn der akute K-Fall beendet sei, so der Landrat, gebe es Aufgaben, die weiter begleitet werden müssten. „Nach der Krise ist vor der Krise“, brachte Kern die Anforderungen auf den Punkt.  

Bevölkerung einbinden

Von einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe sprach Robert Schmitt, Präsident des Medizinischen Katastrophen-Hilfswerks Deutschland. Insgesamt müsse der Katastrophenschutz breiter aufgestellt werden. Das sei nur mit einer vorbereiteten Bevölkerung möglich: „Die besten Sirenen bringen nichts, wenn die Bürgerinnen und Bürger nicht wissen, was der Warnton bedeutet.“ Dem stimmte Professor Thomas Wurmb, Leiter der Sektion Notfall- und Katastrophenmedizin am Universitätsklinikum Würzburg zu. Die Bevölkerung einzubinden, auf die Schulen zuzugehen sei ein probates Mittel. Auf die Frage von Stefan Schuster von der SPD nach einheitlichen Kommunikationsstandards, kritisierte der Professor unterschiedliche Funktionen und Nomenklatur: Was in Bayern „Hilfeleistungskontingent“ heiße, werde bundesweit als „Medizinische Task Force“ bezeichnet.

„Üben, üben, üben“

Für Kreisbrandrat Johann Eitzenberger erscheint die Entwicklung eines gemeinsamen Melde- und Lagezentrums in Bayern als Mittel zur Verbesserung des Katastrophenschutzes. Zudem gelte es, so der Vorsitzende des Landesfeuerwehrverbands Bayern, eingeübte Strukturen auch länderübergreifend einzusetzen. Aus Sicht der Bundeswehr ist der Katastrophenschutz in Bayern gut etabliert und die Zusammenarbeit mit den einzelnen Akteuren funktioniert einwandfrei. Wichtig sei es, erläutert der Kommandeur des Landeskommandos Bayern, Brigadegeneral Thomas Hambach, in der Krise die Köpfe zu kennen. Auch in diesem Punkt waren sich die Fachleute einig, ebenso wie bei der Aussage Hambachs, neue Erkenntnisse, wo es noch fehle, erhalte man nur durch „üben, üben, üben.“  Robert Riedl von den Freien Wählern regte an, Informationen, die in Großübungen gewonnen wurden, auf kleinere Einheiten wie Landratsämter und Gemeinden herunter zu brechen.

Akteure besser vernetzen

Voraussetzung dafür ist die Koordination der Beteiligten. Eine stärkere Vernetzung der Akteure, landkreis- und bundeslandübergreifend, forderte Thomas Lobensteiner von der Bergwacht Bayern.

Lobensteiner berichtete aus seiner praktischen Erfahrung, wonach die Koordination immer dann schwierig werde, wenn mehrere Landkreise zusammenkommen. Ergänzend schilderte Marcus Röttel von der Wasserwacht-Bayern: „In manchen FüGKs (Führungsgruppen Katastrophenschutz) müssen wir uns unseren Platz erkämpfen.“ Mit der Frage „Was ist, wenn der Strom ausfällt?“, regte der CSU-Abgeordnete Norbert Dünkel an, die Vernetzung der einzelnen Akteure zu intensivieren, warnte allerdings davor, in den Katastrophenschutz nach dem Gießkannenprinzip zu investieren.

Die einzige Frau im Kreis der Experten, die frischgekürte Präsidentin des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) und CSU-Landtagsabgeordnete Angelika Schorer, plädierte für einen leichteren Zugang zum Ehrenamt. Es müsse mehr wertgeschätzt und langfristig anerkannt werden. Für die Sachverständigen gehört dazu auch, Spontanhelfer, die nicht in einer der Hilfsorganisationen eingebunden sind, besser zu integrieren. Keine leichte Aufgabe, denn in der Akutphase einer Katastrophe haben Spontanhelfer laut Leonhard Stärk vom BRK nichts zu suchen, auch um Helferstrukturen nicht zu behindern. Katharina Schulze (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hakte nach, was genau gebraucht wird, um bei Katastrophenschutzlagen Betroffenen in psychosozialen Notlagen besser helfen zu können.

Mehr Prävention gefordert

Um private Unternehmen und deren Kompetenzen als Ergänzung einzuschalten, wie das Alexander Muthmann von der FDP-Fraktion anregte, werden laut dem Präsidenten des Medizinischen Katastrophen-Hilfswerks Deutschland Spezialisten-Kontakte genutzt. Mehr Prävention mahnte der Leiter der Branddirektion München, Oberbranddirektor Wolfgang Schäuble an. Wichtig seien beispielsweise vorausschauende Bebauungspläne.

Mit Blick auf das Pilotprojekt „Wehrdienst im Heimatschutz“ fragte Richard Graupner (AfD), inwiefern das Projekt im Zusammenhang mit dem Katastrophenschutz steht und wie die Anforderungswege sind. Brigadegeneral Hambach bestätigte, dass entsprechende territoriale Strukturen wieder aufgebaut, aber nur nachrangig auch im Katastrophenschutz eingesetzt werden sollen.

/ Miriam Zerbel

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