Kunstausschuss: Staatsminister Spaenle und Stararchitekt David Chipperfield berichten über Renovierungspläne für das Haus der Kunst

Mittwoch, 25. Januar 2017
– Von Jan Dermietzel –

Das Haus der Kunst an der Münchner Prinzregentenstraße ist dringend renovierungsbedürftig. Zwischen 1933 und 1937 von den Nationalsozialisten errichtet, wurde dieses Ausstellungsgebäude in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder nur provisorisch instandgesetzt. Es verfügt über keine eigene Sammlung, sondern zeigt heute Ausstellungen zeitgenössischer und moderner Kunst also genau jene Werke, die seine Erbauer aus dem kollektiven Gedächtnis hatten löschen wollen. Kunstminister Dr. Ludwig Spaenle, Architekt Sir David Chipperfield und Musemsdirektor Okwui Enwezor haben dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst jetzt über den Stand der umfassenden Renovierungspläne berichtet. Nicht alle Abgeordneten waren mit den Maßnahmen einverstanden.

Die Renovierung des Hauses der Kunst sei derzeit eine der „herausforderndsten und spannendsten Aufgaben“ für Architekten und Bauherrn in Europa, sagte Staatsminister Spaenle gleich zu Beginn. Schließlich gehe es nicht nur um die bauliche Grundsanierung des Gebäudes, nicht nur um einen „globalen Hot Spot zeitgenössischer Kunst“, sondern auch um den „städtebaulichen Kontext“: Die Betreiber des Hauses, das dem Freistaat gehört, wollen erreichen, dass nicht nur Kunstfreunde aus aller Welt an die Prinzregentenstraße pilgern – sondern auch verstärkt die Münchner Bevölkerung.

Der britische Stararchitekt Sir David Chipperfield plant deshalb, das Gebäude sowohl an der Prinzregentenstraße einladender zu gestalten als auch für Fußgänger aus dem Englischen Garten besser zu erschließen. Chipperfields Entwürfe lieferten einen wichtigen Denkanstoß, wie man mit dem Haus der Kunst im 21. Jahrhundert umgehen könne, so Spaenle. Sie berücksichtigten nicht nur die Geschichte seiner Erbauung, die von „Provinzialität, Primitivität und Kriminalität“ geprägt gewesen sei. Sondern sie würdigten auch, dass seit 1946 die Museumsverantwortlichen alles daran gesetzt hätten, den ursprünglichen Zweck des Hauses ins Gegenteil zu verkehren.

Chipperfield hat das Haus einer grundlegenden Analyse unterzogen. Nötig sei zum einen eine Grundinstandsetzung in allen technischen Fragen, etwa Heizung, Dämmung, Feuerschutz, effiziente Lagermöglichkeiten und Sicherheitstechnik. Seine Aufgabe sei „nur eine Renovierung, kein Neubau“, betonte Chipperfield immer wieder. Das Haus trage den Ballast der Geschichte mit sich, verfüge aber davon unabhängig über „exzellente Ausstellungsräume“. Chipperfield will sie weiter optimieren und zum Beispiel die tageslichtdurchlässigen Decken wieder öffnen. Das nehme vor allem der Eingangshalle ihren düsteren Charakter.

Im bisher für Veranstaltungen genutzten, leerstehenden Westflügel möchte Chipperfield eine „Universalbühne“ mit flexiblen Zuschauerrängen, Bühnen und Veranstaltungstechnik bauen. Gegenüber den „passiven“ Ausstellungssälen im Ostflügel soll hier ein „dynamischer“ Raum entstehen, der die Zuschauer einbezieht und weit mehr Menschen als die üblichen Museumsbesucher für das Haus begeistern soll.

Im derzeit leeren Terrassensaal sollen ein öffentlich zugängliches Lounge-Café und ein neues Restaurant einziehen. Beides soll Lust machen, „einfach mal einen Nachmittag im Haus der Kunst zu verbringen“. Ein Dorn im Auge ist Chipperfield dabei der Parkplatz, der das Haus der Kunst vom Englischen Garten trennt und den Blick von der Terrasse auf Münchens Grünanlage stark beeinträchtigt. Der Architekt will deshalb eine Tiefgarage bauen und würde am liebsten zahlreiche Bäume fällen – so dass man das Haus der Kunst auch wieder vom Englischen Garten aus sehen und als Ziel anpeilen kann. Dies gilt auch für die Prinzregentenstraße, wo Chipperfield am liebsten die ursprünglichen großzügigen Treppen vor dem Gebäude wieder herstellen und die in den 1950er Jahren gepflanzten Bäume beseitigen möchte. „Wie ein Vorhang“ verbergen sie jetzt das Gebäude, sagte Chipperfield, „wir müssen diese Bäume thematisieren“. Das sei zwar nicht die entscheidende Frage bei der Sanierung des Hauses. Aber wenn man sich mit allen Details intensiv beschäftige, lande man zwangsläufig auch bei den Bäumen vor der Fassade.    

Statements der Ausschussmitglieder

Isabell Zacharias (SPD) gab Chipperfield in vielen Punkten recht: „Ein wundervoller Vortrag.“ Das Haus müsse generalsaniert, besser an die Innenstadt angebunden und „entmonumentalisiert“ werden. Dazu gehöre die Frage, ob die neoklassizistische Fassade einer Überarbeitung bedürfe – hierzu gebe es interessante Vorschläge von Münchner Studierenden. Beim geplanten Restaurant will Zacharias darauf achten, dass für den Durchschnittsbürger bezahlbare Gastronomie in das Museum einzieht. Georg Rosenthal (SPD) hingegen will weiter „Brüche sehen in dieser Architektur und nicht die konfliktfreie Rückführung auf 1937.“ Es gelte, ein entsprechendes Pflichtenheft mit politischen Vorgaben zu erarbeiten, an das der Architekt sich halten müsse.

Dr. Sepp Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gab sich noch kritischer: Chipperfieds Pläne seien zwar „anregend“. Dürr warnte aber davor, das Haus zu ansprechend zu gestalten und seine markante Architektur der 1930er Jahre wieder nach allen Regeln der Kunst freizulegen. Vor allem die Bäume vor der Fassade zur Prinzregentenstraße gehörten zur Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik. „Die Nazis wollten mit dieser Überwältigungsarchitektur etwas bezwecken“, so Dürr, „ohne Bäume schaut mich wieder der Nazi aus diesem Gebäude an.“ Zudem laufe Chipperfield Gefahr, mit einer freundlichen Lounge und einem Restaurant gen Englischen Garten den Blick auf die Historie des Hauses zu verwischen. Dürr forderte, den Landtag in diesen Fragen fortan stärker einzubeziehen.

Ausschussvorsitzender Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER) nannte Chipperfields Pläne indessen ein „faszinierendes künstlerisches Konzept“. Es bestehe nun eine große Chance, dass die Münchner das Haus der Kunst wieder stärker annehmen. Es lohne sich, dafür Geld in die Hand zu nehmen und die Debatte über Bäume vor und hinter dem Haus nun intensiv zu führen. In jedem Fall sei es geboten, Architektur und Geschichte des Hauses in einer eigenen Ausstellung zu thematisieren. „Wir brauchen keine Angst vor dieser Architektur zu haben“, so Piazolo. Oliver Jörg (CSU) warnte davor, die eigentliche Herausforderung zu zerreden: „Wie machen wir dieses Gebäude mitten in München wieder so attraktiv, dass die Leute es nutzen und wieder reingehen?“

Plädoyer für die Pläne Chipperfields

Okwui Enwezor, Direktor des Hauses der Kunst, warb bei den Abgeordneten für die Chipperfield-Pläne. Es sei ein „großes Glück“, einen Mann wie Chipperfield zu haben. Chipperfields Pläne berücksichtigten sehr wohl die Geschichte des Hauses, sie seien „gerade nicht demonstrativ und angeberisch“ wie die Nazi-Architektur. In den 1950er Jahren habe man das Haus mit Bäumen tarnen wollen. Es sei Zeit, diese Tarnung zu beseitigen und sich auf die eine Aufgabe zu konzentrieren: „Den Menschen einem Zugang zu diesem Haus zu verschaffen und diesen Zugang für alle Menschen zu verbessern.“

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