"Bauernland in Bauernhand"
Expertenanhörung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
14. April 2021
MÜNCHEN. Kauf und Pacht von landwirtschaftlichen Flächen werden immer teurer. Vor diesem Hintergrund informierte sich der Landwirtschaftsausschuss, wie das Landesrecht novelliert werden kann, um dauerhaft Agrarland für die Landwirtschaft zu sichern.
Dramatisch steigende Bodenpreise machen den Landwirten in Bayern zu schaffen. Einer der Gründe: Private Investoren und Spekulanten, aber auch Kommunen suchen zunehmend nach Acker, Wald und Grünlandflächen als Geldanlage und Investitionsobjekt oder um über Vorratsflächen zu verfügen. Viele bäuerliche Familienbetriebe können da nicht mithalten. Auf Antrag der SPD-Fraktion erläuterten sieben Experten den Abgeordneten im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, wie landwirtschaftliche Fläche besser geschützt werden kann.
So beklagte der Bayerische Bauernverband, BBV, ein Auseinanderklaffen des Preises der landwirtschaftlich genutzten Flächen zwischen innerlandwirtschaftlichem Verkehrswert und dem Marktwert. Nach den Worten des BBV-Referenten Franz Sedlmeier fehlt in Bayern ein eigenes Ländergesetz, wie es beispielsweise Baden-Württemberg hat. Sedlmeier forderte, das Vorkaufsrecht für Siedlungsunternehmen zu stärken. Damit zielte er auf die BBV-Landsiedlung, ein Tochterunternehmen des Bauernverbandes, das als gemeinnütziges Siedlungsunternehmen das Vorkaufsrecht für Landwirte ausübt.
„Druck auf die Fläche wird stärker“
Aus der Praxis eines Milchviehhalters richtete Reiko Wöllert die dringende Bitte an die Abgeordneten: „Regulieren Sie den Verkauf von außerlandwirtschaftlichen Personen.“ Der Geschäftsführer Mitteldeutschland aus der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft sprach damit die Veräußerung an juristische Personen an, die vor allem in ostdeutschen Bundesländern an der Tagesordnung sei. „Der Druck auf die Fläche wird stärker“, warnte Wöllert.
Auch Franz Huber, Koordinator Landwirtschaft bei Ecovis Deutschland, beklagte „Preise, die in astronomische Höhen gestiegen“ seien. Bodeneigentum zu kaufen sei deshalb für viele Bauern nicht mehr möglich. Huber beobachtet bei seinen Kunden einen enormen Anstieg der Pachtflächenanteile.
Ein deutlicher Appell, sich mit dem Thema intensiver zu beschäftigen, kam von Rechtsanwalt Hubertus Benecke, der die Familienbetriebe Land und Forst Bayern vertritt. „Der Flächenverbrauch sollte deutlicher beachtet werden von politischer Seite.“ Gemeinsam mit einigen weiteren Sachverständigen kritisierte Benecke die Informationsmethode, wenn landwirtschaftliche Fläche verkauft wird. Sie erreiche viele Bauern gar nicht.
124 Hektar Ackerland gehen täglich verloren
Aus Bundessicht ging Jobst Jungehülsing, Leiter des Referats „Bodenmarkt“ im Bundeslandwirtschaftsministerium, auf die Entwicklung in der Konkurrenz um Agrarflächen ein. Bis ins Jahr 2005 habe den Bund Kauf und Pacht von landwirtschaftlichen Flächen nicht weiter interessiert. Mit der Finanzkrise habe sich das geändert. Festzustellen sei, dass seitdem vermögende Akteure höher verzinsliche Anlagen wie Agrarflächen suchten, um sie beispielsweise zu verpachten. Heute seien 60 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland Eigentum von Nicht-Landwirten. Zudem trüge der Verlust von durchschnittlich 124 Hektar Ackerland täglich zur Preistreiberei bei. Damit sei der Kauf für die Bauern betriebswirtschaftlich nicht mehr sinnvoll, die Pacht habe stark zugenommen.
Diese Einschätzung teilte auch Bernhard Kübler, Geschäftsführer a. D. der Landsiedlung Baden-Württemberg. „Ein knappes Gut steigt im Preis.“ Darüberhinaus berichtete Kübler von den Erfahrungen in Baden-Württemberg, das bislang als einziges Bundesland ein Agrarstrukturverbesserungsgesetz erlassen hat, auch als Reaktion auf den Flächenerwerb von Schweizer Landwirten im Zollgrenzbereich zur Schweiz. In Küblers Augen war nicht nur das Gesetz, sondern auch das einheitliche Verwaltungshandeln entscheidend für dessen Erfolg. Das gesetzliche Vorkaufsrecht funktioniere nur, wenn der Zeitdruck zum Finden eines Käufers beseitigt werde. Nötig sei zudem eine staatlich finanzierte Landgesellschaft oder Landsiedlung mit starker Kapitalausstattung für den Erwerb von Agrarflächen.
Die bayerischen Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen sind nach Informationen von Andreas Tietz, vom Thünen-Institut in Braunschweig, die höchsten bundesweit. Wegen der Kapitalmarktentwicklung sei es aber schwierig, darauf preisdämpfend Einfluss zu nehmen. Der Marktwert liegt Tietz zufolge im Freistaat derzeit weit über den nach betriebswirtschaftlicher Kalkulation zu ermittelnden Ertragswerten.
Bessere Kontrolle von „share deals“
In der folgenden Diskussion zeigte sich, dass die Ausschussmitglieder hoffen,
aus der Anhörung Informationen für ein noch vom Staatsministerium für Ernährung Landwirtschaft und Forsten zu erstellendes Gutachten zu ziehen. Der stellvertretende Ausschussvorsitzende Martin Schöffel (CSU) sieht in den extremen Grundstückspreissteigerungen eine Herausforderung. Schöffel wollte ebenso wie die SPD-Abgeordnete Ruth Müller wissen, wie Kauf- und Pachtpreise begrenzt werden können. Müller interessierte sich darüberhinaus dafür, wie sich mehr Transparenz in ein Agrar-Gesetz bringen lässt und wie so genannte „share deals“ besser kontrolliert werden können, bei denen unter Vermeidung der Grunderwerbssteuer nur Geschäftsanteile den Besitzer wechseln.
Gisela Sengl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schlug vor, die doppelte Besteuerung beim Grunderwerb durch die gemeinnützige Landsiedlung abzuschaffen. In Richtung des Staatministeriums hakte Sengl nach, wann das Gutachten zum Thema fertig sei. Für die AfD fragte Andreas Winhart, wie die von Bauer Wöllert geschilderte Landnahme in Bayern verhindert werden könne und inwiefern der BBV sich gegen Bebauungspläne und die Umwandlung von Agrarflächen in Bauland ausgesprochen habe. Der liberale Abgeordnete Christoph Skutella verwies auf die Transparenzprobleme bei der Information über den Verkauf von Agrarflächen und mahnte eine zeitgemäße Struktur an.
Zusammenfassend sprach der Ausschuss-Vorsitzende Dr. Leopold Herz von den FREIEN WÄHLERN von der Zunahme an Pachtflächen und dem Bedürfnis der Gemeinden an Grundstücke zu kommen sowie die nicht mehr zeitgemäße Gesetzgebung. „Ich verweise auf das Gutachten“, so Herz, „das wir mit Spannung erwarten.“
/ Miriam Zerbel