Ökologischer Landbau und ökologische Lebensmittel in Bayern
Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
24. Mai 2023
MÜNCHEN. Erstmals in der Geschichte des kontrollierten Öko-Landbaus in Bayern sind 2022 die Umsätze für Bio-Lebensmittel gesunken. Als Grund nennt das Agrarministerium in der Sitzung des Ausschusses den Ukraine-Krieg, in dessen Folge die Inflation und der Spardruck auf die Verbraucher gestiegen sind. In einer Anhörung vor dem Agrarausschuss berieten Experten nachfolgend darüber, wie die Bio-Branche in Bayern trotzdem weiter wachsen und sich dem Ziel eines 30-Prozent-Anteils des Öko-Landbaus an der Agrarfläche bis 2030 zumindest annähern kann.
Die Gemeinschaftsverpflegung in Kantinen der öffentlichen Hand sowie der Mittagstisch an Schulen und Kindertageseinrichtungen sind nach Einschätzung mehrerer Fachleute die wichtigsten Hebel zur Förderung des Absatzes von Bio-Lebensmitteln in Bayern. Vor allem hier müsse der Freistaat mit Förderung und Richtlinien verstärktes Engagement zeigen, hieß es in einer Expertenanhörung im Agrarausschuss. Der Vorsitzende der Landesvereinigung ökologischer Landbau in Bayern, Thomas Lang, sah bei einem bundesweiten Gesamtumsatz von 80 Milliarden Euro in der Außer-Haus-Verpflegung große Potenziale für Bio-Produkte, zumal der tatsächliche Bio-Anteil an den Gerichten von Gemeinschaftsküchen derzeit noch unter einem Prozent liege.
Neben anderen sprach sich die Geschäftsführerin des Landesfachausschusses Ökologischer Landbau im BBV, Daniela Gehler, für eine verpflichtende Bio-Quote in diesen Einrichtungen aus. Diese müsse Teil aller neu verhandelten Verträge mit Pächtern und Caterern werden. Nach Einschätzung Gehlers würde es zudem helfen, wenn das bayerische Bio-Siegel als wichtiger Qualitätsnachweis in Gemeinschaftsküchen besser bekannt gemacht würde. Der Göttinger Professor Achim Spiller mahnte eine Qualitätsoffensive in der Schul- und Kita-Verpflegung sowie in Krankenhausküchen an. Dazu gehöre auch ein nennenswerter Bio-Anteil.
"Anspruchsspirale“ nicht unendlich nach oben drehen
Zur Verbesserung der Lage von Bio-Bauern appellierten die Experten an die Politik, für verlässliche und umsetzbare Rahmenbedingungen zu sorgen. Gehler sprach die Pläne zur Einführung einer Weidepflicht an, die von einigen Öko-Landwirten nicht oder zumindest nicht vollständig umgesetzt werden könne. Hier brauche es praktikable Lösungen, um die Bauern nicht in Aufgabe zu drängen. Die Allgäuer Biobäuerin Monika Mayer warnte davor, die "Anspruchsspirale" nicht unendlich nach oben zu drehen. Sie bezog sich dabei unter anderem auf immer strengere Tierwohlvorgaben. "Das muss für die Landwirte bezahlbar bleiben", meinte sie.
Um den Absatz von Bio-Produkten anzukurbeln, regte Spiller eine breite Informationskampagne an. Vor allem jüngeren Menschen seien die besonderen Qualitätsmerkmale von Bio-Lebensmitteln kaum bekannt. Die Geschäftsführerin der Biomolkerei Andechs, Barbara Scheitz, plädierte für eine weitere Verbreitung des bayerischen Bio-Siegels. "Hier braucht es mehr Sichtbarkeit, da muss der Handel mehr in die Pflicht genommen werden", sagte sie. Nach Einschätzung Gehlers muss auch die Gastronomie für die Verwendung von Bio-Produkten mehr in den Blick genommen werden. Hier brauche es Überzeugungsarbeit bei den Wirten.
Konventionelle Landwirtschaft nicht benachteiligen
Anthony Lee, Bundesprecher der Bewegung "Land schafft Verbindung", betonte die Notwendigkeit einer Kooperation zwischen konventioneller und biologischer Landwirtschaft. Mit Öko-Landbau allein sei die Lebensmittelversorgung nicht sicherzustellen. "Bio macht nicht überall Sinn, wir brauchen einen Mix in der Fläche", sagte er. Derzeit gebe es vielerorts Tendenzen zu einer Benachteiligung konventioneller Landwirte, zum Beispiel bei der Verpachtung von Flächen kommunaler oder kirchlicher Grundbesitzer.
Professor Jan Niessen von der Technische Hochschule Nürnberg sah Vertrieb und Handel nicht ausreichend in die Bio-Strategie des Freistaats eingebunden. Der Betriebswirtschaftler forderte für die öffentliche Ausschreibung von Kantinen- und Cateringleistungen klarere Vorgaben zugunsten von Bio-Produkten. Die Standardformulierung, dass 50 Prozent der angebotenen Ware bio oder regional sein müssten, bringe für den Öko-Landbau keinen Mehrwert. Zudem müssten zur Information der Verbraucher die Nachhaltigkeits- und Ökosystemleistungen der Bio-Landwirtschaft noch deutlicher in den Vordergrund gerückt werden.
Eine kontroverse Debatte löste Professor Spiller mit seinen Zweifeln an der Zielmarke von 30 Prozent Öko-Landbau bis 2030 aus. Dafür müsste sich die Anbaufläche in den kommenden sieben Jahren verdoppeln. "Das ist unrealistisch", sagte Spiller und warb für mehr Ehrlichkeit. "20 Prozent bis 2030 wären mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen schon ein Erfolg", meinte er. Dagegen warnte die Professorin Sabine Daude von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf davor, die Zielmarke "herunterzuschrauben". Dies wäre schädlich für die Motivation von Verbrauchern und Landwirten. Letztere würden dann Investitionsentscheidungen in Frage stellen, weil sie an der Verlässlichkeit der Politik zweifelten.
Auch Verbraucher in der Pflicht
In mehreren Beiträgen wurde von den Verbrauchern eine höhere Bereitschaft zum Kauf von Bio-Lebensmitteln gefordert. Daude sagte, diese müssten bereit sein, rund 20 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel auszugeben. Das würde dem Absatz von Bio-Produkten einen großen Schub geben. In diesem Zusammenhang warnte die Landwirtin Mayer davor, Billig-Bio-Produkte in Discountern zu forcieren. Davon hätten die meisten regionalen Öko-Betriebe nichts. Spiller ging davon aus, dass die gegenwärtige Absatzschwäche bei Bio-Produkten nicht lange anhalten werde. Die Nachfrage habe sich in der Vergangenheit nach Absatzdellen stets wieder erholt. "Da muss man ein bisschen die Nerven bewahren", meinte er.
/ Jürgen Umlauft