Vorstellung des Agrarberichts 2022

Landwirtschaftsministerin Kaniber informiert die Abgeordneten des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

13. Juli 2022

MÜNCHEN.    Der Agrarbericht 2022 hat die Entwicklungen in Land- und Forstwirtschaft sowie im Bereich Ernährung unter die Lupe genommen. Vor dem Hintergrund von Energiekrise, Inflation und dem russischen Angriffskrieg berichtete Agrarministerin Michaela Kaniber über die aktuelle Lage.

„Der Agrarbericht ist immer so eine Art Kompass, in welche Richtung schlägt es jetzt aus“, betonte die Staatsministerin vor dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Bayern behaupte weiter seine Rolle als führender Agrar- und Forschungsstandort in Deutschland mit einer Bruttowertschöpfung der Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei von rund 5,3 Milliarden Euro, so Staatsministerin Michaela Kaniber (CSU). Nehme man den vor- und nachgelagerten Bereich mit hinein, erziele die Branche „sage und schreibe 179 Milliarden Euro“. Das sei die zweitstärkste Wirtschaftssäule Bayerns mit 14 Prozent aller Umsätze.

Jeder siebte Arbeitsplatz

„Jeder siebte Arbeitsplatz ist in der Land- und Forstwirtschaft verhaftet.“ Insgesamt wurden 2022 rund 103.000 Betriebe mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 30,6 Hektar gezählt, 62 Prozent davon Nebenerwerbsbetriebe. Probleme gibt es viele im Agrarbereich: „Fast ein Viertel unserer Betriebe liegt zwar weiter in der mittleren Größenklasse von 20-50 Hektar. Allerdings verzeichnen wir hier einen Rückgang von 2,4 Prozent pro Jahr.“ Es handele sich hier oft um Vollerwerbsbetriebe, die auf Tierhaltung setzten. Die Zahl der Milchviehhalter habe sich um 4,4 Prozent jährlich reduziert, die der Mastschweinehalter um 8 Prozent. Die Gründe laut der Ministerin: „Eine verdammt hohe Arbeitsbelastung, eine wirklich sehr komplexe Arbeitsorganisation.“ Es habe viele umfangreiche Fachrechtsverschärfungen gegeben. Weitere Probleme: Sinkender Fleischverzehr, afrikanische Schweinepest und Absatzrückgänge der Coronapandemie. Damit stünden gerade die kleinen und mittleren Betriebe mit Tierhaltung wirtschaftlich unter Druck, obwohl die Gesellschaft sich diese Betriebe wünsche. Der durchschnittliche Gewinn je Haupterwerbsbetrieb lag 2021 bei 50.600 Euro - unter dem Schnitt der letzten fünf Jahre mit 54.400 Euro. Haupterwerbsbetriebe, die außerlandwirtschaftliche Standbeine hatten, konnten zusätzlich 13.000 Euro erwirtschaften. Bei Direktzahlungen, Ausgleichsmaßnahmen, AGZ und Investitionszuschüssen, immerhin 60 Prozent der Betriebsgewinne, liege Bayern weiterhin mit 501 Euro pro Hektar vorn. Trotz deutlicher Einschnitte im GAP-Budget seien die EU-Mittel für Bayern fast unverändert: circa 4,7 Milliarden Euro für den Zeitraum 2023 bis 2027.

Zu wenig Geld, zu hohe Kosten

Kaniber appellierte an die Bundesregierung, die Kombinationshaltung aus Anbindungshaltung mit Weidegang nicht zu verbieten. Sie kritisierte, dass bisher die Ergebnisse der Borchert-Kommission zum Umbau der Nutztierhaltung nicht übernommen wurden. „Man kann nicht bestes Tierwohl fordern und für den Stallumbau kein Geld zur Verfügung stellen.“ Dagegen seien in Bayern für Umbauten in den letzten beiden Jahren über 100 Millionen Euro Fördermittel an 725 Antragsteller bewilligt worden. Man solle sich auch überlegen, ob die Flächenstilllegung nicht aufgeschoben werden könne. „Der Krieg treibt die Preise nach oben, bedauerlicherweise aber auch die Kosten für Futtermittel, Düngemittel und Energie.“ Europa müsse angesichts des Krieges sowie zunehmender Dürre die Ernährungssicherheit sicherstellen. „Dass wir wie bei der Energie erpressbar werden, darf uns hier nicht passieren.“

Das bayerische Kulturlandwirtschaftsprogramm mit 337 Millionen Euro Fördermitteln zeige, wie „Schützen und Nützen“ funktioniere. Jeder zweite Betrieb habe sich daran beteiligt, auf einer Million Hektar würden Agrarumweltmaßnahmen durchgeführt. Mit aktuell 11.600 Betrieben, die über 410.000 Hektar Fläche bewirtschaften, sei man auch im Ökolandbau bundesweit spitze, 110 Millionen Euro jährlich investiere Bayern. Sorgen bereite die hohe Inflation - bei Nahrungsmitteln plus 12,7 Prozent. „Da liegt es auf der Hand, dass die Menschen, die immer mehr Geld für Energie, Mobilität und Miete ausgeben müssen, bei den Lebensmitteln sparen und öfter zur günstigeren Discounterware greifen“, erläuterte Kaniber. Für regionale Lebensmittel gebe es aber dennoch „Potenzial nach oben“.

Fieberthermometer und Königsweg

In der anschließenden Aussprache nannte der Vorsitzende Dr. Leopold Herz (FREIE WÄHLER) den Agrarbericht „eine Art Fieberthermometer“. In den letzten 40 Jahren sei Nahrung zu billig gewesen. Noch viel Spielraum gebe es bei regionalen Lebensmitteln, Vorarlberg und Tirol seien da schon weiter. Man dürfe auch nicht immer mehr Hürden für Landwirte aufbauen: „Es ist nicht die Lösung, wenn wir in Deutschland die Schweinehalter verlieren, die produzieren dann in Spanien und schicken ihre Produkte zu uns.“

Andreas Winhart (AfD) beklagte fehlende Ausführungen zur Düngemittelverordnung und dass eine ganze Seite im Bericht dem „Alternative Food“, also der fleischlosen Ernährung, gewidmet werde. „Gleichzeitig beklagt man schwierige Lage der Tierhalter!“ Klimaschutz werde dagegen sehr ausführlich behandelt, was derzeit aber nicht die Priorität sei.

Gisela Sengl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) forderte Einzelberichte zu den Bezirken. Zudem sei ein Produktionsmangel bei Obst und Gemüse zu erkennen. „Bio und regional ist für mich der Königsweg“, betonte die Abgeordnete. Stillgelegte Flächen wieder zu bebauen sei keine Lösung, der Klimawandel dürfe nicht gegen die Hungerkrise ausgespielt werden. Zudem wollte Sengl wissen, warum in Rheinland-Pfalz der Gewinn pro Betrieb um 40 Prozent gestiegen sei.

Ruth Müller (SPD) betonte, gutes und gesundes Essen solle nicht vom Geldbeutel abhängen. Da in fünf Jahren der Fleischkonsum um 10 Prozent abgenommen habe sehe sie für Landwirte „große Chancen im Bereich New Food“. Die Entwicklung der Betriebsstrukturen erfülle sie mit Sorge. „Jeder fünfte Betrieb bis 50 Hektar hat zugesperrt.“ Zudem müsse man den „Ausverkauf der Heimat“ an Investoren stoppen.

Martin Schöffel (CSU) nannte die Betriebsaufgabequote von 0,8 Prozent sehr gering. Es sei ein „Fehlschluss“, dass Betriebe bis 50 Hektar zusperrten. „Ein tierhaltender Betrieb braucht heute mehr Fläche, mehr Futtergrundlage.“ Die Betriebe würden deshalb in größere Strukturen hineinwachsen und aufgebende Höfe übernehmen. Zur Stilllegung von Brachflächen erklärte er, was das für den Klimawandel bringe: „Nichts. Nur dauerhaft begrünte Fläche bringt hier etwas, eine Brache jedoch nicht.“

Christoph Skutella (FDP) betonte, nicht nur die Finanzierung von Stallumbauten sei das Problem, auch Genehmigungsverfahren. Man müsse die Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung „mehr auf die Straße bringen, nicht nur forschen, sondern auch die Anwendung fördern“. Skutella fragte, wie viele Betriebe beim Moorbauernprogramm mitmachten und welcher Markt hier vorhanden sei.

Die Staatsministerin beantwortete abschließend die Fragen. Eine spezifizierte Bezirksanalyse werde sie prüfen. Bei der unzureichenden Obst- und Gemüse-Produktion erinnerte Kaniber daran, dass sich wärmere Länder beim Unter-Glas-Anbau einfach leichter täten – angesichts der zunehmenden Hitzewellen etwa in Franken gebe es dafür aber Chancen. „Wir dürfen auch nicht Hunger in der Welt gegen grüne Ideologien ausspielen“, mahnte sie bei den stillgelegten Flächen. Schließlich seien die ukrainischen Anbauflächen oft vermint und vermutlich auf Jahre hinaus nicht nutzbar. Rheinland-Pfalz verdiene vor allem besser, weil dort Weinbauern einen sehr hohen Absatz verbucht hätten. Für das Moorbauernprogramm gebe es noch keine Daten.

/ Andreas v. Delhaes-Guenther

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