Anhörung zur Situation der Kinder- und Jugendhilfe in Bayern

Sachverständige informieren Mitglieder des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie

25. November 2021

MÜNCHEN.      Die Situation der Kinder- und Jugendhilfe in Bayern war Thema einer Expertenanhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie unter dem Vorsitz der SPD-Abgeordneten Doris Rauscher.

In sozialen Berufen fehlt Personal. Sabine Ahlers-Reimann, Direktorin der Abteilung Kinder- und Jugendhilfe, Ausländer und Integration beim Bayerischen Landkreistag, schlug deshalb eine Imagekampagne und eine wissenschaftliche Erhebung zu Studiengängen und Ausbildungsangeboten vor.  

"Wir müssen mehr Leute ins System bringen", sagte Michael Eibl, Direktor der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg. Er betonte, dass die Ausbildung in diesem Bereich deshalb nicht niedrigschwelliger sein solle, sondern höherwertig.

Personalfluktuation gehöre mittlerweile zum Alltag, sagte Siegmund Hammel, Leiter des Jugendamts Eichstätt und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der oberbayerischen Jugendamtsleitungen. "Den Sozialarbeiter, der eine Familie ein Leben lang begleitet, gibt es nicht mehr."

"Es wird nicht die eine Lösung geben", so Sabine Lindau, Vorständin Verbandsvertretung, Integration und Familie bei der Diakonie Bayern. Um den Mangel zu beheben, müsse unter anderem Quereinsteigern der Zugang ermöglicht und das Studium staatlich finanziert werden.

Digitalisierung

Einig waren sich die Experten, dass es beim Thema Digitalisierung Nachholbedarf gibt, bei der technischen Ausstattung ebenso wie bei der Qualifizierung.

Digitale Endgeräte zum Homeschooling seien erst mit Spendengeldern angeschafft worden, berichtete Luca Müller, 1. Vorsitzender des Bayerischen Landesheimrats aus seinen Erfahrungen während der Pandemie. Das W-Lan sei nicht stabil gewesen und die Betreuer hätten sich mit der EDV nicht ausgekannt, so der Jugendliche. Laptops habe die Schule zur Verfügung gestellt, berichtete dagegen Schno Sulaiman-Farhan, auch sie Mitglied im Landesheimrat.

Corona habe einen Schub gebracht, doch noch immer werde nicht gesehen, dass die Digitalisierung institutionalisiert werden müsse, so Josef Parstorfer, Geschäftsführer des Sozialpädagogischen Zentrums St. Leonhard in Regensburg.

Fehlende Teilhabe

Wenn Geräte fehlten, könnten Kinder und Jugendliche ihrer Schulpflicht nicht nachkommen, so Dr. Melanie Mönnich, Referentin Kinder, Jugend, Bildung beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Die fehlenden Teilhabemöglichkeiten für Schüler und Schülerinnen seien enorm. Dass Ungleichheit und Teilhabechancen sich verschlechtert haben, beobachtet auch Elisabeth Ries, Mitglied des Sozialausschusses im Bayerischen Städtetag.

Strukturmängel seien durch Corona noch verstärkt worden, sagte auch Professor Mechthild Wolff, die an der Hochschule Landshut den Studiengang Kinder- und Jugendhilfe leitet. Fehlende Beteiligung junger Menschen führe zu einem Gefühl der Marginalisierung.

2G bei Jugendlichen

Auf Kritik stieß die zwei Tage zuvor verkündete 15. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung.

Aus Corona habe man nicht wirklich gelernt, sagte Matthias Fack, Präsident des Bayerischen Jugendrings BJR. Kinder und Jugendliche müssten in ihren Bedarfen wahrgenommen werden. Er bemängelt, dass 2G ungeimpften Kindern und Jugendlichen den Zugang zur Jugendarbeit verwehrt.

Für Heranwachsende seien andere Jugendliche wichtig, um sich in der Welt zu positionieren, so Dr. Christian Lüders, Vorsitzender des Bayerischen Landesjugendhilfeausschusses. Das werde mit einer 2G-Regel verhindert. Gerade die Ungeimpften wolle man ja erreichen.

Eine Stellungnahme dazu kam aus dem Sozialministerium: Peter Nitschke, zuständig für Jugendarbeit und -politik, sagte, auch ungeimpften Jugendlichen sei eine gewisse Teilhabe, etwa beim Sport oder Schauspiel, möglich.

Die Auswirkungen von Corona-Pandemie und Lockdown auf die Kinder und Jugendlichen seien massiv unterschätzt worden, sagte Holger Kiesel, Behindertenbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung. Kinder und Jugendliche mit Behinderung seien vulnerabel. Er forderte, ihnen mehr Möglichkeiten zu geben, ihre Bedürfnisse zu artikulieren.

Reform des SGB XVIII

Beim Thema Reform des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) und des SGB VIII sowie deren Auswirkungen auf Inklusion und das bayerische AGSG wurde der Wunsch nach mehr Klarheit laut: "Der Gesetzgeber lässt uns in der Luftleere hängen", so Julia Neumann-Redlin, Referentin für Soziales beim Bayerischen Bezirketag. Es gebe viele Schnittstellen, bei Volljährigkeit etwa zu Leistungen der Eingliederungshilfe oder der Pflege.

/ Anna Schmid

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