Rasch tätig werden: Sachverständige zur Reform des SGB VIII

Fachgespräch des Sozialausschusses zur Situation der Kinder- und Jugendhilfe in Bayern

03. Februar 2022

MÜNCHEN.   Im Mai 2021 hat der Bundesrat einem neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) zugestimmt: Die Reform des SGB VIII sieht unter anderem vor, dass Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung in Zukunft unter die Kinder- und Jugendhilfe fallen. Bisher waren Kinder- und Jugendhilfe und Eingliederungshilfe getrennte Systeme. In einem Fachgespräch hat der Sozialausschuss an eine Anhörung zur Situation der Kinder- und Jugendhilfe in Bayern im vergangenen November angeknüpft und sich mit der Reform in Bayern befasst.

Keine Zeit verlieren

Dabei wurde klar, dass die Beteiligten möglichst bald mit Modellprojekten an den Start gehen wollen. Deutlich machten sie auch: Ohne Geld wird es nicht gehen. Kostenneutralität sei nicht realisierbar, hieß es.

Das KJSG stelle die Beteiligten vor neue Aufgaben, so Dr. Christian Lüders, Vorsitzender des Bayerischen Landesjugendhilfeausschusses. Eingliederungshilfe und Kinder- und Jugendhilfe seien zwei verschiedene Welten. Verfahrenslotsen, die die Eltern betroffener Kinder ab 2024 als Ansprechpersonen begleiten sollen, seien eine gute Idee. Er plädierte dafür, diese Form der Betreuung schon jetzt zu erproben.

Finanzielle Mittel sind nötig

Sabine Lindau, Vorständin Verbandsvertretung, Integration und Familie der Diakonie Bayern wünschte sich Modellprojekte in unterschiedlichen Regionen, städtischen und ländlichen, finanzstarken und finanzschwachen, um herauszufinden, was funktioniert. Sie wies auch darauf hin, dass Inklusion Barrierefreiheit braucht, für die finanzielle Mittel nötig seien, etwa für Umzüge oder bauliche Veränderungen.

Die Sicherheit und die gute Betreuung von Kindern und Jugendlichen stehe im Vordergrund, betonte Michael Eibl, Direktor der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg.  Schon jetzt gebe es Probleme an Schnittstellen, etwa im Bereich der Heilpädagogischen Tagesstätten. Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung müssten miteinbezogen werden, es gebe große Sorge vor Qualitätsverlust.

Nicht auf den Bund warten

Es sei schon jetzt ein Problem, ausreichend Personal zu finden, so Elke Dürr, Vertreterin im Sprecherteam der Arbeitsgemeinschaft der oberbayerischen Jugendamtsleiter. "Es ist noch mal etwas anderes, wenn ich durch die Jugendamtsbrille schaue, als durch die Brille für Kinder- und Jugendliche mit Behinderungen".

Holger Kiesel, Behindertenbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung gab Dr. Lüders recht: Eingliederungshilfe und Kinder- und Jugendhilfe seien zwei Welten. Um sie zusammenzuführen, sei eine Reform nötig. Er mahnte, gerade bei den ersten Maßnahmen nicht auf den Bund zu warten, sondern auf Landesebene tätig zu werden, "und zwar rasch".

Focus auf Kinder- und Jugendliche

Eigentlich sei man gegen die Zusammenführung der Zuständigkeiten gewesen, so Stefanie Krüger, Geschäftsführendes Präsidialmitglied beim Bayerischen Bezirketag. Der Focus müsse auf den Kindern und Jugendlichen liegen. Die Lösung müsse "einen Benefit" haben für die Betroffenen oder wenigstens nicht schlechter werden.

Die Jugendämter würden sich, einmal in die Lage versetzt, den Herausforderungen stellen, sagte Sabine Ahlers-Reimann, Direktorin Kinder und Jugendhilfe, Ausländer und Integration beim Bayerischen Landkreistag. Um die Strukturen zu schaffen, sei ein zeitlicher Vorlauf von mindestens drei Jahren notwendig. Auch sie mahnte, nicht auf den Bundesgesetzgeber zu warten.

Offen für Modellprojekte

Inklusion sei ein wesentlicher Punkt, sagte, online zugeschaltet, Elisabeth Ries, Stadträtin und Mitglied des Sozialausschusses im Bayerischer Städtetag. Es gehe jedoch auch um die Aufgabenfelder Partizipation, Schutz und Bildung als Bildungsteilhabe, etwa beim Ganztagsförderungsgesetz oder bei inklusiver Bildung. Letztlich gehe es um die Ressourcen Geld, Personal, Einfluss und Zeit.

Man hätte sich gewünscht, dass der Bundesgesetzgeber klarer gewesen wäre, so die Vertreterin des Sozialministeriums. Es gebe viele Unschärfen. Für Modellprojekte mit Verfahrenslotsen sei man offen.

Die Vorsitzende des Sozialausschusses Doris Rauscher (SPD) dankte den Experten: "So, wie Sie uns brauchen, brauchen wir Sie mit ihrer ganzen Fachexpertise."

/ Anna Schmid

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