Schutzmaßnahmen vor Hochwasser und Sturzfluten in Bayern

Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz

6. Februar 2025

MÜNCHEN.       Nach dem Hochwasser in Bayern im letzten Sommer wollte der Umweltausschuss des Bayerischen Landtags in einer Sachverständigenanhörung auf Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD herausfinden, wie Menschen und Gebäude besser geschützt werden können. Denn neben Hochwasser kommt es auch zunehmend zu Starkregen und Sturzfluten. Noch immer werden die Gefahren aber vielerorts unterschätzt. 

Nordendorf im Landkreis Augsburg wurde beim Hochwasser 2024 überflutet. Den Ersten Bürgermeister Tobias Kunz ärgert das, denn schon seit 2014 will die Gemeinde für zwei Millionen Euro einen Deich bauen. „Das Wasserwirtschaftsamt muss aber jeden Schritt mit der Regierung in Schwaben abstimmen“, erklärte er. Daher wird es wohl mindestens bis 2030 dauern, bis der Deich fertig ist. Kunz wünschte sich daher mehr Entscheidungs- und Budgetkompetenz für Kommunen.

„Es braucht abgestimmte Konzepte zwischen den Kommunen und bei Investitionen ein solidarisches Handeln statt einer ‚Not in my backyard‘-Mentalität“, sagte Prof. Dr. Harald Kunstmann, Inhaber des Lehrstuhls für Regionales Klima und Hydrologie an der Universität Augsburg. Da kleinere Kommunen das oft nicht stemmen könnten, müsse der Freistaat Bayern sie finanziell besser unterstützen. Auch muss laut Kunstmann das Pegelmessnetz weiter ausgebaut werden.

Die Direktorin des Bayerischen Gemeindetages, Dr. Juliane Thimet, verlangte ebenso eine eindeutigere Definition des Begriffs Sturzflut oder Starkregen. Bei Hochwasser sei klar, dass bei Gewässern erster oder zweiter Ordnung der Freistaat Bayern und bei Gewässern dritter Ordnung die Kommune verantwortlich sei. Bei Sturzfluten oder Starkregen sei die Zuständigkeit hingegen unklar. Handlungsbedarf sah Thimet auch bei der um 21 Prozent gesunkenen Grundwasserneubildungsrate.

Die Anzahl von Gebäuden in Hochwasserzonen steigt unaufhaltsam

Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, berichtete von einer steigenden Anzahl von Schäden durch Extremwetter. Eine Pflichtversicherung hält sie dennoch für den falschen Weg. Wichtiger wäre es, Bauherrinnen und Bauherren wie in Österreich verpflichtend aufzuklären, wenn sie in einer Gefahrenzone bauen. „Jedes Jahr werden 1500 Neubauten in Hochwasserzonen gebaut“, betonte sie.

Ähnlich argumentierte Ingenieur Fabian Biersack von der Beraten und Planen Holding. Er mahnte die Kommunen zusätzlich, bei Neubau und Sanierung von Kanälen und Entlastungsbauwerken nicht immer nur das Mindestmaß zu nehmen, sondern von größeren Unwetterkatastrophen auszugehen. Auch müsse gründlicher geprüft werden, was bei Überschwemmungen und Sturzfluten mit Tiefgaragen sowie Unterführungen passiert.

Im Gegensatz zu Hochwasser trifft Starkregen Menschen oft völlig unvorbereitet. Prof. Dr. Wolfgang Günthert von der Universität der Bundeswehr in München unterstrich daher die Bedeutung von Kommunikation. „Wir haben zum Beispiel Flugblättchen an Kommunen verschickt, wie sie und Hausbesitzer sich besser vorbereiten können.“ Günthert kritisierte, dass seit 2017 nur zehn Prozent der gut 2000 Gemeinden in Bayern am Starkregenmanagement teilnähmen.

„Naturschutz und Hochwasserschutz miteinander verbinden“

Georg Loy, Vorsitzender der Projektgruppe „Wasserkraft“ des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, plädierte dafür, nicht zwischen Naturschutz und Hochwasserschutz abzuwägen, sondern beides miteinander zu verbinden. Daher müsse gesetzlich verankert werden, dass Maßnahmen zum Hochwasserschutz von übergeordnetem Interesse sind. „Sonst hat der, der ökologisch wirtschaftet, ein Problem“, unterstrich Loy.

Einen anderen Aspekt hob Prof. Dr. Karl Auerswald vom Lehrstuhl für Grünlandlehre an der Technischen Universität München (TUM) hervor: Durch hocheffiziente Entwässerungseinrichtungen fließt das Wasser bei Sturzfluten wie im Oktober 2024 in Valencia viel schneller. „Das hat nichts mit dem Klimawandel zu tun, aber dieser verstärkt den Effekt natürlich noch.“ Wasser dürfe daher nicht weggeleitet werden – „und wenn, möglichst langsam“.

„Wenn nur ein Strohballen den Abfluss verhindert, gibt es eine Überschwemmung“, pflichtete ihm sein TUM-Kollege Prof. Dr. Markus Disse, Inhaber des Lehrstuhls für Hydrologie und Flussgebietsmanagement, bei. Auch müsse der Nachwuchs schon im Studium mehr für hochwassergerechtes Bauen sensibilisiert werden. Disse erhofft sich in Zukunft durch bessere Niederschlagsabflussmodelle präzisere Aussagen über die Wasserstände.

Hilft die Digitalisierung, den Hochwasserschutz zu verbessern?

Auch Prof. Dr. Jürgen Stamm, Leiter des Instituts für Wasserbau und Technische Hydromechanik sowie Dekan der Technischen Universität Dresden, hegte die Hoffnung, dass durch die Digitalisierung der Schutz verbessert werden kann. Seiner Meinung nach mangelte es nicht an Ideen zum Hochwasserschutz, sondern an der Umsetzung. Gleichzeitig unterstrich er, dass es keine absolute Sicherheit geben wird – das müsse beim Risikomanagement berücksichtigt werden.

Für Dr. Bernhard Böhm vom DWA-Landesverband Bayern ist Hochwasserschutz nicht nur eine Aufgabe des Staates, des Katastrophenschutzes und der Kommunen, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. So müsse etwa auch die Land- und Forstwirtschaft mehr tun. Schwammlandschaften, Notentlastungsräume und resiliente Bauwerke seien zumindest bei kleineren oder mittleren Extremwetterereignissen wesentliche Bausteine im Hochwasserschutz.

In der anschließenden Aussprache hob auch Tanja Schorer-Dremel (CSU) hervor, dass für einen besseren Hochwasserschutz jeder seinen Teil dazu beitragen müsse. Der Landtag habe im aktuellen Nachtragshaushalt daher zusätzlich 80 Millionen Euro bereitgestellt. Sie bemängelte, dass nur 10 Prozent der Gemeinden beim Sturzflutenmanagement mitmachen würden. Wenn es nicht mehr würden, müsse man bei der Zulassung von Wohnungen in Risikogebieten wohl strenger werden.

Nicht noch mehr Bürokratie, fordern die FREIEN WÄHLER

Benno Zierer (FREIE WÄHLER) sprach sich gegen spezielle Auflagen beim Hausbau aus. „Die Menschen wissen auch ohne Gutachten, wo Hochwasser auftritt und wo nicht.“ Bauen müsse unkomplizierter, nicht komplizierter werden. „Sonst ist die Baugenehmigung eines Tages so teuer wie das Bauwerk“, sagte Zierer. Viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister seien jetzt schon frustriert.

Harald Meußgeier (AfD) betonte, dass sich das Klima schon seit Milliarden Jahren wandle und der Mensch nichts dafür könne. Er räumte allerdings ein, dass beim Hochwasserschutz auch viele menschliche Fehler gemacht worden seien – etwa durch das Teeren von Flurbereinigungswegen oder dem Zuschütten von Straßengräben.

Christian Hierneis (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) beklagte, dass es trotz der vielen Hochwasserschutzprogramme in Bayern immer noch zu viele Überschwemmungen gebe. Seiner Meinung nach wurde zu viel in den technischen und zu wenig in den natürlichen Hochwasserschutz investiert und gleichzeitig in den Wasserwirtschaftsämtern Personal abgebaut.

Anna Rasehorn (SPD) mahnte, Hochwasserschutzmaßnahmen schneller fertigzustellen. In ihrer Heimat Augsburg seien Projekte, die als Reaktion auf das Pfingsthochwasser 1999 geplant wurden, immer noch nicht abgeschlossen. Zusätzlich müssten sich Kommunen flussübergreifend solidarisch verhalten, teilweise auch mit Gemeinden in Österreich.

/ David Lohmann

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